Die neue EU-Industrieemissionsrichtlinie (Industrial Emissions Directive, IED) ist am 4. August 2024 in Kraft getreten und muss bis Juli 2026 von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Jetzt liegt ein erstes Umsetzungspaket vor. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hat Ende November den Entwurf eines Mantelgesetzes und einer Mantelverordnung veröffentlicht, mit denen große Teile der IED in nationales Recht transferiert werden sollen. Die Relevanz für die Wirtschaft ist erheblich: Die IED betrifft etwa 55.000 Anlagen in Europa, 13.000 davon allein in Deutschland. Sie gilt für nahezu alle Industriezweige.
Durch das Mantelgesetz sollen diverse Gesetze angepasst werden, vor allem
Die Mantelverordnung sieht Änderungen an der 4., 5., 9., 11., 17. und 44. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) vor. Ferner soll eine neue 45. BImSchV, die IE-Managementverordnung oder Verordnung über die Umsetzung von Managementvorgaben und Umweltleistungswerten in Industrieanlagen, verabschiedet werden. Daneben finden sich in der Mantelverordnung auch noch Änderungen der Deponieverordnung (DepV), Ersatzbaustoffverordnung (ErsatzbaustoffV) sowie der Abfallbeauftragten-Verordnung (AbfBeauftrV). Die beabsichtigte Änderungsbreite zeigt bereits, dass die IED-Novelle umfassende Anpassungen an verschiedenen umweltrechtlichen Bestimmungen erfordert. Spätere Umsetzungspakete werden noch Änderungen unter anderem am Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sowie der TA Luft regeln müssen.
Es sind zahlreiche Änderungen des BImSchG geplant, die Betreiber von IED-Anlagen unmittelbar betreffen. Neu ist vor allem, dass Anlagenbetreiber Schadenersatz leisten müssen, wenn Verstöße gegen die Betreiberpflichten zu Gesundheitsschäden führen. Insgesamt sollen die Betreiberpflichten gemäß § 5 BImSchG erweitert werden. Bei bestimmten Verstößen kann der Betrieb der Anlage sogar „unverzüglich“ versagt werden, zum Beispiel bei Gesundheitsgefahren und erheblichen Umweltgefahren. Die Genehmigungsvoraussetzungen für modulare Anlagen werden angepasst und ergänzt. Modulare Anlagen sind dabei gekennzeichnet durch eine Vielfalt und Variationsbreite von Verfahrenstypen oder Stoffklassen in der Produktion und garantieren damit Wettbewerbsfähigkeit zum Beispiel in der chemischen Industrie.
Die neuen Regeln sollen bewirken, dass Emissionen weiter abnehmen. Bei Inkrafttreten neuer BVT-Schlussfolgerungen sollen die Emissionsbandbreiten schnellstmöglich und künftig auch so streng wie möglich eingehalten werden. Die BVT-Schlussfolgerungen beschreiben als „Beste Verfügbare Technik“ den aus dem nationalen Recht bekannten „Stand der Technik“ auf europäischer Ebene.
Behörden sollen künftig die Emissionsgrenzwerte auf dem strengsten für die spezifische Anlage erreichbaren Niveau festlegen. Der Betreiber muss dann die gesamte BVT-assoziierte Bandbreite analysieren und auf dieser Basis darlegen und begründen, ob die Werte am strengsten Ende der mit BVT-assoziierten Emissionsbandbreite erreicht werden können. Mögliche medienübergreifende Auswirkungen wird er dabei zu berücksichtigen haben.
Zudem ist geplant, dass zukünftig auch die Ergebnisse der Überwachung der Emissionen von IED-Anlagen der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich gemacht werden. Allerdings sollen hier die Ausschlussgründe aus dem Umweltinformationsgesetz (UIG) entsprechend greifen.
Schließlich soll zukünftig bei juristischen Personen oder Personenvereinigungen mit einem Gesamtumsatz von mehr als 1,67 Millionen Euro bei Verstößen gegen die Vorgaben eine umsatzorientierte Geldbuße bis zu 3 Prozent des Gesamtumsatzes verhängt werden können.
Im Kontext der diversen Änderungen an den verschiedenen BImSchV sind insbesondere die Anpassungen an der 4. BImSchV sowie die geplante neue 45. BImSchV hervorzuheben.
So soll zunächst der Anwendungsbereich der 4. BImSchV auf zusätzliche Anlagenarten ausgeweitet werden, beispielsweise auf sogenannte Gigafactories zur Batterieherstellung, Pyrolyseanlagen, Schmiedepressen und Anlagen zur Veredelung von Textilien. Auch für Elektrolyseure wird die Verordnung angepasst: Zukünftig brauchen kleinere Elektrolyseure keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung mehr. Mittlere Elektrolyseure können in einem vereinfachten Verfahren genehmigt werden und nur für große Elektrolyseure, die also mehr als 50 Tonnen Wasserstoff pro Tag erzeugen, ist ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig.
Daneben sind diverse Anpassungen an der 4. BImSchV vorgesehen, die der Planungsbeschleunigung dienen. So ist etwa geplant, soweit europarechtlich möglich, stets das vereinfachte Genehmigungsverfahren zur Anwendung kommen zu lassen und eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit schon in der Planungsphase anzustreben. Des Weiteren wird die Anzahl der Anlagentypen aus Gründen der Vereinfachung von rund 330 auf 250 reduziert.
Von besonderer Bedeutung ist die neue 45. BImSchV, mit der die im BImSchG vorgesehene Betreiberpflicht für Umweltmanagementsysteme (UMS) flankiert werden soll. Die Einführung eines UMS wird voraussichtlich für alle Bestandsanlagen bzw. für alle neuen Anlagen im Scope der Verordnung, die nach dem 1. Juli 2027 in Betrieb genommen werden, verpflichtend. Das UMS muss gewisse Mindestinhalte aufweisen, vor allem Umweltziele abstecken (zum Beispiel Abfallvermeidungsmaßnahmen benennen) sowie etwa ein Chemikalienverzeichnis und einen Transformationsplan (ausgelegt bis zum Jahr 2030) beinhalten. Außerdem trifft die 45. BImSchV weitreichende Veröffentlichungs-, Datenerhebungs- und Nachweispflichten hinsichtlich des UMS, letztere unter anderem in Gestalt einer internen Auditierungs- oder DIN-Zertifizierungspflicht.
Die 45. BImSchV soll Anlagenbetreiber zur Einhaltung „branchenspezifischer Merkmale“ verpflichten, also der branchenbezogenen BVT-Schlussfolgerungen zum Beispiel für die Bereiche Textilindustrie, Eisenmetallverarbeitungsindustrie, Großfeuerungsanlagen oder Abfallbehandlung. Bisher hat der deutsche Gesetzgeber den Aspekt der branchenspezifischen Merkmale überwiegend der unternehmerischen Eigenverantwortung überlassen und auf eine untergesetzliche Konkretisierung bislang weitgehend verzichtet. Dies ändert sich nun.
Des Weiteren sollen in der neuen 45. BImSchV die Bandbreiten für Ressourcen- und Energieverbrauch (sogenannte Umweltleistungswerte) entsprechend der jeweiligen BVT-Schlussfolgerungen festgelegt werden, die dann eingehalten werden müssen. Die Details sind noch offen.
Die geplanten Änderungen zur Umsetzung der Novelle der IED sind weitreichend und für Unternehmen von erheblicher Bedeutung. Vor allem Unternehmen aus der Energiewirtschaft, der chemischen Industrie, der gewerblichen Abfallbehandlung sowie der Intensivtierhaltung ist dringend zu empfehlen, die eigene Betroffenheit frühzeitig zu identifizieren und sich mit den künftigen neuen Anforderungen und insbesondere deren praktischen Umsetzung intensiv und zeitnah zu beschäftigen. Trotz der Neuwahlen ist mit einem Fortgang des Umsetzungsverfahrens spätestens im Sommer 2025 zu rechnen, denn die Umsetzungsfrist der IED läuft bereits.
Partner
Friedenstraße 10
81671 München
Tel.: +49 89 5997606 5021
simonmeyer@kpmg-law.com
Senior Associate
Prinzenstr. 23
30159 Hannover
Tel.: +49 511 7635078-153
skoepper@kpmg-law.com
© 2024 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.
KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.