Der BGH hat am 3. Juli 2025 die Gründe seines Beschlusses vom 13. Mai 2025 (Az. EnVR 83/20) veröffentlicht und die mit Spannung erwarteten Präzisierungen zur unionsrechtskonformen Auslegung des § 3 Nr. 24a EnWG vorgenommen. Dabei hat er die Vorlageentscheidung des EuGH (Az C-293/23) berücksichtigt. Der BGH betonte, dass nur ein enger Anwendungsbereich für die Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG verbleibt. Ob dies für die Praxis hilfreich ist, erscheint uns zweifelhaft.
Der BGH gibt mit dem Beschluss seine bisherige Rechtsprechung zu § 3 Nr. 24a EnWG auf und schließt sich erwartungsgemäß der Auslegung des EuGH an. Dabei stellt der BGH im Einklang mit dem EuGH klar: Immer dann, wenn qua Definition ein Verteilnetz vorliegt, kann eine Ausnahme von der Regulierung nur dann erfolgen, wenn die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie eine solche zulässt. Ein Verteilernetz ist nach dem EuGH ein Netz, das der Weiterleitung von Elektrizität in Hoch-, Mittel- oder Niederspannung dient, die zum Verkauf an Großhändler und Endkunden bestimmt ist.
Der BGH führt im Einklang mit den Forderungen des EuGH dann weiter aus, dass die Betreiber eines Verteilernetzes nur unter denen in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie genannten Voraussetzungen von der Regulierung befreit werden können. Die Befreiungen, die § 3 Nr. 24a EnWG auslöst, können aber nur Energieanlagen zugebilligt werden, die kein Verteilernetz sind. Kundenanlagen beginnen insoweit erst dort, wo das regulierte Netz nicht angenommen werden kann. Bisher hatte man einzuschätzen, ob es sich bei der zu beurteilenden Infrastruktur um eine Kundenanlage oder ein Netz handelt. Künftig wird man nur dann zu einer Einordnung als unregulierte Kundenanlage kommen können, wenn und soweit die Anforderungen an ein Netz nicht erfüllt werden. Die Hürde für diese Beurteilung ist dabei ungleich höher.
Der BGH macht deutlich, dass Stromverteilinfrastruktur anhand der durch den EuGH entwickelten Definition des Verteilernetzes als solches abgegrenzt werden müssten. Das hat zur Folge, dass viele Versorgungsinfrastrukturen in vergleichbaren Sachverhalten nicht mehr als Kundenanlage eingestuft werden können. Paragraph 3 Nr. 24a EnWG bietet nach Auffassung des BGH aber auch weiterhin einen Anwendungsbereich, etwa für Eigenversorgungskonstellationen oder für „mit Erzeugungsanlagen verbundene Leitungssysteme, die von Eigentümern einer Wohnungseigentumsanlage oder Grundstückseigentümern gemeinsam betrieben und genutzt werden“.
Hierfür hat der BGH den Begriff der Eigenversorgung gewählt, der leider aus anderen Zusammenhängen belegt ist. Es handelt sich unseres Erachtens hier gerade nicht um eine Eigenerzeug nebst personenidentischem Verbrauch, sondern vielmehr um eine Selbstversorgung. Hier steht der Zweck im Fokus, die eigenen (Energie-) Bedürfnisse sicherzustellen.
Die Entscheidungsgründe geben auf in der Praxis sehr relevante Fragen keine Antworten. Beispielsweise bleibt auch nach der Veröffentlichung der Gründe unklar, an welcher Stelle bzw. ab welcher technischen Einrichtung das regulierte Energieversorgungnetz unter anderem bei Mehrfamilienhäusern endet. Hierzu hat sich der BGH trotz eindringlicher Bitten der Praxis und der Bundesnetzagentur nicht geäußert. Weiterhin hat der BGH nicht näher präzisiert, wie er das Merkmal des „Verkaufs“, das in der Zweckbestimmung der Stromdurchleitung enthalten sein muss, für das Vorliegen eines Verteilernetzes, interpretiert. Hier werden unserer Einschätzung nach aber die wesentlichen Diskussionen zu führen sein.
Es bleibt auch offen, wie genau die Wertungen des EuGH und des BGH auch auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Nr. 24b EnWG anzuwenden sind. Denn auch in § 3 Nr. 24b EnWG wird eine Stromverteilinfrastruktur von der Regulierung ausgenommen. Gleichwohl liegt der Sachverhalt in den meisten Fällen so, dass der Strom an verbundene Unternehmen weitergeleitet wird. Inwieweit etwa eine Abrechnung des Stroms zum Selbstkostenpreis dabei das Merkmal des „Verkaufs“ erfüllt, ist unklar. Ferner bleibt zu klären, ob die nach § 3 Nr, 24b EnWG zulässige Quote von bis zu 10 Prozent Stromabgabe an konzernfremde Dritte die Einstufung als unregulierte Infrastruktur im Lichte der Ausführungen des EuGH konterkarieren könnte.
Insgesamt ist die Entscheidung des BGH in ihrem Ergebnis erwartbar ausgefallen. Der BGH hat die wesentlichen Richtungsentscheidungen, die der EuGH aufgestellt hat, im Rahmen der unionsrechtskonformen Auslegung des § 3 Nr. 24a EnWG umgesetzt. Dass über den zu entscheidenden Sachverhalt hinaus noch diverse offene Fragen bestehen, hatten wir schon befürchtet. Hier ist nun der nationale und der europäische Gesetzgeber schnellstmöglich gefordert, die nötige Klarheit zu schaffen.
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