Suche
Contact
15.02.2023 | KPMG Law Insights

Kritische Infrastruktur und Investitionskontrolle – Vorsicht bei Unternehmenstransaktionen

Kritische Infrastruktur und Investitionskontrolle – Vorsicht bei Unternehmenstransaktionen

Wer Anteile an einem Unternehmen kauft oder verkauft, das eine kritische Infrastruktur betreibt, sollte vorsichtig sein. Denn vor dem Erwerb muss ggf. ein Investitionskontrollverfahren durchgeführt werden. Geschieht das nicht, drohen Bußgelder und Freiheitsstrafen.

Hintergrund ist: Jahrzehntelang ist die Weltwirtschaft zusammengewachsen. Seit einigen Jahren zeichnet sich jedoch ein Trend ab, den man Decoupling nennt. Weltmächte beginnen, sich voneinander abzuschotten, wie beispielsweise die USA und China. Spätestens seit Beginn des Krieges in der Ukraine wächst in Deutschland die Sorge, dass wichtige Infrastruktur nicht mehr zur Verfügung steht.

Um die Bevölkerung vor einem Ausfall dieser sog. kritischen Infrastruktur zu schützen, hat die Bundesregierung Vorkehrungen getroffen. Eine davon ist, dass die Daseinsvorsorge innerhalb der EU verbleiben soll.

Für unionsfremde Unternehmen bedeutet das, dass sie nicht ohne Weiteres Unternehmensanteile an einem Betreiber von Anlagen kritischer Infrastrukturen kaufen können. Möchte ein Käufer mit Sitz außerhalb der EU (bzw. außerhalb des EFTA-Raums) mindestens 10 % der Stimmrechte an einem solchen Unternehmen erwerben, greift zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die sogenannte Investitionskontrolle. Das bedeutet, dass der Kauf der Anteile vorab dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gemeldet werden muss. Das BMWK prüft die geplante Beteiligung und gibt sie (ggf. unter Auflagen) frei oder untersagt sie.

 

Wie viele Unternehmen unter die kritische Infrastruktur fallen, wird oft unterschätzt

Oft wird unterschätzt, wie viele Unternehmenserwerbe mittlerweile unter die Pflicht zur Meldung an das BMWK fallen. Das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) definiert kritische Infrastrukturen so:

Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Einrichtungen, Anlagen oder Teile davon, die den Sektoren

  • Energie
  • Informationstechnik und Telekommunikation
  • Transport und Verkehr
  • Gesundheit
  • Wasser
  • Ernährung
  • Finanz- und Versicherungswesen oder
  • Siedlungsabfallentsorgung

angehören und von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil durch ihren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden.

 

Ab einem festgelegten Schwellenwert gelten Anlagen als kritisch

Nicht für alle Unternehmen der genannten Sektoren greift die Meldepflicht. Erst ab bestimmten Schwellenwerten ist dies der Fall. Für alle Sektoren gilt grundsätzlich: Die Anlage muss mindestens eine halbe Million Menschen versorgen können, damit sie als kritisch bezeichnet werden kann. Wann dies jeweils angenommen wird, legt die Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen (BSI-KritisV) für jeden Sektor individuell fest. Ein Lebensmittelhersteller gehört aktuell beispielsweise zur kritischen Infrastruktur, wenn er 434.500 Tonnen Lebensmittel oder 350 Millionen Liter Getränke herstellt. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln liegt die Schwelle bei 4,65 Millionen in Verkehr gebrachter Packungen pro Jahr. Ein normaler Stromerzeuger gilt als kritisch, wenn er 104 Megawatt Strom produziert. Bei bestimmten Energielieferanten ist die Schwelle noch niedriger oder gar nicht vorhanden.

Wichtig: Diese Schwellenwerte werden immer wieder angepasst. Erst Anfang 2022 wurden die Schwellen in einigen Sektoren deutlich abgesenkt.

 

Vorsicht auch in anderen Branchen und bei Restrukturierungen

Auch wenn der Käufer auf den ersten Blick einem EU-Mitgliedsstaat angehört oder das Zielunternehmen keine kritische Infrastruktur betreibt, ist eine genaue Prüfung geboten. Denn eine Reihe weiterer Transaktionen können nach der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) der Bundesregierung ebenfalls meldepflichtig sein. Hierzu gehören folgende Konstellationen:

  • Neben der kritischen Infrastruktur gibt es weitere Branchen, bei denen Investitionen meldepflichtig sein können. Diese sind in § 55a Abs. 1 AWV aufgeführt. Beispiele für solche Branchen sind die Luft- und Raumfahrt, Medien und Cybersicherheit, sowie bestimmte Hochtechnologien, z.B. Robotik, Quanten-, Nuklear- und Biotechnologie sowie Künstliche Intelligenz. Der Katalog wurde mit der AWV-Novelle im Jahr 2021 nochmal deutlich erweitert.
  • Selbst konzerninterne Restrukturierungen können in den Anwendungsbereich der Investitionskontrolle fallen, wenn es sich bei der (konzerninternen) neuen Erwerbergesellschaft um ein unionsfremdes Unternehmen handelt.
  • Nicht nur die erstmalige, sondern auch die Erhöhung einer bestehenden Beteiligung kann meldepflichtig sein.
  • Auch sind Fälle denkbar, in denen die Investition angemeldet werden muss, obwohl der Erwerber aus der Europäischen Union kommt. Das kann dann der Fall sein, wenn der Erwerber selbst Teilhaber aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten hat.

 

Bei Verstößen drohen Bußgelder und Freiheitsstrafen

Wird die Meldepflicht übersehen und eine Transaktion vollzogen, kann dies erhebliche Sanktionen nach sich ziehen. Dazu gehören insbesondere die Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Vertrags und dessen Vollzugs, hohe Bußgelder und sogar Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.

 

Was sollten Unternehmen tun?

Für Unternehmen ist es nicht immer leicht, festzustellen, ob eine Transaktion gemeldet werden muss. Fehler und damit auch Sanktionen lauern an vielen Stellen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Voraussetzungen für die Meldepflicht durchaus kurzfristig verändert und die Schwellenwerte für die Investitionskontrolle weiter abgesenkt werden können, wie dies in der jüngsten Vergangenheit schon geschehen ist.

Insbesondere Unternehmen aus einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat sind daher gut beraten, wenn sie jeden Beteiligungserwerb vorab anwaltlich prüfen lassen.

Für die Investitionsprüfung sollte ausreichend Zeit eingeplant werden. In der Regel dauert das Verfahren beim BMWK zwei Monate. In Einzelfällen kann es sich aber auch bis zu acht Monaten hinziehen.

Explore #more

02.05.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement im FINANCE Magazin: So können CFOs bis zu 80 Prozent in der Rechtsabteilung einsparen

Der Kostendruck in den Unternehmen steigt – auch in den Rechtsabteilungen. Mittlerweile haben sich zwei Strategien etabliert, um 50 bis 80 Prozent der Kosten einzusparen.…

30.04.2025 | In den Medien

KPMG Law Studie in der Neue Kämmerer: Wie kommt das Sondervermögen in die Kommunen?

Ein Sondervermögen über 500 Milliarden Euro soll in den nächsten zwölf Jahren Investitionen in die Infrastruktur finanzieren. Davon sind 100 Milliarden Euro für die Länder…

29.04.2025 | KPMG Law Insights

Geldwäschebekämpfung und Transparenzregister – was ändert die neue Regierung?

Die künftige Regierung möchte laut Koalitionsvertrag Geldwäsche und Finanzkriminalität „entschieden bekämpfen“. Die Koalitionspartner kündigen an, dass Rechtsgeschäfte juristischer Personen, die den Betrag von 10.000 Euro…

25.04.2025 | KPMG Law Insights

Koalitionsvertrag: Die Pläne für Lieferkettengesetz, EUDR und AGB-Recht

Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart: „Darüber hinaus schaffen wir das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ab.“ Auf den ersten Blick eine klare und absolute Aussage.…

25.04.2025 | In den Medien

Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau: Mit Tempo den Investitionsstau überwinden

Geld allein wird nicht reichen, die Investitionsziele umzusetzen. Die Verwaltung muss interne Strukturen schaffen, die ein schnelles Handeln ermöglichen. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter…

23.04.2025 | KPMG Law Insights

Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Koalitionsvertrag 2025

Der Klimaschutz hat es im Koalitionsvertrag zu einer Bedeutung geschafft, mit der nicht zu rechnen war. Im Wahlkampf hatte er keine nennenswerte Rolle gespielt. Auch…

17.04.2025 | KPMG Law Insights

Das bedeutet der Koalitionsvertrag für den Finanzsektor

Der Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD hat auch Auswirkungen auf den Finanzsektor. Hier ein Überblick. Die Erhöhung des Energieangebots Die Koalitionspartner möchten das Energieangebot vergrößern…

17.04.2025 | KPMG Law Insights

AWG-Novelle sieht härtere Strafen für Sanktionsverstöße vor

Aufgrund des anhaltenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine möchte die EU die Strafverfolgung von Verstößen gegen EU-Sanktionen erleichtern. Die entsprechende Richtlinie (EU) 2024/1226 war im…

16.04.2025 | KPMG Law Insights

Was die neuen Digitalisierungspläne im Koalitionsvertrag bedeuten

Der Koalitionsvertrag zeigt, wie die künftige Regierung Deutschlands digitale Zukunft gestalten will. Was bedeuten die Pläne konkret für Unternehmen? Hier die wichtigsten Auswirkungen: Digitale Souveränität:…

14.04.2025 | KPMG Law Insights

So will die neue Koalition Investitionen in die Infrastruktur beschleunigen

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD markiert einen grundlegenden Neubeginn in der deutschen Infrastrukturpolitik. Angesichts eines erheblichen Investitionsstaus setzen die Koalitionspartner auf ein umfassendes Maßnahmenpaket,…

Kontakt

Dr. Gerrit Rixen

Partner
Leiter Kartellrecht und Investitionskontrolle

Luise-Straus-Ernst-Straße 2
50679 Köln

Tel.: +49 221 2716891052
grixen@kpmg-law.com

Christoph Gröne

Manager

Tersteegenstraße 19-23
40474 Düsseldorf

Tel.: 0211 4155597-763
cgroene@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll