Suche
Contact
25.04.2019 | KPMG Law Insights

BVerfG: Erstattung verfassungswidriger Rückmeldegebühren

BVerfG: Erstattung verfassungswidriger Rückmeldegebühren

Sachverhalt: Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Regelung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes in den von 2001-2008 maßgeblichen Fassungen hinsichtlich der Rückmeldegebühren für verfassungswidrig erklärte, klagten zwei ehemalige Studierende der Universität Potsdam auf Erstattung der von ihnen in diesem Zeitraum gezahlten Rückmeldegebühren (BVerfG, Beschluss v. 17.01.2017, Az.: 2 BvL 2/14, 2 BvL 5/14, 2 BvL 4/14, 2 BvL 3/14). Die Universität Potsdam hatte die Erstattung zuvor abgelehnt, da die Ansprüche verjährt seien. Das VG Potsdam gab den Klägern nun Recht und verurteilte die Universität zur Erstattung der Gebühren i.H.v. 51 Euro pro Semester (Urteil v. 29.03.2019, Az.: VG 1 K 996/18 u. VG 1 K 1207/18).

Urteil des BVerfG: Die Regelung des § 30 Abs. 1 lit. a) S. 1 Brandenburgisches Hochschulgesetz (BbgHG) in den Fassungen von 2000 und der geänderten Fassung von 2004 sei mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig, soweit danach bei jeder Rückmeldung Gebühren i.H.v. 51 Euro (100 DM) pro Semester erhoben wurden. Die Vorschrift lasse lediglich den Gebührenzweck der Kostendeckung erkennen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass mit den Gebühren noch weitere Verwaltungsleistungen abgegolten werden sollten. 51 Euro pro Semester lägen jedoch deutlich über den tatsächlichen (errechneten) Verwaltungskosten für die Rückmeldung i.H.v. 20 Euro. Damit liege ein grobes Missverhältnis zwischen den Gebühren und dem Gebührenzweck vor. Die Erklärung über die Nichtigkeit der Regelung gelte rückwirkend bis zum Zeitpunkt des ersten Inkrafttretens.

Entscheidungsgründe des VG: Die Universität verstoße durch die Erhebung der Einrede der Verjährung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Rektor der Universität habe 2004 gegenüber Vertretern der Studierenden im damaligen Senat erklärt, dass die Rechtsgrundlage für die Zahlung der Rückmeldegebühren erst entfallen könne, wenn diese vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt werde. Das Urteil des BVerfG müsse somit abgewartet werden und ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich eventueller Rückzahlungsansprüche sei somit nicht erforderlich. Auf die Aussage des Rektors hätten die Kläger vertraut und die Entscheidung des BVerfG abgewartet, anstatt rechtzeitig Handlungen zur Unterbrechung der Verjährung einzuleiten, beispielsweise durch Erhebung einer Klage. Die Erklärung des Rektors habe allein den Zweck verfolgt, weitere Klagen gegen die Universität zum damaligen Zeitpunkt zu verhindern. Viele Studierende hätten schon 2001 auf Erstattung geklagt und ihr Geld bereits zurückerhalten. Es verstoße somit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Universität nun die Einrede der Verjährung erhebe.

Das VG hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig.

Bedeutung für die Praxis: Das Brandenburgische Hochschulgesetz wurde mittlerweile geändert. Zwar werden immer noch 51 Euro Gebühren bei der Rückmeldung fällig, es wurde jedoch eine genauere Aufschlüsselung vorgenommen, welche Verwaltungsleistungen damit abgegolten werden. Die Gebühr wird nun allgemein „für Verwaltungsleistungen erhoben, die die Hochschulen für die Studierenden im Rahmen der Durchführung des Studiums außerhalb der fachlichen Betreuung erbringen“ (§ 14 Abs. 2 S. 1 BbgHG).

