I. Überblick
Seit dem Beginn der Corona-Krise und dem damit einhergehenden „Lockdown“ im März 2020 ist das Thema Kurzarbeit präsenter denn je. Viele Betriebe und sogar ganze Wirtschaftszweige waren gezwungen, vorübergehend komplett zu schließen oder erfuhren zumindest starke Einschränkungen durch die strengen Auflagen der Regierung.
Mit der Kurzarbeit bietet sich für viele Unternehmen ein auf den ersten Blick attraktiver Ausweg aus dieser Krise. Die Agentur für Arbeit (AfA) erstattet dem Arbeitgeber, unter bestimmten Voraussetzungen, bis zu 67 % der Gehälter, die dieser an seine Mitarbeiter bezahlen muss. Dadurch kann in großem Maße verhindert werden, dass Arbeitnehmer ausgestellt werden müssen.
Diese Förderung durch den Staat bringt jedoch nicht nur nicht nur eine finanzielle Entlastung mit sich, sondern ist auch an strenge formale Kriterien geknüpft. Wer bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld Fehler macht, kann sich schnell einem erheblichen Haftungsrisiko aussetzen, was Folgen wie die Rückerstattung des erhaltenen Kurzarbeitergeldes bis hin zu einer strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung nach sich ziehen kann.
II. Voraussetzungen
Kurzarbeitergeld wird in einem zweistufigen Prozess gem. §§ 95 ff. SGB III gewährt. Zunächst ist die Kurzarbeit durch den Arbeitgeber bei der zuständigen AfA zu beantragen. In einem zweiten Schritt zahlt der Arbeitgeber dem betroffenen Mitarbeiter dann das Kurzarbeitergeld aus und lässt sich dieses auf entsprechenden Antrag von der AfA erstatten.
a) Antragsverfahren
Im ersten Schritt reichen Arbeitgeber oder Betriebsrat eine Anzeige über einen erheblichen Arbeitsausfall bei der zuständigen AfA ein.
Hierbei handelt es sich zunächst um eine Prognose, inwieweit Kurzarbeitergeld benötigt werden wird.
Antragsberechtigt sind nach der Corona-bedingten Neuregelung Arbeitgeber, bei denen mindestens 10% der Mitarbeiter von einem Arbeitsausfall betroffen sind.
Was den Arbeitsausfall betrifft, so ermutigt die AfA erfahrungsgemäß zu großzügigen Prognosen. Eine geringere Geltendmachung im Leistungsverfahren ist dann unproblematisch möglich. (Zeit-) Aufwendiger gestaltet sich hingegen eine spätere Ausweitung der Kurzarbeit über den beantragten Rahmen hinaus.
Dabei muss glaubhaft gemacht werden, dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht. Häufig kann dies durch die Corona-Krise der Fall sein, wobei diese auch der tatsächliche Grund für den Arbeitsausfall sein muss. Voraussetzung ist, dass dadurch zum Beispiel weniger Aufträge eingehen oder es sogar zu einer vor-übergehenden Betriebsschließung kommt. Der Arbeitsausfall ist unvermeidbar, wenn zuvor alles Nötige getan wurde, um ihn zu verhindern. Dies kann durch den Abbau von Resturlaub aus dem Vorjahr oder von Überstunden geschehen.
Wichtig: Bloß vorbeugende Quarantäne-Anordnungen des Arbeitgebers oder ein rein finanzieller Schaden ohne korrespondierenden Arbeitsausfall rechtfertigen keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
Es muss allerdings mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersehbar sein, dass in absehbarer Zeit wieder zur Vollarbeit zurück-gekehrt werden kann. Das Kurzarbeitergeld wird nur gewährt, wenn nicht bereits vor der Krise aus anderen Gründen ein erheblicher Arbeitsausfall vorlag, oder gar die Zahlungsunfähigkeit drohte. Insbesondere stellt es keinen Rettungsschirm für Unternehmen dar, die ohnehin in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken.
Weiterhin sind die persönlichen Voraussetzungen auf Ebene des jeweiligen Mitarbeiters zu prüfen: Insbesondere kann Kurzarbeitergeld nicht für Arbeitnehmer beantragt werden, deren Arbeitsverhältnis aufgrund von Kündigung o.ä. zeitnah endet.
b) Leistungsverfahren
Im Rahmen des Leistungsverfahrens hat der Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten (bei längerer Kurzarbeit monatlich) einen schriftlichen Erstattungsantrag bei der Agentur für Arbeit einzureichen. Diese prüft auf Grundlage der persönlichen Voraussetzungen nach § 98 SGB III, ob das Kurzarbeitergeld tatsächlich zu gewähren ist, und nimmt dann die Auszahlung vor.
III. Praxistipps
IV. Risiken
Aufgrund der Masse an Anträgen und zur Sicherstellung einer schnellen Bearbeitung wird das Kurzarbeitergeld häufig vorläufig erstattet, bevor die Anträge abschließend durch die AfA geprüft werden.
Korrekturanträge können zwar nachträglich eingereicht werden, allerdings wirken diese nicht strafbefreiend. Sofern die Behörden von einem vorsätzlichen Vorgehen ausgehen, erfolgt eine entsprechende Prüfung und Beurteilung auf Basis des ggf. unrichtigen (Erst-) Antrags.
a) Zivilrechtliche Folgen
Werden vorsätzlich oder grob fahr-lässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, die zu Unrecht zur Auszahlung von Kurzarbeitergeld führen, kommt es zu einer Rückerstattungspflicht des Arbeitgebers an die Agentur für Arbeit. Daneben können ggf. Säumniszuschläge anfallen.
Sofern der Arbeitgeber die Kurzarbeit ohne rechtliche Grundlage anordnet (z.B. ohne freiwillige Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer), so gerät er zudem in Annahmeverzug und es entsteht gem. § 615 BGB die Pflicht, trotz ausgefallener Arbeit den vollen Lohn zu zahlen.
b) Strafrechtliche Folgen
Sofern im Rahmen der Anzeige von Kurzarbeit bzw. bei der jeweiligen konkreten Beantragung der Erstattung unvollständige oder unrichtige Angaben gemacht wer-den, drohen darüber hinaus auch strafrechtliche und bußgeldbewehrte Sanktionen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Strafverfolgungsbehörden bei fehlerhaften Angaben einen Subventionsbetrug annehmen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass hierfür eine leichtfertige Begehung genügt (entspricht einer groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht) und der Eintritt eines Schadens nicht erforderlich ist.
Darüber hinaus kommen Vorwürfe eines Betrugs nach § 263 StGB sowie des Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB in Betracht. Letzteres kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer über den Umfang der Kurzarbeit hinaus weiterarbeitet, ohne dies zu dokumentieren.
Zusätzlich kann beispielsweise bei einer „schwarzen“ Lohnaufstockung oder einer arbeitsrechtlich unwirksamen Einführung der Kurzarbeit eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 AO hinzukommen. Die aus einer der o.g. Straftaten erlangten Vorteile können nach §§ 73, 73c StGB eingezogen werden und dem Unternehmen droht gegebenenfalls der Verlust der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit und die Gefahr einer Auftragssperre bei öffentlichen Ausschreibungen.
Auch Bußgeldgelder können in solchen Fällen wegen Schwarzarbeit nach § 8 Abs. 3 SchwarzArbG, leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO sowie wegen Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG drohen. Solche Bußgelder können sich sowohl gegen Leitungspersonen als auch gegen das Unternehmen selbst (§ 30 OWiG) richten.
Nicht zuletzt sollte strengstens darauf geachtet werden, keinen Druck auf Arbeitnehmer auszuüben, um eine Kurzarbeit zu akzeptieren, da hier gerade im Zusammenhang mit der Androhung (oder Andeutung) nachteiliger arbeitsrechtlicher Maßnahmen die Schwelle zu einer Nötigung schnell überschritten sein kann.
V. Fazit und Handlungsempfehlung
Kurzarbeitergeld ist aus Unternehmenssicht ein wertvolles Instrument, um für einen vorübergehen-den Zeitraum Arbeitsausfall und damit verbundene fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten zu überbrücken. Hiermit können Kündigungen und negative finanzielle Auswirkungen vermieden bzw. abgefedert werden.
Es ist dabei jedoch strengstens auf die Einhaltung der Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes zu achten. Fehler bei Formalien oder gerade in der tatsächlichen Durchführung im täglichen Arbeiten können neben finanzieller Haftung auch erhebliche strafrechtliche und/oder bußgeldrechtliche Folgen für verantwortliche Personen im Unternehmen bzw. bußgeldrechtliche Folgen für das Unternehmen selbst nach sich ziehen.
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