Nach intensiven Verhandlungen hat das Europaparlament am Dienstag, den 05.07.2022 einem wegweisenden Gesetzespaket zugestimmt, welches mit dem Digital Service Act („DSA“) und dem Digital Markets Act („DMA“) wesentliche Neuregelungen für den digitalen Raum schafft.
Der DSA soll vor allem die Rechte der Nutzer digitaler Plattformen stärken und dazu führen, dass das, was bereits in der analogen Welt verboten ist, in Zukunft auch in der digitalen Welt nicht mehr erlaubt ist. Hierbei geht es vor allem um Themen wie Hassrede, die Darbietung illegaler Inhalte oder gezielte Fehlinformationen. Um die mit der Nutzung von Online-Plattformen verbundenen Risiken besser bewerten zu können, müssen die Plattformen zukünftig auch die wichtigsten Parameter ihrer Algorithmen offenlegen.
Der DMA hingegen dient in der Schaffung eines fairen Wettbewerbs in der digitalen Welt. Er richtet sich vor allem an die Internetriesen und soll verhindern, dass diese ihre beherrschende Marktstellung missbrauchen. Dazu werden bestimmte wettbewerbsschädliche Verhaltensweisen dieser sogenannten „Gatekeeper“ verboten. Außerdem werden sie dazu verpflichtet, ihre Dienste für die Nutzung von fremden Anwendungen zu öffnen.
Digital Services Act
Durch die Verabschiedung des Gesetzespaketes soll ein rechtlicher Rahmen gesetzt werden, welcher sicherstellt, dass die gesetzlichen Regelungen mit dem fortschreitenden Innovationstempo der Technologie-Konzerne schritthalten können und nicht die größten und stärksten Konzerne ihre eigenen Regeln festlegen. So erklärte die zuständige geschäftsführende Vizepräsidentin Margrethe Vestager bereits, das Gesetz werde „dazu beitragen, ein sicheres und verantwortungsvolles Online-Umfeld zu schaffen“. Deswegen sollen die Plattformen hinsichtlich der Moderation von Inhalten transparent sein und verhindern, dass gefährliche Desinformationen sich viral verbreiten.
Der DSA enthält verbindliche Pflichten für alle Anbieter digitaler Dienste, die Verbrauchern Waren, Dienstleistungen oder Inhalte vermitteln, legt neue Verfahren für die schnelle Entfernung von illegalen Inhalten fest und gewährleistet darüber hinaus den Schutz der Grundrechte der Nutzer im Netz.
Das Gesetz erfasst sogenannte Online-Vermittlungsdienste wie z. B. Internetzugangsanbieter, Hosting-Dienste, Online-Plattformen zum Kauf und Verkauf von Waren wie Online-Marktplätze, App-Stores sowie Suchmaschinen. Die strengsten Vorschriften treffen dabei Plattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzern in der Union. Diese werden als „very large online Platform“ („VLOP“) bezeichnet.
Stärkung der Nutzerrechte
Verpflichtete müssen insbesondere Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Waren, Dienstleistungen oder Inhalte im Internet ergreifen. Unter anderem soll ein Mechanismus mit sog. „vertrauenswürdigen Hinweisgebern“ sowie eine Verpflichtung zur Rückverfolgbarkeit gewerblicher Nutzer auf Online-Marktplätzen etabliert werden.
Die Rechte von Nutzern sollen dadurch gestärkt werden, dass es zukünftig möglich sein wird, Rechtsmittel gegen Moderationsentscheidungen der Plattformen einzulegen. Außerdem wird der Einsatz sogenannter Dark Patterns, also Oberflächengestaltungen, die Nutzer unbemerkt zu einem gewissen Verhalten, wie etwa der Abgabe von Einwilligungen, bewegen sollen, verboten. Auch müssen VLOPs akkreditierten Forschern und nichtstaatlichen Organisationen den Zugang zu ihren Daten ermöglichen und in Zukunft Einblicke in ihre Algorithmen gewähren.
Strenge Regeln für VLOPs, Suchmaschinen und Co.
VLOPs und Suchmaschinen werden zukünftig verpflichtet sein, risikobasierte Maßnahmen zu ergreifen, um den Missbrauch ihrer Systeme zu verhindern. So sollen Minderjährige von der Verwendung ihrer personenbezogenen Daten zur Erstellung von personalisierter Werbung ausgeschlossen werden.
Die Mitgliedsstaaten müssen eigene Behörden als Koordinatoren für digitale Dienste benennen, welche für die Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständig sind. Diese werden sich zukünftig im „Europäischen Gremium für digitale Dienste“ als unabhängige Beratergruppe zusammenschließen. Im Falle von VLOPs ist die Kommission unter gewissen Umständen auch selbst befugt, Verfahren einzuleiten.
Vermeidung von Manipulationen im Internet
Als Reaktion auf den Krieg Russlands in der Ukraine wurde auch ein Krisenmechanismus eingefügt, welcher es im Falle eines Notstandes, wie etwa eines Krieges oder einer Pandemie, ermöglichen soll, die Verbreitung manipulativer Inhalte im Netz zu begrenzen.
Interoperabilität und Datenzugang
Neben den verbesserten Nutzerrechten und dem stärkeren Verbraucherschutz werden Nutzer auch von den neuen Regelungen des DMA zur Interoperabilität profitieren. So müssen zukünftig die Betreiber großer Messangerdienste wie WhatsApp es dem Nutzer ermöglichen, auch Nachrichten von anderen Anwendungen zu empfangen. Auch müssen die Nutzer zukünftig selbst Zugriff auf ihre Daten auf der Plattform erhalten und diese auf andere Plattformen übertragen dürfen. Hierdurch sollen der Wettbewerb zwischen den Plattformen gestärkt und Lock-In-Effekte zugunsten der bisherigen Marktführer abgeschwächt werden.
Digital Markets Act: Stärkung des Wettbewerbs zugunsten kleinerer Unternehmen
Der DMA soll den Wettbewerb insbesondere dadurch stärken, dass besonders große Konzerne ihre Produkte nicht mehr gegenüber denen ihrer Konkurrenten bevorzugt behandeln dürfen. Auch dürfen Gatekeeper zukünftig Daten aus verschiedenen Quellen nicht mehr ohne ausdrückliche Einwilligung der Nutzer zu Datensätzen zusammenführen oder die Nutzer dazu bewegen, Daten von anderen Plattformen mit ihnen zu teilen. Es wird ihnen auch nicht mehr möglich sein, Nutzer an der Deinstallation vorinstallierter Anwendungen zu hindern. Bemerkenswert ist auch, dass die Beweislast für die Einhaltung der Vorgaben des DMA den verpflichteten Unternehmen auferlegt wird. Die neuen Compliance-Pflichten für Gatekeeper werden voraussichtlich insbesondere den kleineren Unternehmen in der größtenteils mittelständisch geprägten Datenwirtschaft zugutekommen. Dies soll die Innovationskraft der gesamten Branche stärken.
Sanktionen
Bei Verstößen gegen den DSA drohen Bußgelder von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes sowie Zwangsgelder in Höhe von 5 % des Tagesumsatzes. Dazu besteht die Möglichkeit, eines Verbots in der EU gewerblich tätig zu werden.
Verstöße gegen den DMA können sogar mit einer Geldbuße von maximal 10 % des Gesamtumsatzes des letzten Geschäftsjahres bestraft werden. Bei Nichtbefolgung besteht hier ebenso die Möglichkeit, tägliche Zwangsgelder bis zu einem Höchstbetrag von 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes im letzten Geschäftsjahr zu verhängen.
Ausblick
Nun müssen DMA und DSA noch formell vom EU-Rat angenommen werden. Danach werden diese im Amtsblatt der EU veröffentlicht und treten jeweils 20 Tage danach in Kraft. Nach aktuellen Informationen gilt der DSA 15 Monate nach seinem Inkrafttreten, frühestens ab dem 01.01.2024. Für sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen soll er bereits vier Monate nachdem sie von der Kommission als Gatekeeper eingestuft worden sind gelten. Der DMA wird voraussichtlich sechs Monate nach seinem Inkrafttreten Geltung entfalten. Die Gatekeeper werden erst sechs Monate nach ihrer Einstufung als solche den neuen Verpflichtungen nachkommen müssen.
Da es sich bei DSA und DMA um Verordnungen handelt, entfalten diese unmittelbare Wirkung in den EU-Mitgliedsstaaten.
Partner
Leiter Technologierecht
THE SQUAIRE Am Flughafen
60549 Frankfurt am Main
tel: +49-69-951195770
fheynike@kpmg-law.com
© 2024 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.
KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.