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13.08.2020 | KPMG Law Insights

Entwurf „Baulandmobilisierungsgesetz“: wesentliche Änderungen

Hintergrund der geplanten Gesetzesänderung: 

Um die Mobilisierung von Bauland und den Flächenzugriff der Gemeinden zu erleichtern, hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat unter maßgeblichem Einfluss der Baulandkommission einen Referentenentwurf entwickelt, der im Wesentlichen das Baugesetzbuch (BauGB) und am Rande die Baunutzungsverordnung (BauNVO) betrifft. Im Einklang mit dem Koalitionsvertrag sollen Kommunen bei der Aktivierung von Bauland sowie der Förderung bezahlbaren Wohnraums aufgrund des in wachsenden Regionen knappen Wohnraums erweiterte Handlungsmöglichkeiten bereitgestellt werden. Darüber hinaus stehen auch städtebauliche Ziele, der Klimaschutz, der flächendeckende Mobilfunkausbau sowie die Infrastruktur für Elektromobilität im Fokus des Entwurfs.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

Neue Handlungsmöglichkeiten zur Schaffung von Wohnraum der Gemeinde sind Kern des Entwurfs. Hierzu setzt der Entwurf auf nennenswerte Erweiterungen der gemeindlichen Vorkaufsrechte (1.), eine Erweiterung des bauplanungsrechtlichen Festsetzungskatalogs (2.), die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Planverfahren (3.) und bauplanungsrechtliche Erleichterungen sowie Durchsetzungsmöglichkeiten zur Schaffung von (sozialem) Wohnraum (4.). Hervorzuheben ist auch die vorgesehene Möglichkeit eines städtebaulichen Entwicklungskonzept zur Stärkung der Innenentwicklung (5.), ein Genehmigungsvorbehalt für die Gründung von Wohnungseigentum (6.) sowie die Einführung des neuen bauplanungsrechtlichen Gebietstypus „dörfliches Wohngebiet“ (7.).

 

Im Einzelnen:

1. Erweiterung der gemeindlichen Vorkaufsrechte

Das allgemeine Vorkaufsrecht der Gemeinde (§ 24 Abs. 1 BauGB) soll auf Grundstücke erweitert werden, die „erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale und städtebauliche Umfeld aufweisen insbesondere durch ihren baulichen Zustand oder ihre missbräuchliche Nutzung“ (§ 24 Abs.1 S. 1 Nr. 8 BauGB n.F.). Da das Vorkaufsrecht nur in solchen Fällen besteht, in denen das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt, regelt der Gesetzesentwurf ergänzend mit § 24 Abs. 3 S. 2 BauGB n.F. , dass auch die Deckung des Wohnungsbedarfs oder die Förderung der  Innenentwicklung dem Wohl der Allgemeinheit dienen.

Auch das durch Satzung begründete Vorkaufsrecht der Gemeinde (§ 25 BauGB) soll um eine weitere tatbestandliche Möglichkeit erweitert werden. Die Gemeinde sollen zukünftig im Geltungsbereich eines Bebauungsplans an brachliegende Flächen oder für Flächen die in einem „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ brachliegen, beziehungsweise unbebaut sind, ein Vorkaufsrecht via Satzung begründen können. Voraussetzung ist, dass diese Flächen vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden und es sich um ein Gebiet mit einem besonders angespannten Wohnungsmarkt handelt.


2. Ergänzung des bauplanungsrechtlichen Festsetzungskatalogs

Erweiterungen treffen auch den abschließenden Katalog der in der Bebauungsplanung für die Gemeinde zur Verfügung stehenden Festsetzungen unter § 9 BauGB. So soll die Gemeinde künftig insbesondere „Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge“ festsetzen können. Auf diesem Wege kann der Belang der Elektromobilitätsinfrastruktur sogar als im Gesetzesrang einzuhaltende Planfestsetzung seinen Weg in das Bauplanungsrecht finden.

Nennenswert ist auch § 9 Abs. 2d BauGB n.F. auf dessen Grundlage es Gemeinden ermöglicht werden soll, im unbeplanten Innenbereich mittels eines „Bebauungsplans zur Wohnraumversorgung“ Wohnnutzungen ergänzend zu planen. Die abschließenden Festsetzungsmöglichkeiten für diese neue Art von Bebauungsplan ermöglicht insbesondere Festsetzungen, welche ausschließlich die Bebauung mit Gebäuden erlauben, welche der sozialen Wohnraumförderung unterfallende Wohnungen enthalten, sowie solche, bei denen sich der Vorhabenträger verpflichtet, der Sozialbindung unterfallenden Wohnraum zu schaffen. Diese Festsetzungen sollen erstmalig sogar für einzelne Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden können. Erstmalig könnten so Bauplanungsrecht und soziale Wohnraumförderung unmittelbar gesetzlich verbunden.


3. Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Planverfahren

Hervorzuheben ist auch die Schaffung von § 13b BauGB n.F., der die Einziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Planverfahren und somit eine Verfahrensverkürzung bei der Planrechtsschaffung ermöglichen soll. Voraussetzung hierfür ist insbesondere, dass sich die Flächen an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen und eine Grundfläche von weniger als 10.000 Quadratmetern aufweisen. Ferner muss für eine Einbeziehung auch die Zulässigkeit von Wohnnutzungen ermöglicht werden.

4. Bauplanungsrechtliche Erleichterungen und Durchsetzung des Wohnungsbaus

Durch den Gesetzesentwurf sollen die in § 31 Abs. 2 BauGB festgehaltenen Befreiungsmöglichkeiten von bauplanungsrechtlichen Festsetzungen erweitert werden. Hierfür wurde mit den „Wohnbedürfnissen der Bevölkerung“ zunächst ein neuer Befreiungsgrund geschaffen. § 31 Abs. 3 BauGB n.F. sieht entgegen der aktuellen Rechtslage vor, dass in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten im Einzelfall eine Befreiung von Festsetzungen auch dann möglich sein soll, wenn die Grundzüge der Planung berührt sind.

Auch im unbeplanten Innenbereich soll die Zulässigkeit von Vorhaben erleichtert werden. Nach § 34 Abs. 3a S. 2 BauGB n.F soll die Erweiterung, Änderung, Erneuerung und sogar Nutzungsänderung von vorhandenen Wohngebäuden selbst dann möglich sein, wenn sie nicht der Eigenart der näheren Umgebung entspricht.

Ferner ist eine Ergänzung des Baugebots in § 176 BauGB dergestalt vorgesehen, dass ein Eigentümer zum Bau von Wohnraum insbesondere dann verpflichtet werden kann, wenn sein Grundstück in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt. Nach § 176 Abs. 3 n.F. hat die Gemeinde hiervon abzusehen, wenn die Durchführung dem Eigentümer aus wirtschaftlichen Gründen oder aus Gründen des Erhalts der Entscheidungsbefugnis über die Nutzung des Grundstücks für seinen Ehegatten oder eine verwandte Person nicht zuzumuten ist.

5. Städtebauliches Entwicklungskonzept zur Stärkung der Innenentwicklung

Weiteres Novum ist der § 176a BauGB n.F., wonach Gemeinden ein städtebauliches Entwicklungskonzept erstellen können, das Aussagen zum räumlichen Geltungsbereich, zu Zielen und zu Umsetzungen von Maßnahmen enthält und der Stärkung der Innenentwicklung dienen soll.

6. Genehmigungsvorbehalt für die Gründung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärten

§ 250 BauGB n.F. sieht erstmalig im BauGB einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungseigentum in Gemeinden vor, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen gefährdet ist und die Gemeinde von einer diesbezüglichen Gebietsbestimmung auf Grundlage einer Verordnungserlasskompetenz Gebrauch gemacht hat. Eine entsprechende Genehmigung ist allerdings in bestimmten Fällen wie der Veräußerung zur eigenen Nutzung an Familienangehörige oder an mindesten zwei Drittel der vorhandenen Mieter zu erteilen. Sie kann im Übrigen dann zu versagt werden, wenn dies für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen erforderlich ist.

7. Änderung der BauNVO: Neuer Gebietstypus „dörfliches Wohngebiet“

Auch die Baunutzungsverordnung soll mit der Einführung des neuen Gebietstypus „dörfliches Wohngebiet“ einer Ergänzung unterzogen werden. Durch die Neuschaffung soll ein störungsfreies Miteinander von Wohnen, landwirtschaftlicher Nebenerwerbsnutzung und gewerblicher Nutzung ermöglicht werden. Die Ergänzung soll einhergehen mit einer Änderung von § 17 BauNVO, der Begrenzungen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung vorsieht.

 

Ausblick

Der Referentenentwurf hat bereits vor seinem Einbringen Kontroversen ausgelöst und ist Gegenstand substantieller und aus unterschiedlicher Richtung kommender Kritik gewesen. Bei aller Kritik bleibt aber zunächst festzuhalten, dass er Grundlage einer wesentlichen Änderung des Bauplanungsrechts der letzten Jahre sein könnte. Grundsätzlich bietet er Gemeinden stark erweiterte und zum Teil sehr effektive Instrumente um gemeindliche Interessen gegenüber sonstigen Akteuren des Immobilienmarktes durchzusetzen und zumindest potentiell die erweiterte Schaffung von Planrecht sowie Genehmigungserteilung für Wohnungsbauprojekte zu ermöglichen und zu vereinfachen. Aber auch für private Akteure bietet der Entwurf ernsthafte Chancen bei der Planung und Entwicklung von Wohnungsbauvorhaben und der Aktivierung von räumlichem Potential für Wohnungsbauprojekte. Einstweilen bleibt mit Spannung zunächst abzuwarten, ob und inwiefern der Entwurf Gegenstand des parlamentarischen Prozesses wird und bleibt.

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