Suche
Contact
16.02.2022 | KPMG Law Insights

Kommunale Internetportale und Presseverlage – (Wann)Endet der Dauerstreit?

Kommunale Internetportale und Presseverlage – (Wann)Endet der Dauerstreit?

Verletzen Gemeinden die Pressefreiheit, wenn sie über die nächste große Tour des örtlichen Fahrradclubs berichten und zur Stärkung der Innenstadt Firmenprofile mit Bildern und werbenden Texten veröffentlichen? Oder sind solche Inhalte von dem Auftrag der Gemeinden zur Daseinsvorsorge gedeckt?

Presseverlage verklagen seit 2019 Kommunen wegen (vermeintlich) zu pressemäßiger Internetportale, so zum Beispiel Dortmund und München. Dortmund.de hatte einen Schwerpunkt auf Nachrichten zum Stadtleben, während muenchen.de vor allem ein umfangreiches Branchenverzeichnis mit Firmenprofilen bot. Beide Städte unterlagen in erster Instanz; in der Berufung konnte die Stadt Dortmund obsiegen, während München erneut verlor. Die Revision wurde jeweils zugelassen, weil der Bundesgerichtshof (BGH) bislang die Voraussetzungen kommunaler Öffentlichkeitsarbeit im Internet nicht geklärt hat. Die von den Instanzgerichten angewandten Maßstäbe stammen aus einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2018, die sich noch auf gedruckte Amtsblätter mit redaktionellem Nachrichten- und Anzeigenteil bezog.

Welche Grenzen müssen Gemeinden bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit nach der aktuellen Rechtsprechung einhalten?
Beiträge, die nicht Themen der Stadtverwaltung und der Kommunalpolitik betreffen, werden weitgehend als unzulässig angesehen, vor allem dann, wenn sie „pressemäßig aufgemacht“ sind (etwa mit Bildern, Über- und Unterüberschriften, längeren Texten). Die Berichterstattung über örtliche Wirtschaft und das lokale Kultur- und Vereinsleben sei den Gemeinden durch das „Gebot der Staatsferne der Presse“ weitgehend verschlossen. In diesen Bereichen dürfe die Gemeinde allenfalls betont sachliche Informationen anbieten, aber keine „pressemäßige Berichterstattung“. Außerdem dürften Werbeanzeigen in kommunalen Publikationen umfangsmäßig nicht über die Erfüllung eines „fiskalisch motivierten Randnutzens“ hinausgehen.

Was droht bei (vermeintlichen) Verstößen gegen diese Regeln?
Presseverlage, die in der betreffenden Gemeinde Produkte anbieten, können auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage vor den Landgerichten auf Unterlassung klagen. Die Klage hat aber nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn nicht nur einzelne unzulässige Inhalte zu verzeichnen sind, sondern das Amtsblatt oder das kommunale Internetportal bei einer „wertenden Gesamtbetrachtung“ insgesamt gegen das „Gebot der Staatsferne der Presse“ verstößt. Eine wertende Gesamtbetrachtung ist bei einer bestimmten Ausgabe einer Printpublikation noch mit vertretbarem Aufwand vorzunehmen. Bei Internetportalen, deren weit verzweigte Inhalte sich über Jahre angesammelt haben, ist sie hingegen eine besondere Herausforderung. Es können zehntausende Inhalte zu bewerten sein. Im Zivilprozess muss der Kläger die Tatsachen vortragen, die seinen behaupteten Anspruch begründen. Trägt er nur zur Unzulässigkeit einzelner Beiträge vor, bezieht er sich gegebenenfalls nur auf einen sehr kleinen Teil des gesamten Inhalts eines Internetportals. So verwies das OLG Hamm darauf, ohne entsprechenden Sachvortrag des klagenden Presseverlags das (gesamte) Internetportal dortmund.de oder dessen einzelne Rubriken nicht von Amts wegen auf pressetypische Inhalte untersuchen zu müssen. Die Klage wurde in diesem Fall abgewiesen, (auch), weil der Kläger nicht ausreichend vorgetragen hatte, um eine Gesamtbetrachtung zu ermöglichen.

