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Symbolbild zu BGH Aufklärungspflichten: Gewerbeimmobilie
20.09.2023 | KPMG Law Insights

BGH erweitert Aufklärungspflicht von Immobilienverkäufern

Mit einem für die Transaktionspraxis höchst relevanten Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 15. September 2023 (Az. V ZR 77/22) die Rechte von Immobilienkäufern gestärkt: Verkäufer müssen über Umstände, die für Käufer von erheblicher Bedeutung sind, vorvertraglich aufklären. Das kurzfristige Einstellen von Dokumenten in einen virtuellen Datenraum reicht nicht aus.

Ein Käufer erwarb mehrere Gewerbeeinheiten in einem Gebäudekomplex für einen Kaufpreis von insgesamt etwa 1,5 Millionen Euro Der Verkäufer hatte dem Käufer Unterlagen in einem virtuellen Datenraum zur Verfügung gestellt. Im Kaufvertrag versicherte der Verkäufer, dass keine Sonderumlage mit wirtschaftlichen Auswirkungen beschlossen worden sei und er keine Kenntnis von außergewöhnlichen, durch die vorhandene Instandhaltungsrücklage nicht gedeckten Kosten habe. Kurzfristig vor dem Beurkundungstermin stellte der Verkäufer einen früheren Beschluss der Eigentümerversammlung in den Datenraum ein, mit dem eine Sonderumlage für anstehende Sanierungsarbeiten in Höhe von 50 Millionen Euro abgelehnt worden war. Über ein laufendes Klageverfahren zur Durchsetzung der Sonderumlage wurde der Käufer nicht informiert. Als der Käufer aus einem gerichtlichen Vergleich des Klageverfahrens in Anspruch genommen wurde, erklärte er die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und vorsorglich den Rücktritt.

BGH: Verkäufer müssen Informationen rechtzeitig zur Verfügung stellen

Der BGH entschied, dass den Verkäufer eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des Klageverfahrens und des Kostenumfangs für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen treffe und er diese verletzt habe. Der Verkäufer hätte erkennen müssen, dass der Kostenumfang für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen für den Käufer schon in wirtschaftlicher Hinsicht von erheblicher Bedeutung war. Solange die bauliche Maßnahme nicht umgesetzt und beschlossen war, bestand die Gefahr, dass diese Kosten vom Käufer (anteilig) zu tragen waren.

Das Einstellen des Protokolls der Eigentümererklärung in den virtuellen Datenraum reichte als Aufklärung nach Ansicht des BGH nicht aus. Vielmehr hat ein Verkäufer die Unterlagen rechtzeitig in den Datenraum einzustellen und sicherzustellen, dass ein Käufer die bereitgestellten Informationen wahrnehmen und in seiner Kaufentscheidung einbeziehen kann. Nur dann ist eine gesonderte Aufklärung durch den Verkäufer entbehrlich. Der Verkäufer hat hierbei den Umfang der Due Diligence-Prüfung des Käufers, die Strukturierung und die Organisation des Datenraums zu berücksichtigen.

Ein Verkäufer kann nicht erwarten, dass ein Käufer aufgrund des eingestellten Versammlungsprotokolls kurzfristig herausfinden würde, dass eine Sonderumlage fällig werden würde, zumal in dem entschiedenen Fall lediglich das Wochenende zwischen Einstellung des Protokolls in den Datenraum und Beurkundung des Kaufvertrags lag.

Auch Schadensersatzansprüche kommen in Frage

Auch ein Schadensersatzanspruch wegen einer unzutreffenden Erklärung des Verkäufers kommt nach dem BGH in Betracht. Die Erklärung des Verkäufers, keine Kenntnis von außergewöhnlichen Maßnahmen zu haben, könnte insoweit unvollständig sein.

BGH: Vorvertragliche Aufklärungspflicht des Verkäufers

Mit dieser Entscheidung hat der BGH die Rechte von Käufern im Rahmen von Immobilientransaktionen in beachtlichem Maße erweitert. In der Praxis ist es sicher der Regelfall, dass Verkäufer die Haftung für Sach- und Rechtsmängel in einem Kaufvertrag über eine Bestandsimmobilie weitestgehend auszuschließen suchen. Die Konsequenz eines wirksamen Haftungsausschlusses war bisher, dass Mängel an der Immobilie den Käufer nur dann zum Rücktritt und zum Schadensersatz berechtigten, wenn arglistig getäuscht wurde. Mit dem Urteil vom 15. September 2023 hat der BGH betont, dass Verkäufer eine vorvertragliche Aufklärungspflicht haben. Diese besteht selbst bei einem Haftungsausschluss des Verkäufers. Das Gericht hat die Aufklärungspflicht dahingehend erweitert, dass unzureichende oder zu spät erteilte Informationen ebenso wie falsche Antworten auf Käuferfragen zu einer Schadensersatzpflicht führen können. Diese Rechtsauffassung dürfte auch für den Verkauf von Unternehmensanteilen, nicht nur an Immobiliengesellschaften, Gütigkeit beanspruchen.

Verkäufer sollten den Due Diligence-Prozess sorgfältig vorbereiten

Als Verkäufer sollte man sich künftig nicht darauf verlassen, dass die Käuferseite schon im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung sämtliche Unterlagen zur Kenntnis nehmen und den Datenraum durchforsten werde. Verkäufer sind stattdessen angehalten, den Due Diligence-Prozess der Käuferseite sorgfältig vorzubereiten, die Unterlagen strukturiert in einen Datenraum einzustellen und dort zu benennen. Fragen in einem Q&A-Prozess sollten sie mit größter Genauigkeit bearbeiten. Als Best Practice dürfte es sich erweisen, dem Kaufinteressenten und gegebenenfalls. dessen technischen, steuerlichen und rechtlichen Beratern schon im Vorfeld die für die Kaufentscheidung möglicherweise relevanten Informationen offenzulegen.

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