Die Lehrfreiheit eines Professors ist nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Hochschule Online-Ersatzleistungskontrollen anstelle von Präsenzklausuren einführt.
In Kürze
Das OVG Bautzen entschied mit Beschluss vom 4.2.2021 (OVG Bautzen, Beschl. v. 4. 2. 2021 – 2 B 27/21), dass ein Professor nicht in seiner Lehrfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 21 S. 1 SächsVerf, § 4 SächsHSFG) betroffen ist, wenn die Hochschule im Rahmen ihrer Satzungsautonomie eine Regelung erlässt, die Präsenzprüfungen ausschließt. Dabei handele es sich um eine Frage der Organisation der Prüfungen, die nicht in die von der Lehrfreiheit geschützte inhaltliche oder methodische Ausgestaltung der Prüfung eingreife. Das zuvor mit dem Fall befasste VG hatte dies noch anders gesehen.
Hintergrund
Im Gegensatz zu den meisten bisherigen Entscheidungen, in denen Studierende gegen die Durchführung von Online Klausuren vorgingen (so z.B.: OVG NRW, Beschl. v. 04.03.2021 – 14 B 278/21.NE; zum rechtmäßigen Einsatz von sog. „Proctoring-Software“ hier), wandte sich in der vorliegenden Entscheidung ein Professor gegen einen Beschluss des Fakultätsrates, welcher die Prüfungsordnung dahingehend änderte, dass im Wintersemester 2020/21 Prüfungen nur als Online-Prüfungen („Ersatzleistungskontrollen“) durchgeführt werden konnten.
Entscheidend kam es darauf an, ob die Lehrfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 21 S. 1 SächsVerf, § 4 SächsHSFG) auch die (organisatorischen) Rahmenbedingungen der Prüfungen mitumfasst. Unstreitig schützt die Lehrfreiheit die methodische und inhaltliche Ausgestaltung der Lehrveranstaltung insoweit, als es um die Auswahl der wissenschaftlich behandelten Fragen, der vertretenen Auffassungen und den Weg der Erkenntnisvermittlung geht. Dies umfasst auch die inhaltliche und methodische Gestaltung der Prüfung. Das Lehrpersonal ist hier frei und auch durch die Lehrfreiheit vor einem Eingriff durch die Hochschule geschützt.
Zugleich ist auch die Hochschule Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG (und den inhaltlich identischen Garantien aus Art. 21 S. 1 SächsVerf, § 4 SächsHSFG). Die Lehrfreiheit der Universität umfasst die akademische Selbstverwaltung und Satzungsautonomie, welche insbesondere auch die Befugnis enthält, Prüfungsordnungen zu erlassen. Der Universität steht also die Befugnis zu, die Festlegung der organisatorischen und prozeduralen Modalitäten der Durchführung von Prüfungen, zu regeln.
Das in der Vorinstanz entscheidende VG Leipzig (Beschl. v. 02.02.2021 – 7 L 41/21) hatte darauf abgestellt, dass die Durchführung von Online-Prüfungen die Lehrenden in der Auswahl der Prüfungsform einschränke und darin einen Eingriff in die Lehrfreiheit gesehen, der nicht ausreichend zwingend gerechtfertigt sei, weil die Durchführung von Präsenzprüfungen von der Corona-VO des Landes ausdrücklich ausgenommen war und organisatorisch, bei Prüfungen mit einer geringen Anzahl an Teilnehmer:innen, auch dem Infektionsschutz Rechnung getragen werden könne.
Entscheidung
Während das VG noch der Argumentation des Professors folgte, entschied das OVG zu Gunsten der beklagten Universität. Ausgangspunkt der Argumentation des OVG war, dass man zwischen dem Bereich Lehrfreiheit der Universität und der Lehrfreiheit der Lehrenden (jeweils Art. 5 Abs. 3 GG) abgrenzen könne: Da die Universität (hier organschaftlich in Form des Fakultätsrat zuständig und tätig) für den Erlass der Prüfungsordnungen zuständig sei, könne der von der Lehrfreiheit geschützte Bereich der Lehrenden erst dort beginnen, wo die rein inhaltlich methodische Ausgestaltung beginne.
Was können die Leser:innen mitnehmen?
Aus einer Prüfungsordnung, die ausschließlich online Prüfungen vorsieht, ergibt sich (nach Ansicht des OVG) noch nicht mal ein Eingriff in die Lehrfreiheit der Lehrenden. Die organisatorische Zuständigkeit – auch für die organisatorischen Rahmenbedingungen der Prüfungen – obliegt ausschließlich dem Regelungsbereich der Universität. Solange die Prüfungsordnung nicht die methodisch inhaltliche Ausgestaltung betrifft, liegt kein Eingriff in die Lehrfreiheit vor.
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