Die Gerichte beanstandeten beispielsweise die pressemäßige Berichterstattung in kommunalen Publikationen über den örtlichen Bundesliga-Fußballverein, Berichte über bestimmte Restaurants oder einen Bericht über eine private Segelschule. Ein besonderes Problem – neben unstrittig zeitungsähnlichen Nachrichten – ist die Werbung. Auf vielen kommunalen Websites finden sich Unternehmensprofile, häufig mit Fotos und einer werbenden Beschreibung des Angebots. Die Schaltung von Unternehmensprofilen ist oft nicht einfach eine Einnahmequelle der Kommunen, sondern Teil einer Kooperation mit dem lokalen Gewerbe zur Stärkung des Standorts, speziell der Innenstädte. Die Instanzgerichte wusste dies bislang nicht zu beeindrucken. So befand das OLG München (Urteil vom 30.09.2021, Aktenzeichen: 6 U 6754/20) über das Stadtportal muenchen.de:

„So darf etwa allgemein auf Sehenswürdigkeiten hingewiesen werden, auch wenn es sich dabei um ‚private Sehenswürdigkeiten‘ […] handelt. Ebenso darf in allgemeiner Form über alle Umstände, die die Stadt oder Gemeinde oder bestimmte Stadtteile prägen, informiert werden, wie etwa über die Stadtgeschichte, den vorherrschenden Baustil, die vorhandene Infrastruktur, angesiedelte Unternehmen, bedeutsame Veranstaltungen und ‚Events‘ oder die vorhandene Gastronomie. Hierbei haben die Kommunen jedoch vor allem das Sachlichkeits- und Neutralitätsgebot zu wahren. Dies gilt insbesondere, soweit auf private Sehenswürdigkeiten, Unternehmen, Veranstaltungen oder Gastronomiebetriebe hingewiesen wird. Hier muss sich die Gemeinde inhaltlich im Wesentlichen auf knapp gehaltene Sachinformationen beschränken und darf selbst nicht ausführlich etwa über […] ein bestimmtes Wirtschaftsunternehmen oder ein bestimmtes Restaurant oder Café berichten. Vor allem ist es vom Aufgabenbereich des Stadtmarketings oder der Tourismusförderung nicht mehr gedeckt, wenn die Kommune diesbezügliche Informationen vorhält, die vom Verkehr als eine staatliche Empfehlung wahrgenommen werden“ [Hervorhebungen durch den Verfasser].

 

Was bedeutet das für die kommunale Praxis?
Zu welchen Themen Gemeinden auf ihren Internetportalen Inhalte veröffentlichen und ob diese Inhalte längere Texte und Fotos enthalten dürfen, bleibt bis zu einem BGH-Urteil höchstrichterlich ungeklärt. Die bisherige Rechtsprechung hat ihre Gegner. Teile der juristischen Literatur wie auch die kommunale Praxis betonen das Recht der Gemeinden, über die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ zu berichten. Dazu zählten auch Vereinsleben, Kultur oder Kirchengemeinden. Diese Art der Kommunikation der Gemeinde zu örtlichen Themen stärke die Identifikation des Einzelnen und der Bevölkerung mit dem Gemeinwesen. Eine Unterrichtung der Einwohner zu lokalen Themen sei sogar Bestandteil der Daseinsvorsorge. In vielen Fällen gleiche die gemeindliche Kommunikation ein Defizit in Breite und Tiefe der Presseberichterstattung zum örtlichen Geschehen aus. Außerdem seien attraktive Internetportale auch für ein effektives Gemeindemarketing entscheidend. Meinungsneutralität und Sachlichkeit der Gemeinde sind für diese Ansicht ebenso wichtig wie für die Rechtsprechung. Aber den Gemeinden wird eine größere Bandbreite an Themen zugestanden, über die Berichte veröffentlicht werden dürfen.

Kommunen stehen für ihre Internetportale im Wesentlichen drei Ansätze zur Verfügung.
Der (unveränderte) Betrieb von Internetseiten mit Werbung und vielen redaktionellen Inhalten zur örtlichen Wirtschaft, zum Vereinsleben und zum sonstigen Ortsgeschehen schafft wegen der aktuellen Rechtsprechung ein vergleichsweise hohes Risiko der rechtlichen Angreifbarkeit. Die Beschränkung auf gemeindebezogene Inhalte und höchstens sehr knappe darüber hinausgehende Informationen bringt größere rechtliche Sicherheit, verringert aber die Attraktivität des Internetauftritts insgesamt und kann damit dessen Reichweite reduzieren. Soll kein klarer Kurs in die eine oder andere Richtung eingeschlagen werden, bietet sich als Kompromisslösung eine Analyse der Website an, die Möglichkeiten einer möglichst maßvollen Einschränkung hinsichtlich problematischer Themen und einer problematischen Art und Weise „pressemäßiger Darstellung“ prüft. Wie eine solche Einschränkung im Einzelfall aussehen könnte, kann dann auf der Grundlage einer individuellen Risikoeinschätzung entschieden werden. Kommen Sie gern auf uns zu, wenn Sie vor der Frage stehen, welchen dieser Wege Sie mit Ihrem kommunalen Internetportal gehen.

Explore #more

06.11.2025 | KPMG Law Insights

Entwaldungsverordnung – Vereinfachung statt Verschiebung?

Im September wollte die EU-Kommission die Entwaldungsverordnung EUDR noch verschieben. Am 21. Oktober 2025 hat sie einen umfassenden Vorschlag für eine Vereinfachung der EUDR veröffentlicht.…

05.11.2025 | KPMG Law Insights

Employer of Record nun doch nicht erlaubnispflichtig – Sinneswandel bei der BA

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat am 1. Oktober 2025 ihre fachlichen Weisungen aktualisiert und im Hinblick auf das sogenannte Employer-of-Record-Modell eine Kehrtwende vollzogen: Die…

03.11.2025 | KPMG Law Insights

CO₂-Differenzverträge: Teilnahme am Vorverfahren ist Voraussetzung für Förderung

Bis zum 1. Dezember 2025 können sich Unternehmen im Vorverfahren für das Programm Klimaschutzverträge um Fördermittel bemühen. Die Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie…

29.10.2025 | KPMG Law Insights

Fondsrisikobegrenzungsgesetz und Standortfördergesetz schaffen neue Spielräume für Infrastrukturfonds

Da das Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes in Höhe von 500 Milliarden Euro voraussichtlich nicht ausreichen wird, um Deutschlands Straßen, Netze und die Energiewende zu finanzieren, setzt…

29.10.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät Vorstand der Nürnberger Beteiligungs-AG beim Verkauf an Vienna Insurance Group

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft (KPMG Law) hat den Vorstand der Nürnberger Beteiligungs-AG während des gesamten öffentlichen Übernahmeprozesses durch die Vienna Insurance Group (VIG) durchgehend rechtlich…

29.10.2025 | KPMG Law Insights

BAG zum Paarvergleich: Wie Arbeitgeber mit Gehaltsunterschieden umgehen sollten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat eine weitere richtungsweisende Entscheidung zur Entgeltgleichheit gefällt. Mit Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az 8 AZR 300/24) hat es den Anspruch…

23.10.2025 | KPMG Law Insights

Was die FAQs der Bundesnetzagentur für Speicherbetreiber bedeuten

Die Bundesnetzagentur hat am 17. Oktober 2025 FAQs zur regulatorischen Behandlung von stationären Batteriespeichersystemen („BESS“) veröffentlicht. Die FAQs sind eine Orientierungshilfe für Speicherbetreiber, da der…

23.10.2025 | KPMG Law Insights

Das bedeutet der „Bau-Turbo“ für Kommunen und Bauaufsichtsbehörden

Der Bundestag hat den „Bau-Turbo“ beschlossen und Kommunen können bestimmte Bauprojekte jetzt deutlich beschleunigen. Nach dem am 9. Oktober 2025 beschlossenen Gesetz zur Beschleunigung des

22.10.2025 | In den Medien

KPMG Law Gastbeitrag in Das Investment: Private Debt für die Masse: Wie das FRBG den Fondsmarkt umkrempelt

Paradigmenwechsel am Fondsmarkt: Das neue FRBG macht Private Debt retail-fähig und schafft Bürgerbeteiligungsfonds. Welche strategischen Chancen sich jetzt für die Branche ergeben beantwortet KPMG Law…

20.10.2025 | KPMG Law Insights

Rechenzentren: Anforderungen an Notstromaggregate steigen weiter

Wenn in Rechenzentren der Strom ausfällt, hat das oft schwere Folgen: Datenverlust und Systemausfälle können Unternehmen erheblichen finanziellen Schaden zufügen. Daher sind Notstromaggregate in Datencentern…

Kontakt

Björn Zunker

Senior Associate

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 360994-5355
bzunker@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll