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31.07.2020 | KPMG Law Insights

Ab dem 30. Juli 2020 müssen Unternehmen, welche Mitarbeiter nach Deutschland entsenden, einen erweiterten Katalog an Arbeitsbedingungen beachten.

Am 30. Juli 2020 trat das reformierte Arbeitnehmer-Entsendegesetz („AEntG“) in Kraft. Das geänderte AEntG setzt die reformierte Entsenderichtlinie (EU) 2018/957 um, welche auf Lohnunterschiede im europäischen Arbeitsmarkt reagiert und sicherstellt, dass entsandte Arbeitnehmer künftig den gleichen Arbeitsbedingungen unterworfen werden wie lokale Arbeitnehmer. Der Bundestag hat dem Gesetzesentwurf am 18. Juni 2020 zugestimmt.

Wesentliche Aspekte des geänderten AEntG

  • Das AEntG erweitert den Katalog der in Deutschland zu beachtenden Arbeitsbedingungen für entsandte Mitarbeiter. Besondere Bedeutung kommt dabei der neuen Regelung betreffend die zu gewährende Vergütung zu. Durch die Ersetzung des Begriffs „Mindestlohnsätze“ durch “Entlohnung“ stellt das AEntG nunmehr sicher, dass entsandten Mitarbeitern künftig die vergleichbare Vergütung einheimischer Mitarbeiter, was sich als Equal Pay Grundsatz der reformierten Entsenderichtlinie bei Unternehmen und in der Öffentlichkeit eingeprägt hat. Zu beachten ist somit die gesamte Vergütung, welche sich unter anderem gem. §2a AEntG aus den folgenden Bestandteilen zusammensetzt:
    • Grundvergütung,
    • Entgeltbestandteile, die an die Art der Tätigkeit, Qualifikation und Berufserfahrungen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und an die Region anknüpfen,
    • Zulagen, Zuschläge und Gratifikationen, einschließlich Überstundensätzen.

Das AEntG stellt in § 2b Abs. 1 AEntG klar, dass Zulagen, die nicht als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung, sondern zur Erstattung von infolge der Entsendung tatsächlich entstandenen Kosten gezahlt werden, wie z.B. Zulage für den Ausgleich von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten, werden, nicht auf die Entlohnung des entsandten Arbeitnehmers angerechnet werden dürfen.

  • Die zusätzlich zu beachtenden Arbeitsbedingungen müssen allerdings in einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag festgelegt sein. Nur wenn das Arbeitsverhältnis des entsandten Mitarbeiters vom Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags erfasst ist, bestehen die Compliance-Anforderungen des Equal Pay-Grundsatzes.
  • Das novellierte AEntG hat den Geltungsbereich allgemeinverbindlicher Tarifverträge nach § 5 TVG erweitert. Allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten künftig nicht nur für ausländische Unternehmen, die Arbeitnehmer im Baugewerbe entsenden, sondern für alle Unternehmen, die Dienstleistungen in allen im AEntG aufgeführten Branchen erbringen. Hierzu zählen folgende Branchen:
  • Baugewerbe
  • Gebäudereinigung
  • Sicherheitsdienstleistungen
  • Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken
  • Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
  • Abfallwirtschaft
  • Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und III
  • Fleischverarbeitung
  • Pflegebranche

Darüber hinaus sind Tarifverträge auch für alle anderen als die oben genannten Branchen relevant, wenn die Erstreckung der gesetzlichen Bestimmungen des Tarifvertrags im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Derzeit erfolgt jedoch keine Erstreckung für andere Branchen.

Darüber hinaus sind je nach Dauer der Entsendungen, d.h. kurzfristige und langfristige Entsendungen, unterschiedliche Tarifverträge relevant. Im Falle kurzfristiger Entsendungen (bis zu 12 Monaten mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit von sechs Monaten) sind nur bundesweit allgemein verbindliche Tarifverträge zu beachten, während für langfristige Entsendungen (von mehr als 12 Monaten plus sechs Monate) regionale allgemeinverbindliche Tarifverträge hinzukommen.

Auch wenn entsandte Mitarbeiter nicht in den Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags fallen, müssen entsendende Unternehmen trotzdem zwingende Arbeitsbedingungen wie Mindestlohnsätze, Arbeitszeitregelungen, Mindestjahresurlaub sowie weitere zwingende Arbeitsbedingungen für langfristige Entsendungen bei Einsätzen in Deutschland einhalten.

