Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD im Bereich Wohnungsbau umfassende Reformvorhaben vereinbart. Ziel ist es, Bauprozesse zu beschleunigen, den Wohnungsbau zu stärken, technische Vorgaben zu modernisieren und den Klimaschutz im Gebäudesektor voranzubringen. Förderinstrumente sollen neu strukturiert und auf aktuelle Herausforderungen ausgerichtet werden.
Ein zentrales Anliegen der Koalitionspartner ist die umfassende Reform des Baugesetzbuches. Bereits in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung soll ein Gesetzentwurf für einen sogenannten „Wohnungsbau-Turbo“ vorgelegt werden. Dieser sieht vor, planungsrechtliche Hürden zu senken und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Unter anderem sollen Lärmschutzfestsetzungen vereinfacht werden. Gleichzeitig soll die kommunale Planungshoheit gewahrt bleiben.
In einem zweiten Schritt planen die Koalitionspartner eine grundlegende Novelle des Baugesetzbuches, mit der eine dauerhafte strukturelle Beschleunigung von Bauvorhaben erreicht werden soll. Dabei soll unter anderem die Möglichkeit zum Vorkaufsrecht für Kommunen gestärkt werden. Die TA Lärm, das Bauplanungsrecht und die TA Luft sollen weiterentwickelt werden, um Nutzungskonflikte zwischen Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft zu lösen. Der Gebäudetyp E, eine Bauform mit funktional vereinfachten Standards, soll rechtlich abgesichert werden und einen unkomplizierten und kostengünstigen Wohnungsbau ermöglichen.
Neben den planungsrechtlichen Änderungen ist eine umfassende Entlastung im Bereich der technischen Vorgaben vorgesehen. Zukünftig soll eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik nicht mehr automatisch als Mangel gewertet werden, sofern die Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerks weiterhin gewährleistet sind. Dies soll mehr Spielraum für innovative Lösungen und serielle Bauweisen schaffen. Wie dies konkret umgesetzt werden soll und welcher Maßstab künftig für den bauvertragsrechtlichen Mängelbegriff gelten soll, bleibt abzuwarten.
Technische Normen, etwa aus dem DIN-Bereich, sollen in ihrer Bindungswirkung überprüft und auf sicherheitsrelevante Aspekte reduziert werden. Eine unabhängige Prüfstelle soll die wirtschaftlichen Auswirkungen neuer Normen bewerten und damit unnötige Kostentreiber identifizieren. Ziel ist es, Planungs- und Bauprozesse zu entbürokratisieren, ohne die bauliche Qualität zu gefährden.
Die Koalitionspartner haben das serielle, modulare und systemische Bauen klar als Schlüsselstrategie zur Beschleunigung des Wohnungsbaus benannt. Ziel ist es, durch industrielle Vorfertigung schneller, kosteneffizienter, nachhaltiger und flächendeckender Wohnraum zu schaffen. Vorgesehen ist, diese Bauweise rechtlich abzusichern und regulatorisch zu erleichtern.
Der Gebäudesektor soll einen relevanten Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Die derzeit gültigen gesetzlichen Regelungen sollen grundlegend überarbeitet werden: Das Heizungsgesetz soll abgeschafft und das neue GEG technologieoffener, flexibler und einfacher gestaltet werden. Spielräume bei der Umsetzung der europäischen Gebäuderichtlinie EPBD sollen ausgeschöpft werden. Es soll ein neues Recht geschaffen werden, das nicht mehr auf kurzfristige Effizienz einzelner Maßnahmen, sondern auf die langfristige Emissionseffizienz des Gesamtgebäudesystems ausgerichtet ist. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden.
Zudem möchten die Koalitionäre zwei nationale Aktionspläne für biobasierte Baustoffe und für energieintensive Materialien mit hohem CO₂-Einsparpotenzial auf den Weg bringen. Die Ersatzbaustoffverordnung soll überarbeitet und durch eine Abfallende-Regelung ergänzt werden. Der Einsatz von Recycling-Baustoffen soll erleichtert werden.
Union und SPD möchten auch die Digitalisierung des Bauwesens durch die Weiterentwicklung von Building Information Modeling (BIM) als Standardinstrument unterstützen. Ergänzend soll ein Bundesforschungszentrum für klimaneutrales und ressourceneffizientes Bauen eingerichtet werden.
Die bestehende Förderstruktur im Bereich Wohnungsbau soll grundlegend neu organisiert werden. Künftig sollen zwei zentral gebündelte KfW-Programme zur Verfügung stehen – eines für den Neubau und eines für die Modernisierung. Diese Programme sollen administrativ vereinfacht und strategisch auf kostensparendes, klimagerechtes und serielles Bauen ausgerichtet werden.
Zur Reaktivierung von Bauvorhaben wollen die Koalitionspartner die Förderung des Effizienzhausstandards 55 (EH55) zeitlich befristet wieder ermöglichen.
Zur Förderung der Wohneigentumsbildung ist eine Reihe ergänzender Maßnahmen vorgesehen. Dazu gehören steuerliche Erleichterungen, eigenkapitalersetzende Instrumente sowie staatliche Bürgschaften für Hypotheken, um insbesondere Familien und junge Haushalte beim Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen.
Ein Investitionsfonds für den Wohnungsbau soll zusätzliches privates Kapital mit öffentlichen Garantien kombinieren und gezielt für Neubauvorhaben bereitgestellt werden. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften sollen durch eigenkapitalentlastende Maßnahmen unterstützt werden.
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) soll künftig über eine begrenzte Kreditfähigkeit verfügen.
Mit einer Kombination aus rechtlicher Entlastung, technischer Flexibilisierung, gezielter Förderung und ökologischer Steuerung wird ein Rahmen geschaffen, der nachhaltige Investitionen in bezahlbaren, klimafreundlichen Wohnraum beschleunigen soll. Öffentliche wie private Bauherren können in den kommenden Jahren mit besseren Voraussetzungen für Planung, Finanzierung und Umsetzung rechnen. Damit dieser politische Aufbruch in der Praxis Wirkung entfalten kann, ist nun eine zügige und verbindliche Umsetzung der angekündigten Maßnahmen entscheidend.
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