Suche
Contact
28.07.2014 | KPMG Law Insights

Neuer Unionsrahmen: Wer die Wahl der Auslegung hat, hat die Qual

Liebe Leserinnen und Leser,

auch in der Sommerpause möchten wir Sie mit aktuellen Themen rund um das EU-Beihilfenrecht versorgen. Und was liegt da näher, als über die Inhalte des neuen Unionsrahmens zu berichten? In unserem ersten Artikel geht es um einige Neuerungen, die sich mit der Einordnung der Hochschul- und Forschungseinrichtungstätigkeiten als „wirtschaftliche“ oder „nicht-wirtschaftliche“ Tätigkeiten beschäftigen.

Wie Sie schon der Überschrift des Artikels entnehmen können, führen die Neuerungen aber nicht unbedingt zu mehr Klarheit und damit zu der lang ersehnten Rechtssicherheit für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Vielmehr verbleiben zahlreiche unbestimmte und daher auslegungsbedürftige Regelungen und Begrifflichkeiten, die den alltäglichen Umgang mit den EU-Beihilfevorschriften nicht gerade vereinfachen.

Äußerst kontrovers diskutiert wurde und wird derzeit auch die von der Bundesregierung geplante Änderung des Grundgesetzes im Zusammenhang mit dem Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich. Kippt das Verbot, dürfte sich der Bund künftig langfristig an der Finanzierung von Hochschulen beteiligen. Eine Finanzspritze, die eine finanzielle Grundsicherung der Hochschulen mit sich bringt?

Wie üblich, finden Sie auch weitere Beiträge zum Fördermittel- und Vergaberecht.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre!

Herzlichst Ihr

Public Sector-Team der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Mathias Oberndörfer                   Dr. Anke Empting

Am 21. Mai 2014 hat die EU-Kommission ihren neuen Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation veröffentlicht. Die damit einhergehenden Neuerungen erleichtern allerdings nicht unbedingt den EU-beihilfenrechtlich sicheren Umgang mit FuE-Maßnahmen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Neuer Definitionsansatz für nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten

Als nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten (sogenannte „Primärtätigkeiten“) und damit als beihilfenfrei werden zunächst die Ausbildung von mehr oder besser qualifizierten Humanressourcen, die unabhängige FuE zur Erweiterung des Wissens und des Verständnisses sowie und die weite Verbreitung der Forschungsergebnisse anerkannt.

  • Als Ersteres gilt nun ausdrücklich die innerhalb des nationalen Bildungswesens organisierte öffentliche Bildung, die überwiegend oder vollständig vom Staat finanziert und überwacht wird, als nicht-wirtschaftlich ein, wie etwa die reine Lehrtätigkeit von Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen. Die nicht überwiegend oder vollständig vom Staat finanzierte und überwachte Tätigkeit gelten nun ausdrücklich nicht (mehr) als nicht-wirtschaftlich, ebenso wenig Ausbildungsmaßnahmen im Sinne der Beihilfevorschriften für Ausbildungsbeihilfen.
  • Mit Blick auf die Nicht-Wirtschaftlichkeit von Tätigkeiten der unabhängigen FuE zur Erweiterung des Wissens und des Verständnisses stellt der neue Unionsrahmen klar, dass derartige FuE-Tätigkeiten, die auch im Verbund mit anderen Forschungseinrichtungen durchgeführt werden können, nur noch dann als nicht-wirtschaftlich gelten, wenn sie auf einer „wirksamen Zusammenarbeit“ beruhen. Die Auftragsforschung und die sonstige einseitige Erbringung von Forschungsdienstleistungen fallen nicht darunter.
  • Dabei muss es sich um eine Verbreitung „auf nichtausschließlicher und nicht diskriminierender Basis“ handeln, zum Beispiel durch Lehre, frei zugängliche Datenbanken, allgemein zugängliche Veröffentlichungen oder offene Software.

