Seit dem 12. Oktober 2023 haben Unternehmen neue Meldepflichten. Die Europäische Kommission hat die EU-Drittstaatensubventionsverordnung (DSVO) scharfgeschaltet.
Schon bisher verbietet das Beihilferecht den EU-Mitgliedstaaten, einzelnen Unternehmen Begünstigungen zukommen zu lassen und ihnen dadurch einen potenziellen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Das Ziel: ein freier und unverfälschter Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt. Mit der DSVO nimmt die EU-Kommission nun auch Subventionen aus Drittstaaten ins Visier und überprüft, ob diese den Binnenmarkt verzerren. Auf diese Weise soll ein „level playing field“ geschaffen werden. Das heißt: gleiche Wettbewerbsbedingungen für im EU-Binnenmarkt aktive Unternehmen.
Ab sofort müssen Beteiligte einer M&A-Transaktion diese ab einer gewissen Größe vor ihrem Vollzug bei der Kommission anmelden und freigeben lassen. Dieses Anmelderegime tritt neben die altbekannte EU-Fusionskontrolle.
Auch für Unternehmen, die sich an einem größeren öffentlichen Vergabeverfahren beteiligen, besteht eine Meldepflicht für drittstaatliche Zuwendungen.
Die EU-Kommission hat im Rahmen einer Online-Veranstaltung am 10. Oktober 2023 mitgeteilt, dass sie bislang mit Unternehmen aus insgesamt 17 M&A-Transaktionen informelle Gespräche im Vorfeld einer möglichen DSVO-Anmeldung geführt habe. In all diesen Fällen liefen beziehungsweise laufen zugleich informelle Vorgespräche im Hinblick auf eine „herkömmliche“ EU-Fusionskontrolle.
Zusammenschlüsse sind immer dann anzumelden, wenn
Solche Zusammenschlüsse dürfen bis zu ihrer Freigabe durch die Europäische Kommission nicht vollzogen werden.
Darüber hinaus kann die EU-Kommission für Zusammenschlüsse, die diese Kriterien nicht erfüllen und damit nicht originär anmeldepflichtig sind, von Amts wegen eine Anmeldung verlangen. Hierfür genügt die Vermutung der Kommission, dass die beteiligten Unternehmen in den letzten drei Jahren vor dem Zusammenschluss drittstaatliche Subventionen erhalten haben könnten. Auch dann gilt bis zur Freigabe der M&A-Transaktion durch die EU-Kommission ein Vollzugsverbot.
Verstöße gegen die Anmeldepflicht oder gegen das Vollzugsverbot („Gun Jumping“) können folgenschwer sein: Die EU-Kommission hat die Möglichkeit, gegen die beteiligten Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent des konzernweiten Gesamtumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr zu verhängen. Es droht zudem die (schwebende) Unwirksamkeit der Vollzugshandlungen bezüglich der M&A-Transaktion.
Für im Binnenmarkt der EU tätige Unternehmen folgt aus diesen neuen Vorgaben unmittelbarer Handlungsbedarf:
Insbesondere bei der Planung und Steuerung größerer Unternehmenskäufe, -verkäufe oder Joint Venture-Gründungen sollte die Prüfung einer möglichen Anmeldepflicht bei der EU-Kommission zur DSVO-Fusionskontrolle eingeplant werden.
Besteht eine solche Anmeldepflicht, muss ein Anmeldeverfahren bei der Kommission durchgeführt werden. Die M&A-Transaktion darf dann erst nach Prüfung und Freigabe durch die EU-Kommission vollzogen werden. Dies gilt es auch auf der Zeitschiene zu berücksichtigen.
Aus Compliance-Sicht ist für international tätige Unternehmen entscheidend, nun schnell unternehmensinterne Prozesse zu etablieren und Zuständigkeiten zu bestimmen, um erhaltene finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten zu erfassen. Es ist außerdem sicherzustellen, dass diejenigen Stellen im Unternehmen, die M&A-Transaktionen oder öffentliche Vergabeverfahren betreuen, über die Höhe und die Kategorie erhaltener Zuwendungen von Drittstaaten informiert werden. Denn nur dann kann das Risiko begrenzt werden, dass eine Anmeldepflicht bei der EU-Kommission nach der DSVO übersehen werden könnte.
Die Definition und Einführung der erforderlichen Compliance-Prozesse im Unternehmen stellt eine Herausforderung dar und erfordert Spezialisten, die über die nötige Erfahrung bei der Umsetzung großer Compliance-Projekte verfügen.
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