  • Unter bestimmten Bedingungen haben entsandte Arbeitnehmer Anspruch auf Erstattung von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten aufgrund beruflich veranlasster Auswärtstätigkeit nach deutschem Recht, sofern die Vorschriften des Herkunftsstaates weniger günstig sind.
  • Bei Entsendungen, die länger als 12 Monate dauern (mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit von sechs Monaten), müssen – zusätzlich zur Entlohnung und den aufgezählten Mindestarbeitsbedingungen in §2 Abs.1 AEntG alle anderen Beschäftigungsbedingungen gewährt werden, die in Deutschland in Rechs- oder Verwaltungsvorschriften sowie allgemeinverbindlichen Tarifverträgen festgelegt sind. Hiervon ausgenommen sind jedoch Verfahrens- und Formvorschriften und Bedingungen für den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, einschließlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote, sowie die betriebliche Altersvorsorge (§13b Abs.1 AEntG). Die zusätzlichen Arbeitsbedingungen für langfristige Entsendungen sind ab dem 30. Juli 2020 zu beachten. Wenn die Entsendung vor dem 30. Juli 2020 begonnen hat, müssen die zusätzlichen Arbeitsbedingungen eingehalten werden, sobald die Entsendung 18 Monate überschreitet.
  • Bestimmte Tätigkeiten, wie z.B. Erstinstallationsarbeiten, Vertragsverhandlungen, Teilnahme an Messen oder Gründung einer Niederlassung, Trainings, sind von den neuen Regeln ausgenommen, wenn sie nur in geringem Umfang durchgeführt werden. Die Regeln gelten nicht für den Straßenverkehrssektor.
  • Beim Einsatz von Leiharbeitnehmern verpflichtet das geänderte AEntG nunmehr den entleihenden Arbeitgeber im In- und Ausland, den Verleiher über die geltenden Arbeitsbedingungen für vergleichbare Arbeitnehmer im Inland zu informieren (vgl. § 15a AEntG).
  • Zuständige Kontrollbehörde bleibt der Deutsche Zoll.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Um die Equal Pay Compliance-Anforderung umzusetzen sollten Unternehmen folgende Schritte vornehmen:

  • Prüfen, ob ihre Mitarbeiter in den Geltungsbereich des Equal Pay-Grundsatzes fallen,
  • Sofern der Equal Pay-Grundsatz zu beachten ist, Überprüfen und ggf. Anpassen der Vergütungsstruktur (z.B. durch Einführung einer Equal Pay-Zulage),
  • Sicherstellen, dass entsenderelevante Unterlagen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen (z.B. Entsendevertrag, Entsendepolicies, Arbeitszeitnachweise etc.),
  • Vornahme von Registrierungen bei den Arbeitsbehörden nur nach Erfüllung der Equal Pay Anforderungen,
  • Integration der Equal Pay Anforderungen in den Gesamtreiseprozess,
  • Abstimmung der Equal Pay Anforderungen mit der Abwicklung von A1-Anträgen.

KPMG Law Beratungsleistungen

Wir beraten Sie umfassend rund um die Umsetzung der reformierten Entsenderichtlinie in Deutschland und ganz Europa. Zu unseren Beratungsleistungen gehören insbesondere:

  • Durchführung von Equal Pay Risikoanalysen
  • Erarbeitung eines unternehmensspezifischen Equal Pay Konzepts zur Umsetzung der Equal Pay Anforderungen
  • Überprüfung und Anpassung der Vergütungsstruktur
  • Integration der Equal Pay Anforderungen in den Gesamtreiseprozess
  • Bereitstellung eines IT-basierten Equal Pay Assessment Tool für Einsätze nach Deutschland
  • Beratung zu etwaigen Dokumentationsanforderungen für Unternehmen (z.B. Arbeitszeitnachweise etc.)
  • Schulung Ihrer HR/Mitarbeiter in:
    • Allgemeine Equal Pay Anforderungen
    • Entwicklung eines Equal Pay Konzeptes für die unternehmensinterne Umsetzung der Equal Pay Anforderungen
  • Überprüfung und Anpassung von Personaleinsatzkonzepten
  • Überprüfung und Änderung von Entsendeverträgen und -policies
  • Bereitstellung eines PWD/Equal Pay Update Services

 

Weitere Informationen erhalten Sie auf unserem Equal Pay Hub unter folgendem Link: https://kpmg-law.de/rechtsgebiete/eu-entsenderichtlinie/

Kontaktieren Sie uns:

Für weitere Informationen und Unterstützung wenden Sie sich bitte an einen der folgenden Fachexperten aus unserem KPMG Law Germany Team:

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