Suche
Contact
29.04.2022 | KPMG Law Insights

EuGH: DSGVO-Klagen durch Verbraucherverbände zulässig

Der EuGH hat heute entschieden, dass qualifizierte Verbraucherverbände in Deutschland auch unter Geltung der DSGVO befugt sind, unabhängig von der konkreten Verletzung des Rechts einer betroffenen Person auf den Schutz ihrer Daten und ohne eine entsprechende Beauftragung durch eine solche Person gegen die Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch ein Unternehmen zu klagen (EuGH, Urteil vom 28.07.2022 – Rs. C-319/20, Meta Platforms Ireland Ltd. ./. Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.).

 

Verbraucherzentrale Bundesverband gegen Meta

Gegenstand des Verfahrens war das vielbeachtete Vorabentscheidungsersuchen des BGH in einem Rechtsstreit der Meta Platforms Ireland Ltd. als Betreiberin von Facebook gegen den Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. In diesem klagte der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. gegen die Betreiberin von Facebook auf Unterlassung unter anderem wegen des Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, ohne dass er hierzu von einer betroffenen Person beauftragt wurde. Der BGH bestätigte zwar das Vorliegen von Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Er hegte jedoch noch Zweifel daran, dass seit Geltung der DSGVO die Klage eines Verbraucherverbandes auch unabhängig von einer konkreten Verletzung von Datenschutzrechten einer betroffenen Person und ohne Auftrag einer solchen Person, erfolgen könne. Seiner Ansicht stünde Art. 80 DSGVO einer Verbandsklagebefugnis aus eigenem Recht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) entgegen. Denn Art. 80 Abs. 1 DSGVO setze voraus, dass ein klagender Verband von einer betroffenen Person beauftragt sei, in ihrem Namen die nach der DSGVO bestehenden Rechte gegen Datenschutzverstöße wahrzunehmen. Eine Verbandsklagebefugnis zur objektiv-rechtlichen Durchsetzung des Datenschutzrechts sei unter Geltung der DSGVO nicht mehr gegeben. Sie könne auch aus Art. 84 Abs. 1 DSGVO nicht hergeleitet werden, da die Verbandsklagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG nicht auf eine Sanktion im Sinne der DSGVO ausgerichtet sei. Auch eine Klagebefugnis aus eigenem Recht nach den Bestimmungen des UKlaG (Unterlassungsklagegesetz) sei mit Blick auf die Vorgaben des Art. 80 Abs. 2 DSGVO Erwägungen zweifelhaft, denn insoweit müssten zumindest die Verletzung von Rechten einer betroffenen Person geltend gemacht werden.

 

Klagebefugnis von Verbraucherzentralen aus eigenem Recht

Der EuGH hat nunmehr klargestellt, dass die nach deutschem Recht qualifizierten Verbraucherverbände weiterhin befugt sind, aus eigenem Recht gegen Datenschutzverstöße vorzugehen. Zwar könne eine Verbandsklage unabhängig von einem erteilten Auftrag nur dann erhoben werden, wenn nach Ansicht des klagenden Verbandes die Datenschutzrechte einer betroffenen Person verletzt worden sind. Für die Zwecke einer Verbandsklage könne jedoch nicht verlangt werden, dass klagende Verband die von einer angenommenen Datenschutzverletzung konkret betroffene Person im Voraus individuell ermittelt. Da gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO als betroffene Person auch identifizierbare natürliche Personen gelten und nicht nur bereits identifizierte Personen, reiche es aus, wenn eine Kategorie oder Gruppe von Personen benannt werde, die von der vermeintlich rechtswidrigen Datenverarbeitung betroffen sind. Auch der Nachweis einer konkreten Verletzung von Datenschutzrechten dieser Personen sei nicht Voraussetzung für die Erhebung einer Verbandsklage. Auch der Umstand, dass ein Verstoß gegen Datenschutzvorschriften im Rahmen eines Verfahrens zur Durchsetzung von anderen, dem Verbraucherschutz dienenden Vorschriften geltend gemacht werde, sei unschädlich. Denn Datenschutzverstöße können auch Verstöße gegen Vorschriften über den Verbraucherschutz oder unlautere Geschäftspraktiken nach sich ziehen.