Das Urteil des BVerfG verdeutlicht, dass der Gesetzgeber bei dem Festlegen von Gebühren auf ein angemessenes Verhältnis zwischen Zweck und Höhe der Gebühr achten muss. Eine nachträgliche Geltendmachung, die Gebühren seien entgegen des Wortlautes auch für andere Leistungen oder Zwecke erhoben worden, kann nicht erfolgreich angeführt werden.

Das Urteil des VG zeigt zunächst, dass Studierende auf Aussagen der Hochschulleitung vertrauen dürfen. Zumindest darf die Hochschulleitung den Studierenden dies nachträglich nicht vorwerfen bzw. daraus Vorteile ziehen. Im Falle der Berufung bleibt abzuwarten, ob das Urteil des VG durch das OVG bestätigt wird.

Explore #more

29.11.2023 | KPMG Law Insights

Energiewende eröffnet auch Geschäftschancen

Der aufwendige, kapitalintensive Transformationsprozess der Energiewirtschaft bietet Investoren und Kreditinstituten viel Potential Von Lars Christian Mahler und Marc Goldberg für Börsen-Zeitung, 29.11.2023 Der Beitrag von…

29.11.2023 | KPMG Law Insights

Gastbeitrag in der ZURe – KI und die Rechtsabteilung von morgen

In der aktuellen Ausgabe der ZURe (S.48 ff.) findet sich ein Gastbeitrag von und KPMG Partnerin Sina Steidel-Küster (Regionalvorständin Südwest, Standortleiterin Stuttgart) und KPMG Law…

29.11.2023 | KPMG Law Insights

Der Data Act kommt – finale Verabschiedung durch den Rat

Am 27. November 2023 hat nach dem Europäischen Parlament nun auch der Europäische Rat den Data Act angenommen. Damit ist dieser final verabschiedet. Die EU-Kommission…

28.11.2023 | KPMG Law Insights

Podcast-Serie „KPMG Law on air“: Earn-outs in M&A-Transaktionen

In Zeiten einer niedrigen oder unsicheren Konjunkturentwicklung halten sich Unternehmen mit Investitionen eher zurück und stehen nicht unbedingt Schlange, wenn andere Unternehmen zum Verkauf stehen.…

28.11.2023 | KPMG Law Insights

Podcast-Serie „KPMG Law on air“: So kann die öffentliche Hand klimaverträglich bauen

Was in Norwegen und in den Niederlanden schon gängige Praxis ist, ist in Deutschland noch Neuland: die Berücksichtigung der CO2e-Emissionen bei der Entscheidung über die…

27.11.2023 |

JUVE Rechtsmarkt 12/2023 – KPMG Reallabor

In der aktuellen Ausgabe des JUVE Rechtsmarkts findet sich im Artikel „Training macht den Meister“ (S. 23 ff.) ein Überblick über die Nutzung von generativer…

24.11.2023 | KPMG Law Insights

GEG 2024: Viele neue Pflichten, nicht nur für Heizungen

Am 1. Januar 2024 treten zahlreiche Neuregelungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in Kraft. Das Gesetz soll einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele (Klimaneutralität bis…

21.11.2023 |

Gastbeitrag in der ZURe zur Umsetzung der CSRD-Berichterstattung in KMU

In der aktuellen Ausgabe der ZURe (S.34 ff.) findet sich ein Gastbeitrag von Lena Plato (Director Legal & Compliance, FLABEG Automotive Group GmbH), KPMG Law…

20.11.2023 | Pressemitteilungen

Statement von KPMG Law Experten im Handelsblatt zum Thema Nachhaltigkeitskooperationen im Kartellrecht

Im Handelsblatt wird KPMG Law Experte Jonas Brueckner ausführlich zum Thema Kooperationen im Sinne der Nachhaltigkeit zitiert. Bis zu diesem Sommer herrschte in den Rechtsabteilungen…

15.11.2023 |

Legal 500 – Country Comparative Guide Germany

Gerrit Rixen und Jonas Brueckner geben auf Legal 500 in einem praxisnahen Leitfaden einen Überblick über die relevanten rechtlichen Regelungen im Bereich Competition & Litigation.…

© 2023 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll