
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist seit Juni 2023 in Kraft und muss nun in deutsches Recht umgesetzt werden. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD eine „bürokratiearme“ Umsetzung vereinbart. Mitte Juli 2025 war dazu die Kommission „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ gegründet worden. Mitglieder sind Wissenschaftler:innen und Fachleute aus Verbänden und Gewerkschaften. Das nationale Gesetz muss bis Juni 2026 stehen, denn dann läuft die Umsetzungsfrist ab. Die Kommission hat nun im Oktober 2025 ihren Abschlussbericht vorgelegt, der zentrale Empfehlungen für das deutsche Umsetzungsgesetz enthält. In diesem Artikel gehen wir auf die wesentlichen Punkte ein:
Die Entgelttransparenzrichtlinie enthält zahlreiche verbindliche Vorgaben. Dennoch lässt sie den nationalen Gesetzgebern Gestaltungsspielraum, etwa bei den Berichtspflichten, dem konkreten Auskunftsverfahren, der Definition vergleichbarer Tätigkeiten oder möglichen Entlastungen für tarifgebundene Arbeitgeber. Innerhalb der Expertenkommission „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ gingen die Meinungen zum Teil sehr weit auseinander. Die im Abschlussbericht vom 24. Oktober 2025 festgehaltene Mehrheitsmeinung bietet nun erste Hinweise darauf, wie die deutsche Umsetzung voraussichtlich ausgestaltet sein könnte.
Die Kommission spricht sich mehrheitlich dafür aus, die Berichtspflicht zur Entgeltstruktur nach Art. 9 der Richtlinie zunächst auf Arbeitgeber mit mindestens 100 Beschäftigten zu beschränken.
Deutlich kleinere Unternehmen würde das grundsätzlich entlasten. Die Berichte sollen in Textform eingereicht werden können. Die Kommission fordert den Gesetzgeber auf, digitale Werkzeuge und Vorlagen bereitzustellen, um die Bürokratie zu reduzieren und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu unterstützen. Unternehmen sollten frühzeitig prüfen, ob ihre HR- bzw. Payroll-Systeme über die benötigten Reporting-Fähigkeiten verfügen und wie sich bereitgestellte Vorlagen integrieren lassen.
Als maßgebliche Grundlage für die Berichte empfiehlt die Kommission das Ist-Entgelt, also die tatsächlich gezahlte Vergütung, nicht Ziel- oder Referenzentgelte.
HR-Abteilungen sollten sich daher darauf einstellen, dass ihre Payroll-Systeme das reale Entgelt sauber erfassen und ausgeben können.
Die Expertenkommission empfiehlt, die Berichtspflicht auf das Ist-Entgelt zu konzentrieren und freiwillige Leistungen auszuschließen. Nur solche Entgeltbestandteile sollen erfasst sein, die an Arbeitsleistung geknüpft sind und „klar ablesbar“ sind wie das Grundgehalt und variable Vergütungsbestandteile. Freiwillige Zusatz-, Wahl-, Sachleistungen (wie Fitnessstudioangebote, Dienstrad oder Fahrvergünstigungen) und Leistungen ohne Arbeitsleistung, wie zum Beispiel Abfindungen, sollen nicht einfließen.
Arbeitgeber könnten bereits jetzt prüfen, welche Bestandteile in ihrem Vergütungssystem vorhanden sind und wie sauber diese dokumentiert werden.
Für die Berechnung des Stundenentgelts soll die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit als Basis herangezogen werden und nicht zwingend die tatsächlich geleisteten Stunden. Das wäre wohl auch die einfachere Methode für die Personalabteilung.
Die Kommission bittet den Gesetzgeber, zu prüfen, wie das Thema Entgelttransparenz mit anderen HR-/Berichtspflichten, zum Beispiel der Nachhaltigkeitsberichterstattung harmonisiert werden kann, um Synergien zu nutzen und Doppelarbeit zu vermeiden.
Die Empfehlung zum Auskunftsanspruch lautet: Beschäftigte sollen einmal im Jahr Auskunft über das Bruttojahresentgelt bzw. Bruttostundenentgelt des vergangenen Kalenderjahres bzw. Geschäftsjahres verlangen können. Viele Kommissionsmitglieder befürworten zudem, dass der Anspruch frühestens ein Jahr nach der letzten Auskunft erneut geltend gemacht werden darf.
Die Kommission empfiehlt außerdem, auf eine detaillierte Aufschlüsselung der Entgeltbestandteile zu verzichten. Beschäftigte sollen Informationen über ihr eigenes Entgelt sowie über das Durchschnittsentgelt derjenigen erhalten, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Auch beim Auskunftsanspruch soll das tatsächlich gezahlte Entgelt maßgeblich sein. Die Kommission empfiehlt, dass Auskünfte ebenfalls in Textform erteilt werden können.
Die Kommission empfiehlt, dass der deutsche Gesetzgeber keine eigene, über Art. 4 der Richtlinie hinausgehende Definition von „gleichwertiger Arbeit“ einführt. Danach sind die maßgeblichen Kriterien die für die jeweilige Tätigkeit
Etwaige Faktoren, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind, könnten jedoch nach Auffassung der Kommission ggf. berücksichtigt werden. Wissenschaftsgestützte Arbeitsbewertungstools müssen Arbeitgeber nach Auffassung der Kommission nicht einsetzen.
Die Kommission betont die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Arbeitnehmervertretungen bei der Festlegung der Kriterien für die Entgeltbewertung und bei der Durchführung der gemeinsamen Entgeltbewertung, sieht die bestehenden Mitbestimmungsrechte als ausreichend an und spricht sich gegen neue Rechte aus. Die Mitglieder sind mehrheitlich der Ansicht, dass keine neuen Mitbestimmungsrechte im Rahmen der Entgelttransparenzrichtlinie geschaffen werden sollen. In tarifgebundenen Unternehmen soll es kein Mitbestimmungsrecht bei der Entgeltbewertung geben, sofern der Tarifvertrag den Anforderungen entspricht. In nicht tarifgebundenen Unternehmen hat der Betriebsrat lediglich ein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf das Entgeltsystem, nicht aber hinsichtlich der Höhe des Entgelts. Die Kommissionsmitglieder sehen Gewerkschaften nicht als Arbeitnehmervertretung im Sinne des europäischen Rechts an.
Kontrovers wurde diskutiert, ob tarifgebundene Arbeitgeber erleichterte Anforderungen erhalten können. Die Kommissionsmitglieder konnten sich nicht darauf einigen, ob und in welchem Umfang tarifgebundene Arbeitgeber im künftigen Gesetz privilegiert werden sollten, insbesondere hinsichtlich einer möglichen Angemessenheitsvermutung für tarifvertragliche Entgeltsysteme. Der Abschlussbericht empfiehlt lediglich Erleichterungen für unmittelbar tarifgebundene Arbeitgeber bei der Gruppenbestimmung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. h) Entgelttransparenzrichtlinie. Außerdem möchte die Kommission tarifgebundenen Arbeitgebern eine Verlängerung von Fristen zugestehen.
Wenn Berichte ein nicht erklärbares geschlechtsspezifisches Entgeltgefälle zeigen, soll ein Verfahren zur gemeinsamen Entgeltbewertung mit Arbeitnehmervertretungen durchgeführt werden.
Die Mehrheit der Mitglieder sprach sich dabei dafür aus, dass als „Arbeitnehmervertretung“ immer der Betriebsrat fungiert und nicht die Gewerkschaft. Betriebe ohne Betriebsrat könnten auf eine gemeinsame Entgeltbewertung verzichten.
Unternehmen sollten für die Entgeltbewertung einen Prozess definieren.
Die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie in Deutschland wird für HR- und Payroll-Abteilungen relevante Veränderungen bringen. Arbeitgeber, die frühzeitig aktiv werden, können Wettbewerbsvorteile erzielen und Risiken minimieren.
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