„Wissenstransfer“ als privilegierte wirtschaftliche Tätigkeit

Die EU-Kommission betrachtet Tätigkeiten des Wissenstransfers immer dann als nicht-wirtschaftlich, wenn sie entweder durch die Forschungseinrichtung oder Forschungsinfrastruktur oder gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen oder Forschungsinfrastrukturen oder in deren Auftrag durchgeführt werden. Die Gewinne aus diesen Tätigkeiten müssen in die primären Tätigkeiten der Forschungseinrichtung oder der Forschungsinfrastruktur reinvestiert werden.

Nebentätigkeit und 20%-Klausel

Neu ist die Regelung, die eine beihilfenrechtliche Privilegierung für solche Hochschulen, Forschungseinrichtungen oder Forschungsinfrastrukturen vorsieht, die sowohl nicht-wirtschaftlich als auch wirtschaftlich tätig werden.

Nach dem neuen Unionsrahmen steht einer (staatlichen) Finanzierung auch der wirtschaftlichen Tätigkeiten beihilfenrechtlich dann nichts entgegen, wenn die betroffene Forschungseinrichtung oder Forschungsinfrastruktur fast ausschließlich nicht-wirtschaftlich genutzt wird. Dies erfordert die wirtschaftliche Nutzung als reine Nebentätigkeit, die mit dem Betrieb der Forschungseinrichtung oder Forschungsinfrastruktur unmittelbar verbunden und dafür erforderlich ist oder die in untrennbarem Zusammenhang mit der nicht-wirtschaftlichen Haupttätigkeit steht und der Umfang der wirtschaftlichen Nutzung begrenzt ist.

Unklar ist, ob eine Einrichtung bis zu 20 Prozent wirtschaftliche (Neben-) Tätigkeiten und dabei gleichzeitig mehr als 80 Prozent nichtwirtschaftliche Tätigkeiten ausübt. Auch ist der neue Unionsrahmen unklar definiert bezüglich der Bezugsgröße „Kapazität“ bzw. „Gesamtkapazität“. Offen ist zudem, ob für die gesamten wirtschaftlichen Tätigkeiten der jeweiligen Einrichtung dieselben Inputs wie für die nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten eingesetzt werden müssen oder ob sich diese Deckung lediglich auf die jeweils fragliche, mit staatlichen Mitteln finanzierte Tätigkeit bezieht.

Neufassung der Leitlinien für Beihilfen für EU-Unternehmen in Schwierigkeiten

Die Leitlinien, welche am 1. August 2014 in Kraft treten, gelten grundsätzlich für alle Unternehmen aller Branchen mit Ausnahme von Banken und anderen Finanzinstituten. Unter bestimmten – engen – Voraussetzungen können die zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten Beihilfen zur Rettung und Sanierung gewähren.

Grundsätze bei Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe

Die sogenannte Rettungsbeihilfe kann nur für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten gewährt werden. Bedarf es eines längeren Förderzeitraums, kann die Maßnahme nur genehmigt werden, wenn sie später zurückgezahlt oder wenn der Kommission ein Umstrukturierungsplan vorgelegt wird („Umstrukturierungsbeihilfen“). Umstrukturierungsbeihilfen dürfen nur einmal in zehn Jahren gewährt werden, um zu verhindern, dass unrentable Unternehmen mit öffentlichen Geldern künstlich über Wasser gehalten werden.

Bei der Gewährung staatlicher Unterstützung für Umstrukturierungsvorhaben soll auf weniger wettbewerbsverzerrende Maßnahmen wie Darlehen und Garantien zurückgegriffen werden.

Die Mitgliedstaaten müssen nunmehr darlegen, dass die jeweilige Beihilfe erforderlich ist, um Härtefälle zu vermeiden, und dass sich die Lage durch die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe verbessern wird, weil zum Beispiel mehr Arbeitsplätze erhalten werden können.

Schließlich soll künftig sichergestellt werden, dass ein Teil der Umstrukturierungskosten von Privatinvestoren getragen wird („Lastenverteilung“).

 Die Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten bieten für staatliche Stellen eine wichtige Möglichkeit, kurzfristige Maßnahmen zugunsten von finanziell zwar angeschlagenen, aber für die Durchführung bedeutender Projekte wichtigen und damit perspektivisch förderwürdigen Unternehmen durchzuführen. Mit den neuen Leitlinien wurden diese Möglichkeiten mit Blick auf Beihilfen an KMU, die gerade auch im FuE-Bereich zu finden sind, zudem noch vereinfacht.

Explore #more

29.07.2025 | KPMG Law Insights

Die Spar- und Investitionsunion (SIU) – das sind die Pläne der EU

In der EU fehlt an vielen Stellen Geld, unter anderem für die Infrastruktur, den Ausbau der Digitalisierung und die Verteidigung. Gleichzeitig verfügen Europäer über hohe…

28.07.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät den Gesellschafter der Schubert Touristik GmbH bei der Verhandlung und Umsetzung einer strategischen Partnerschaft mit dem österreichischen Private Equity Unternehmen AG Capital

Die Schubert-Gruppe mit Hauptsitz in Aschersleben ist spezialisiert auf organisierte und begleitete Bus-, Flug- und Kreuzfahrtreisen weltweit, speziell zugeschnitten auf Senioren ab 60 Jahren. Mit…

25.07.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät BETOMAX, ein Unternehmen der INDUS Holding AG, beim Erwerb der TRIGOSYS GmbH

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat die BETOMAX systems GmbH & Co. KG, ein Unternehmen der INDUS Holding AG, beim Erwerb aller Anteile…

24.07.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG beraten die Q.ANT GmbH bei einer Series-A-Finanzierungsrunde über 62 Millionen Euro

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft (KPMG Law) und KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben mit einem service-übergreifenden Team die Q.ANT GmbH bei einer Series-A-Finanzierungsrunde mit einem Volumen…

23.07.2025 | KPMG Law Insights

Steuerhinterziehung durch Influencer:innen: Warum jetzt die Selbstanzeige helfen kann

Weitere Autor:innen und Ansprechpartner: innen: Dr. Anne Schäfer, Marco Strootmann, Anastasia Podolak Die Finanzverwaltung nimmt das Influencer-Marketing ins Visier. Aktuell ermitteln Behörden…

22.07.2025 | KPMG Law Insights

Gesetz zur Umsetzung der RED III beschleunigt Genehmigungsverfahren für den Windenergieausbau

Das Gesetz zur Umsetzung der Erneuerbare-Energie-Richtlinie kann zeitnah in Kraft treten, nachdem der Bundestag dem Entwurf am 10. Juli und der Bundesrat am 11. Juli…

22.07.2025 | KPMG Law Insights

BGH: Baukostenzuschüsse bei Batteriespeichern weiterhin zulässig

Elektrizitätsverteilernetzbetreiber dürfen bei Netzanschlüssen von Batteriespeichern Baukostenzuschüsse erheben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 15. Juli 2025 entschieden (Az EnVR 1/24). Die Höhe der…

21.07.2025 | In den Medien

FAZ Beitrag zum Thema Steuerhinterziehung von Influencern mit KPMG Law Statement

Nordrhein-Westfalen greift hart durch gegen Influencer, die mutmaßlich Steuern hinterziehen.  Auch Unternehmen, die Influencer beauftragen, stehen in der Pflicht. In einem Beitrag auf FAZ.net ordnen…

18.07.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement im Handelsblatt: Hürden für internationale Fachkräfte

Deutschland hat einiges getan, um die Zuwanderung von Fachkräften zu erleichtern, zuletzt mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus dem Jahr 2023. Bei der Vergabe der sogenannten…

15.07.2025 | In den Medien

JUVE: KPMG Law Experte zu Top-Trends für mehr Effizienz in Rechtsabteilungen und Kanzleien

Die siebte Legal Operations Konferenz von JUVE und NWB hat gezeigt, wie tiefgreifend künstliche Intelligenz den Rechtsmarkt verändert. KPMG Law war wie in den letzten…

Kontakt

Mathias Oberndörfer

Geschäftsführer
Bereichsvorstand Öffentlicher Sektor KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Theodor-Heuss-Straße 5
70174 Stuttgart

Tel.: +49 711 781923410
moberndoerfer@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll