Der Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD hat auch Auswirkungen auf den Finanzsektor. Hier ein Überblick.
Die Koalitionspartner möchten das Energieangebot vergrößern und so die Stromkosten stabilisieren und reduzieren. In diesem Rahmen sollen alle Potenziale der erneuerbaren Energien genutzt werden. Dazu gehört neben dem Ausbau von Sonnen- und Windenergie unter anderem auch der Ausbau von Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie und Speicherkapazitäten. Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital bei Investitionen will die neue Regierung im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien und privatem Kapital einen Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur auflegen.
Dies könnte bedeuten, dass der in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegte Gesetzesentwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes II zur Zulässigkeit von erneuerbaren Energieanlagen bei von in Fonds gehaltenen Immobilien nunmehr verabschiedet wird. Ferner könnten durch den vorgesehenen neuen Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur signifikante Finanzmittel in die Energiewirtschaft freigesetzt werden, die auch zu einem gesteigerten Engagement von Asset Managern in diesem Rahmen führen kann.
Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital bei Investitionen möchte die neue Regierung im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien (zum Beispiel KfW) und privatem Kapital Investitionsfonds auflegen, zum Beispiel für Venture Capital, Wohnungsbau und Energieinfrastruktur.
Wenn hier die Expertise und die Kapazitäten bestehender Asset Manager eingebunden werden, um diese neuen Investitionsfonds aufzulegen, wäre ein Anschub des Fondsgeschäftes im Bereich der Alternativen Investmentvermögen zu erwarten. Jede Maßnahme zur Stärkung des daniederliegenden Wohnungsbaus im Real Estate-Sektor ist zu begrüßen. Auch der zügige Ausbau der Verkehrswegeinfrastruktur könnte einen wirksamen Schub erhalten, wenn Investitionsfonds für diesen Zweck aufgelegt werden würden.
Die künftige Regierung möchte die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen. Die betriebliche Altersvorsorge soll in diesem Rahmen gestärkt und die private Altersvorsorge reformiert werden. Wenn dies umgesetzt wird, würde vermutlich künftig mehr privates Geld in den Aufbau der Altersvorsorge fließen. Das würde erhöhte Geldzuflüsse für Versicherungen (Riester-Rente, Kapital-Lebensversicherung) und das Asset Management bedeuten.
Die Koalitionspartner möchten das Angebot von Wohnraum ausweiten. Dafür möchten sie Verfahren beschleunigen und Standards vereinfachen, zum Beispiel durch eine schnelle Einführung des Gebäudetyps E. Die Mietpreisbremse soll für vier Jahre verlängert werden. Das Vermieter-Mieter-Dilemma soll durch Änderung der Modernisierungsumlage aufgelöst und die Investition in Wohnbestände wirtschaftlich angereizt werden. Der soziale Wohnungsbau soll ausgebaut werden.
Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital soll im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien (zum Beispiel der KfW) und privatem Kapital ein Investitionsfonds für den Wohnungsbau aufgelegt und auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften durch eigenkapitalentlastende Maßnahmen unterstützt werden.
Durch eine Beteiligung des Bundes, zum Beispiel durch Garantien, sollen die Finanzierungskosten so gesenkt werden, dass gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 EUR pro Quadratmeter entstehen können.
Dies könnte eine Erleichterung für bauplanungs- und baugenehmigungsrechtliche Verfahren bedeuten, insbesondere, wenn auch in der Bauverwaltung die Digitalisierung weiter vorangebracht würde und für Bauherrn Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten reduziert würden. Der Gebäudetyp E und in seiner Konsequenz die Rücknahme überzogener bauordnungsrechtlicher Anforderungen werden von den Akteuren der Immobilienwirtschaft seit langem gefordert. Zusätzlich müsste die Regierung zur gewünschten Erhöhung des Wohnraumangebotes, gerade im sozialen Wohnungsbau, weitere Anreize zum Bauen schaffen, insbesondere dann, wenn zugleich die Mietpreisbremse fortbestehen soll.
Für die Bauwirtschaft kommt erschwerend hinzu, dass aufgrund des angekündigten Sondervermögen für Infrastruktur, Bildung, etc, sowie für militärische Ausgaben in Höhe von insgesamt 900 Mrd. Euro die Rendite der deutschen Staatsanleihen signifikant gestiegen ist. Aufgrund dessen müssten Investitionen in Immobilien ebenfalls entsprechend höhere Renditen erwirtschaften. Das ist aufgrund der aktuellen Bau- und Sanierungskosten, einschließlich des Genehmigungsaufwands, im aktuellen Umfeld eine zusätzliche Herausforderung. Auch die Verlängerung der Mietpreisbremse wird Wohnungsbau und -sanierung hemmen. Insoweit könnten die angekündigten finanziellen Anreize und Unterstützungen sowie der geplante Investitionsfonds, die entsprechend niedrige Mieten ermöglichen sollen, eine wesentliche Rolle bei der Wiederbelebung der Bauwirtschaft spielen.
Die bisherige Riester-Rente soll in ein neues Vorsorgeprodukt überführt werden und mit dem Verzicht auf zwingende Garantien sowie der Reduzierung der Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten reformiert werden. Eine Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten soll geprüft werden. Dieses neue Produkt soll mit einer möglichst einfachen staatlichen Förderung für Personen mit kleinen und mittleren Einkommen begleitet werden. Kern der reformierten Riester-Rente soll ein Anlageprodukt sein, das es auch in Form eines Standardproduktes geben soll.
Dieses weitere Anlageprodukt zur privaten Altersvorsorge könnte je nach zulässigen Ausgestaltungsformen zu einem zusätzlichen Geldzufluss bei Versicherern (Kapital-Lebensversicherung, Riester-Rente) und gegebenenfalls bei Asset Managern (Kapitalverwaltungsgesellschaften) und den von ihnen verwalteten Fonds führen.
Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken und den europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zu vollenden, möchte sich die neue Regierung für eine einheitliche europäische Finanzregulierung engagieren und in diesem Zusammenhang auch auf Goldplating verzichten.
Eine Umsetzung dessen könnte bisher bestehende Regulierungen, etwa im Bereich des Asset Managements, der Banken und auch der Versicherungen, vereinfachen. Dies könnte zu einer entsprechenden Reduzierung internen Administrationsaufwands führen. Dem vorgeschaltet werden gegebenenfalls interne Reorganisations- und Restrukturierungsmaßnahmen und damit verbundene Aufwendungen sein.
Es soll ein rechtssicherer und europäisch wettbewerbsfähiger Rahmen für Investitionen von Fonds in Infrastruktur und erneuerbare Energien geschaffen werden. Steuerrechtliche Regelungen sollen zielgerichtet angepasst werden. Rahmenbedingungen für Start-ups sollen weiter verbessert werden. Dafür soll insbesondere die Verfügbarkeit von Wagniskapital durch bessere Beteiligungsmöglichkeiten institutioneller Investoren erhöht werden.
Die Bereiche Infrastruktur, erneuerbare Energien sowie Venture Capital können mit zusätzlichem Kapital rechnen, insbesondere von Seiten institutioneller Anleger. Dies würde zu einer Belebung des Fondsgeschäftes in diesen Bereichen führen.
Die künftige Regierung beabsichtigt, dass grundsätzlich Bargeld erhalten bleibt, jedoch mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden muss. Dies würde dazu führen, dass in allen Geschäftsbereichen, insbesondere im Retailgeschäft, digitale Zahlungsoptionen einzuführen sind, wo sie noch nicht implementiert sind. Im Bankenbereich resultiert daraus zusätzliches Geschäft.
Die künftige Regierung unterstützt einen digitalen Euro, der sowohl im Wholesale- als auch im Retail-Bereich einen echten Mehrwert liefert sowie das Bargeld ergänzt, die Privatsphäre der Verbraucher schützt, kostenfrei für Verbraucher nutzbar ist und die Finanzstabilität nicht beeinträchtigt.
Für die Umsetzung eines digitalen Euros sind im gesamten Finanzsektor, insbesondere im Bankenbereich, entsprechende Systemanpassungen erforderlich. Neben einem daraus resultierenden Umsetzungsaufwand bedeutet dies ferner, dass Banken und andere Finanzinstitute, aber auch Händler, die den digitalen Euro akzeptieren wollen, die dafür erforderliche Infrastruktur betreiben und besondere Compliance-Anforderungen erfüllen müssen.
Um das deutsche Bankensystem aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken zu erhalten, möchte die künftige Regierung die Belange kleinerer Banken und Sparkassen bei Änderungen von Regulierungen berücksichtigen und insgesamt den Banken- und Finanzstandort Deutschland stärken. Dies gilt auch für die risikoadäquate Ausgestaltung eines europäischen Systems der Einlagensicherung, das die Erfordernisse unseres dreigliedrigen Bankensystems zwingend berücksichtigen müsste. Eine vergemeinschaftete europäische Einlagensicherung (EDIS) ohne Vorbedingungen lehnen die Koalitionspartner ab.
Die erklärte stärkere Berücksichtigung der Belange kleinerer Institute scheint von der bisherigen Richtschnur der EU sowie der vorausgegangenen Bundesregierungen abzuweichen, agierende Marktteilnehmer möglichst zu konsolidieren und auf eher weniger und dafür größere verbleibende Marktteilnehmer zu konzentrieren. Es bleibt abzuwarten, inwieweit aus dieser Absichtserklärung praxisrelevante Erleichterungen und eine Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips reflektiert werden.
Die Regulierung von Kryptowerten, des Grauen Kapitalmarkts und der Schattenbanken soll auf Lücken überprüft und diese sollen ggf. geschlossen werden. Diese Absichtserklärung weist eher auf einen ohnehin laufenden Prozess hin, ohne dass daraus zunächst weitere Schritte oder Maßnahmen zu erwarten wären.
Die künftige Regierung möchte prüfen, ob zur Durchsetzung angemessener marktüblicher Entgelte Kostendeckel für Basiskontenentgelte und Dispozinsen erforderlich sind, oder ob an der bisherigen Rechtslage festgehalten werden sollte. Sofern es hier zu einer Deckelung für Basiskontenentgelte und Dispozinsen käme, würde dies bei Banken zu entsprechenden Einnahmereduzierungen führen. Gegebenenfalls sind Geschäftsmodellteile und interne Prozesse weiter und beschleunigt effizienter und effektiver zu gestalten. KI kann dabei eine mittragende Säule werden.
Die honorar- und die provisionsbasierte Finanzberatung sollen nebeneinander erhalten bleiben. Es soll allerdings geprüft werden, ob die Instrumente der Missstandsaufsicht der BaFin derzeit ausreichen, um Fehlanreize in der Finanzberatung zu verhindern. Insofern bleibt der aktuelle Zustand einstweilen unverändert. Die Aufsichtsmöglichkeiten der BaFin werden möglicherweise zusätzlich verstärkt.
Der Bund ist im Rahmen seiner Möglichkeiten bereit, die Länder und Kommunen auch weiterhin durch die vergünstigte Abgabe von nicht benötigten Grundstücken für Wohnungsbau und weitere öffentliche Zwecke zu unterstützen.
Mit Blick auf die beabsichtigte Ankurbelung des Wohnungsbaus zur Schaffung eines erhöhten Wohnungsangebotes wird diese Maßnahme durch die Bereitstellung zusätzlicher Grundstücke gegebenenfalls flankiert. Dies kann zu einer Wiederbelebung der Bauwirtschaft führen, soweit derartige Flächen dort vorhanden sind, wo sie für den Wohnungsbau und andere öffentliche Vorhaben dringend benötigt werden.
Im Neugeschäft soll die Wohngebäudeversicherung nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten werden dürfen. Im Bestandsgeschäft sollen sämtliche Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden. Dabei soll geprüft werden, ob dieses Modell mit einer Opt-Out-Lösung zu versehen ist. Um eine langfristige Rückversicherbarkeit sicherzustellen, soll eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden eingeführt werden. Die Versicherungsbedingungen sollen weitgehend reguliert werden.
Die Einführung einer entsprechenden Elementarschadenabsicherungsklausel in Wohngebäudeversicherungen führt zu diesbezüglichem Umsetzungsaufwand bei den Versicherern. Der Erfolg dieses Produktes wird von der wirtschaftlichen Ausgestaltung dieser Absicherungsoption abhängen. Die geplante staatliche Rückversicherung wird hier eine maßgebliche Rolle spielen.
Insgesamt sollen die Investitionsbedingungen insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Energieversorgung, Bauwirtschaft und Venture Capital signifikant verbessert und Bürokratieaufwand und Regulierung abgebaut beziehungsweise auf ein Notwendiges reduziert werden. Für die Finanzbranche kann dies zusätzliches Geschäft und Freisetzung von Kapazitäten bedeuten. Gegebenenfalls bedarf es internen Restrukturierungen, um die möglichen Effizienzen zu heben. Versicherer sollen verpflichtend eine Elementarschadenabsicherung bei Wohngebäudeversicherungen anbieten müssen. Hier wird abzuwarten bleiben, wie die vorgesehene staatliche Rückversicherung wirtschaftlich ausgestaltet werden wird. Der bisherige Gesetzesentwurf des Fondsmarktstärkungsgesetzes aus der letzten Legislaturperiode könnte nunmehr zügig verabschiedet werden.
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