 

Erhöhte Gefahr von DSGVO-Klagen

Unternehmen müssen also wieder vermehrt damit rechnen, dass sie von Verbraucherverbänden wegen etwaiger Datenschutzverletzungen in Anspruch genommen werden. Denn nunmehr ist höchstrichterlich klargestellt, dass sie hierfür auch unter Geltung der DSGVO keinen Auftrag einer durch eine Datenschutzverletzung betroffenen Personen benötigen. Sie können von sich aus aktiv werden, wenn sie der Meinung sind, dass ein Unternehmen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstößt. Die weiteren vom EuGH benannten Voraussetzungen des Verbandsklagerechts lassen sich vergleichsweise leicht erfüllen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die deutschen Verbraucherverbände die Ihnen weiter zugestandenen Möglichkeiten, gegen Unternehmen vorzugehen, ungenutzt lassen. Folglich sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass die über einen Internetauftritt oder sonst leicht zugänglichen Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten keinen Rückschluss auf Datenschutzverstöße zulassen. Dies gilt insbesondere für die gemäß den Art. 13 und 14 DSGVO zu erteilenden Informationen, die Abfrage von Einwilligungen beispielsweise in die Verwendung von Cookies und sonstigen technisch nicht unbedingt notwendigen Technologien – wobei die von den deutschen Aufsichtsbehörden vertretene restriktive Ansicht zur gleichwertigen Möglichkeit der Ablehnung solcher Anwendungen zu kritisieren ist – sowie veröffentlichte vertragliche Bestimmungen mit Bezügen zur Verarbeitung personenbezogener Daten.

Explore #more

29.10.2025 | KPMG Law Insights

Fondsrisikobegrenzungsgesetz und Standortfördergesetz schaffen neue Spielräume für Infrastrukturfonds

Da das Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes in Höhe von 500 Milliarden Euro voraussichtlich nicht ausreichen wird, um Deutschlands Straßen, Netze und die Energiewende zu finanzieren, setzt…

29.10.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät Vorstand der Nürnberger Beteiligungs-AG beim Verkauf an Vienna Insurance Group

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft (KPMG Law) hat den Vorstand der Nürnberger Beteiligungs-AG während des gesamten öffentlichen Übernahmeprozesses durch die Vienna Insurance Group (VIG) durchgehend rechtlich…

29.10.2025 | KPMG Law Insights

BAG zum Paarvergleich: Wie Arbeitgeber mit Gehaltsunterschieden umgehen sollten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat eine weitere richtungsweisende Entscheidung zur Entgeltgleichheit gefällt. Mit Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az 8 AZR 300/24) hat es den Anspruch…

23.10.2025 | KPMG Law Insights

Was die FAQs der Bundesnetzagentur für Speicherbetreiber bedeuten

Die Bundesnetzagentur hat am 17. Oktober 2025 FAQs zur regulatorischen Behandlung von stationären Batteriespeichersystemen („BESS“) veröffentlicht. Die FAQs sind eine Orientierungshilfe für Speicherbetreiber, da der…

23.10.2025 | KPMG Law Insights

Das bedeutet der „Bau-Turbo“ für Kommunen und Bauaufsichtsbehörden

Der Bundestag hat den „Bau-Turbo“ beschlossen und Kommunen können bestimmte Bauprojekte jetzt deutlich beschleunigen. Nach dem am 9. Oktober 2025 beschlossenen Gesetz zur Beschleunigung des

22.10.2025 | In den Medien

KPMG Law Gastbeitrag in Das Investment: Private Debt für die Masse: Wie das FRBG den Fondsmarkt umkrempelt

Paradigmenwechsel am Fondsmarkt: Das neue FRBG macht Private Debt retail-fähig und schafft Bürgerbeteiligungsfonds. Welche strategischen Chancen sich jetzt für die Branche ergeben beantwortet KPMG Law…

20.10.2025 | KPMG Law Insights

Rechenzentren: Anforderungen an Notstromaggregate steigen weiter

Wenn in Rechenzentren der Strom ausfällt, hat das oft schwere Folgen: Datenverlust und Systemausfälle können Unternehmen erheblichen finanziellen Schaden zufügen. Daher sind Notstromaggregate in Datencentern…

16.10.2025 | In den Medien

KPMG Law Beitrag zum Sammelband „Krypto-Asset Compliance“

Die KPMG Law Experten Ulrich Keunecke und Marc Pussar haben in dem Sammelband „Krypto-Asset Compliance: Umsetzung der Regulierung und Geldwäsche-Prävention“ das Kapitel 3 zum Thema…

14.10.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG beraten die Bühler Motor GmbH beim Verkauf der Bühler Motor Aviation GmbH an Astronics Germany GmbH

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die Bühler Motor GmbH beim Verkauf sämtlicher Geschäftsanteile der Bühler Motor Aviation…

10.10.2025 | In den Medien

KPMG Law Gastbeitrag in der NZG: Compliance Due Diligence im Mittelstand: Mindestumfang und vertragliche Abbildung von Compliance-Risiken der Zielgesellschaft

Im Rahmen von M&A Transaktionen spielt die Compliance bei einer Legal Due Diligence meist noch eine untergeordnete Bedeutung. Gegenstand der hiesigen Betrachtung ist es, einerseits…

Kontakt

Francois Heynike, LL.M. (Stellenbosch)

Partner
Leiter Technologierecht

THE SQUAIRE Am Flughafen
60549 Frankfurt am Main

Tel.: +49-69-951195770
fheynike@kpmg-law.com

Maik Ringel

Senior Manager

Münzgasse 2
04107 Leipzig

Tel.: +49 341 22572563
mringel@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll