Suche
Contact
05.10.2018 | KPMG Law Insights

Leistungsverzeichnis schlägt Bemusterung!

Leistungsverzeichnis schlägt Bemusterung!

Durch die Freigabe eines Produkts im Rahmen einer Bemusterung werden die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses für das Produkt nicht verdrängt. Das gilt auch dann, wenn der Auftraggeber bei der Bemusterung die Abweichungen vom Leistungsverzeichnis erkennen konnte.

Beschluss des OLG Schleswig vom 18. August 2017, Az. 1 U 11/16

Wir berichten über eine aktuell veröffentlichte Entscheidung, die Anlass gibt, die Vorgaben zu Bemusterungen in Bauverträgen zu prüfen und die Rechtsfolgen einer Auswahl- oder Freigabeentscheidung genauer zu regeln.

Ausgangsfall

Auftraggeber (nachfolgend „AG“) und Auftragnehmer (nachfolgend „AN“) schlossen einen VOB-Vertrag über das Verlegen von Fliesen in einem Treppenhaus. Der AN setzte im Rahmen der Ausführung dieses Vertrages für die Podeste im Unterschied zu den Treppenstufen Fliesen ohne keramische Oberflächenversiegelung und mit einer anderen Rutschfestigkeitsklasse ein. Dies führte dazu, dass die Fliesen auf den Podesten nach Fertigstellung und Abnahme fleckig aussahen und einen erhöhten Reinigungsaufwand aufwiesen. Die Parteien hatten vertraglich vorgesehen, dass alle verwendeten Fliesen zueinander passen und die gleiche Rutschfestigkeitsklasse aufweisen müssen. Die tatsächlich verwendeten Fliesen, also auch die Fliesen für die Podeste ohne Oberflächenversiegelung, wurden dem AG im Rahmen eines Bemusterungstermins vorgelegt und von diesem freigegeben. Der AN verlangte die Zahlung des restlichen Werklohns. Der AG verlangte widerklagend die Zahlung eines Vorschusses zur Mangelbeseitigung.

Entscheidung

Das OLG Schleswig hat entschieden, dass die Leistung des AN mangelhaft ist, da er Fliesen verlegt hat, die nicht der vereinbarten Beschaffenheit entsprechen. Die Fliesen auf den Podesten und den Stufen passen nicht zueinander, da sie eine unterschiedliche Rutschfestigkeitsklasse und Rauigkeit und dadurch eine unterschiedliche Schmutzanfälligkeit aufweisen.

Bei dem Bemusterungstermin ging es nach Auffassung des Gerichts allein um die Auswahl der Farbe der Fliesen. Der AN kann sich daher im vorliegenden Fall nicht darauf berufen, dass der AG die Fliesen im Rahmen des Bemusterungstermins selbst ausgesucht hatte. Ob der Unterschied der Stufenfliesen und der anderen Fliesen bei der Bemusterung erkennbar war, ist nach Auffassung des OLG Schleswig dabei sogar unerheblich. Ein Baulaie könne zwar ggf. eine gewisse optische Abweichung der Fliesen erkennen. Entscheidend sei aber, dass er ohne Aufklärung durch den fachkundigen Unternehmer die Folgen im Gebrauch nicht erkennen könne.

Das OLG Schleswig hat zudem herausgestellt, dass sich der AN auch nicht auf den bei der Ausschreibung vorgegebenen Preis berufen könne. Es hätte ihm oblegen, den AG über die Vor- und Nachteile der keramischen Versiegelung aufzuklären. Nur dann hätte der AG sinnvoll entscheiden können, ob er die tatsächlich vorgelegten Fliesen wählt oder qualitativ höherwertigere Fliesen zu einem höheren Preis wünscht.

Praxishinweise

Der Beschluss des OLG Schleswig macht deutlich, dass die vereinbarte Werkbeschaffenheit grundsätzlich nicht durch die Vorgaben in einem Bemusterungstermin bestimmt oder geändert wird. Wollen die Parteien gleichwohl erreichen, dass eine vorzunehmende Bemusterung die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses verdrängt, so ist dies bei der Gestaltung des Bauvertrages eindeutig zu berücksichtigen. Dazu können beispielsweise Formulierungen im Leistungsverzeichnis wie „…entsprechend Bemusterung“ gewählt werden. Schon diese kurze Ergänzung stellt hinreichend klar, dass die vom AN vorgenommene Bemusterung die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses konkretisieren soll und diesen daher vorgeht. Ist das Leistungsverzeichnis entsprechend gestaltet, genügt es im Bemusterungstermin, dass der AG alle Abweichungen vom Leistungsverzeichnis erkennen konnte. Eine weitergehende Aufklärung des AN ist dann nicht erforderlich (vgl. hierzu OLG Bremen, Urteil vom 16.03.2012, Az. 2 U 94/09). Ratsam erscheint es demnach, dass der AN in entsprechenden Situationen über die Unterschiede bestimmter Produkte oder Fabrikate informiert, beispielsweise durch die Überlassung von Datenblättern oder weiteren Herstellerangaben, und diese Aufklärung dokumentiert.

Explore #more

13.01.2025 | KPMG Law Insights

IED: Erstes Gesetzespaket zur Umsetzung der EU-Richtlinie liegt vor

Die neue EU-Industrieemissionsrichtlinie (Industrial Emissions Directive, IED) ist am 4. August 2024 in Kraft getreten und muss bis Juli 2026 von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.…

12.01.2025 | In den Medien

Podcast zur EU-Entwaldungsverordnung

Entwaldung und Waldschädigung nehmen weltweit mit besorgniserregender Geschwindigkeit zu. Sie sind eng mit der globalen Klimakrise und dem Verlust von Artenvielfalt verknüpft – das sind…

09.01.2025 | In den Medien

KPMG Law stärkt den Bereich Legal Transformation Managed Services und Legal Corporate Services mit zwei neuen Senior Managerinnen

KPMG Law hat sich zum 1. Januar mit Jana Sichelschmidt im Bereich Transformation Managed Services und mit Dr. Michaela Lenk im Bereich Corporate Services verstärkt.…

07.01.2025 | KPMG Law Insights

Grundsteuer als Betriebskosten: Drei aktuelle Fragen und Antworten

Als Teil der Betriebs- und Nebenkosten kann die für eine vermietete Wohn- oder Gewerbeimmobilie erhobene Grundsteuer regelmäßig an Mieterinnen und Mietern weiterberechnet werden. Zum 1. …

07.01.2025 | KPMG Law Insights

Digitalisierung und Kooperationen – diese Maßnahmen sollten Kommunen im Haushalt einplanen

Mit Maßnahmen der Digitalisierung und mit Kooperationen können Kommunen langfristig erhebliche Kosten und auch Personal sparen. Auch wenn das Geld gerade knapp ist, sollten die…

06.01.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law hat die Flexfy GmbH bei der Ausgründung aus der DAW SE sowie einer anschließenden Finanzierungsrunde beraten

Die DAW SE hat im Rahmen eines Innovationsprogramms einen elektrisch leitfähigen und magnetischen Wandaufbau entwickelt, der eine flexible und neuartige Nutzung von Wänden ermöglicht („FLEXFY…

06.01.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law begleitet den Verkauf der Käppler & Pausch GmbH

Gabriel Pausch, der Mitgründer und Hauptgesellschafter der Käppler & Pausch GmbH, ein Systemlieferant für Metallbaugruppen sowie Metall- und Blechverarbeitung mit 160 Mitarbeitern in Neukirch/Lausitz, hat…

03.01.2025 | In den Medien

Interview in der Betrieb zum EU-Geldwäschepaket und seine Auswirkungen

Das EU-Geldwäschepaket harmonisiert die Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfungsregeln in Europa, bringt neue Maßnahmen wie Bargeld-Obergrenzen von 10.000 €, Identifizierungspflichten ab 3.000 € und eine neue zentrale…

02.01.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement im eMagazin Immobilienanwälte: Beim Markenschutz trifft Kreativität auf Recht

Four Frankfurt, Elbtower, Vonovia: Hinter Immobilienprojekten und -firmen stehen millionen- oder gar milliardenschwere Konstrukte. Um sich mit ihren Angeboten und Dienstleistungen aus der Masse abzuheben,…

20.12.2024 | KPMG Law Insights

Die EU-Verpackungsverordnung macht strenge Vorgaben für Verpackungen

Die EU hat die Verpackungsverordnung verabschiedet. Nachdem das Europäische Parlament bereits am 24. April 2024 den Entwurf der Kommission angenommen hatte, haben am 16. Dezember…

Kontakt

Dr. Rainer Algermissen

Partner
Leiter Bau- und Immobilienrecht

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 3609945331
ralgermissen@kpmg-law.com

© 2024 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll