OVG Münster: Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“
Sachverhalt: Ein langjährig in der Baubranche Beschäftigter absolvierte erfolgreich ein einjähriges weiterbildendes Studium an der Fachhochschule Köln zum Fachbauleiter Brandschutz. Später schrieb er sich für ein Zertifikatsstudium „Vorbeugender Brandschutz“ ein. Mangels ersten Hochschulabschlusses musste er für den anschließenden Wechsel in den Masterstudiengang alle Prüfungsleistungen des viersemestrigen Zertifikatsstudiums bis zum dritten Semester bestehen. Diese Eignungsprüfung erbrachte er erfolgreich. Anschließend schloss er auch den Masterstudiengang erfolgreich mit dem Grad „Master of Engineering (M. Eng.)“ ab. Daraufhin beantragte er die Eintragung als freiwilliges Mitglied in der Ingenieurkammer-Bau NRW. Dieser Eintragungsantrag wurde von der Ingenieurkammer-Bau NRW abgelehnt. Der Kläger habe keinen rechtlichen Anspruch auf die Eintragung. Er habe keinen naturwissenschaftlichen oder technischen Studiengang im Sinne des Ingenieurgesetzes absolviert. Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen den ergangenen Bescheid ab. Im Berufungsverfahren hatte kürzlich das Oberverwaltungsgericht Münster die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein Hochschulabsolvent in Nordrhein-Westfalen zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ berechtigt ist (OVG Münster, Urteil v. 05.03.2018, Az.: 4 A 542/15).
Entscheidungsgründe: Die Rechtsgrundlage für die Aufnahme bilde § 38 Abs. 2 Satz 1 lit. b) i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 Baukammergesetz NRW (BauKaG), § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Ingenieurgesetz NRW (IngG). Die Voraussetzungen seien, dass der Antragsteller im Bauwesen tätig ist (§ 29 Abs. 2 BauKaG), zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ berechtigt ist (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 BauKaG), nicht in der Liste der beratenden Ingenieure eingetragen ist und seine Hauptwohnung oder seinen Beschäftigungsort in NRW hat. Die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ richtet sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) IngG, der ein erfolgreich abgeschlossenes Studium einer technischen oder naturwissenschaftlichen Fachrichtung (im Folgenden: technisches Studium) an einer deutschen Hochschule mit der Dauer von mindestens drei Studienjahren vorsieht. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger. Er habe ein zweijähriges weiterbildendes technisches Masterstudium („Vorbeugender Brandschutz“) an einer deutschen Hochschule erfolgreich mit der Masterprüfung abgeschlossen. Mit der Zulassung zum Masterstudium sei die Gleichwertigkeit seiner beruflichen Qualifikationen mit denen eines abgeschlossenen Grundstudiums festgestellt worden. Darüber hinaus habe er ein einjähriges weiterbildendes technisches Studium zum Fachbauleiter Brandschutz erfolgreich abgeschlossen. Insgesamt habe der Kläger damit ein technisches Studium an einer deutschen Hochschule über die Mindeststudiendauer von drei Jahren mit Erfolg abgeschlossen.
Der Begriff des Studiums bezeichne den Vorgang des Studierens. Das Studium müsse nicht notwendigerweise innerhalb eines Studiengangs erfolgen. Den Absolventen müsse die Möglichkeit gegeben werden, noch fehlende Studienzeiten durch ein gesondertes technisches Studium nachzuholen, anstatt ein komplett neues, drei Studienjahre umfassendes Studium ableisten zu müssen. Das Erfordernis eines erfolgreichen Studienabschlusses hänge auch nicht von einem bestimmten Abschluss ab. Es sei weder erforderlich, dass es sich um ein Grundstudium handle (Bachelorstudium), noch ließe sich dem Gesetz entnehmen, dass ein bestimmter Anteil „ingenieurspezifischer“ Studieninhalte vorgeschrieben ist. Diese Erfordernisse ergäben sich auch durch weitere Auslegung nicht. Letzteres sei zwar unter anderem durch die Ingenieurkammer-Bau NRW angeregt worden, vom Gesetzgeber jedoch bisher ausdrücklich nicht aufgenommen worden. Die Beurteilung, ob die entsprechende Mindeststudiendauer vorliege, richte sich darüber hinaus lediglich nach den Studienjahren. Die Zahl der Unterrichtsstunden oder die Zahl der erhaltenen Leistungspunkte (Kreditpunkte) seien dafür unerheblich.
Bedeutung für die Praxis: Die Regelungen in den Ingenieurgesetzen der Länder unterscheiden sich. Kürzlich, im Juni 2018, wurde ein neues Muster-Ingenieurgesetz durch die Wirtschaftsministerkonferenz der Bundesländer beschlossen. In diesem ist auch die Anforderung eines Mindestanteils der „ingenieurspezifischen“ Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) vorgesehen. An diesem Muster-Ingenieurgesetz sollen sich die Ingenieurgesetze der Bundesländer orientieren. Mit dem vereinbarten Mindestinhalt von 50% bleibt diese Anforderung noch hinter der Forderung verschiedener Verbände zurück. Im niedersächsischen Ingenieurgesetz ist bereits ein Mindestanteil von 70% zur Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ notwendig. Die Entwicklungen in den Ländern bleiben also abzuwarten. Fehlt eine solche Regelung jedoch, kann diese nicht in das Gesetz „hineingelesen“ werden. Bei Änderungen der landesrechtlichen Vorschriften, dürften bereits eingetragene Ingenieure im Sinne des Vertrauensschutzes jedoch vom Bestand ihrer Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ ausgehen.
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