Ab dem 13. Dezember 2024 müssen Unternehmen die neue EU-Produktsicherheitsverordnung umsetzen, die seit dem 10. Mai 2023 in Kraft ist. Sie löst die bisherige EU-Produktsicherheitsrichtlinie aus dem Jahr 2001 und die darauf basierenden nationalen Umsetzungsgesetze ab. Die Verordnung enthält nun EU-einheitliche unmittelbar geltende Regeln für die Sicherheit von Verbraucherprodukten. Damit beschreitet sie den gleichen Weg der Harmonisierung, wie etwa auch die EU-Batterieverordnung.
Die Pflichten für Unternehmen wurden inhaltlich erweitert und konkretisiert, zum Beispiel zur Risikoanalyse und internen Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit. Außerdem berücksichtigt die Verordnung neue Technologien und Vertriebsmodelle. So werden unter anderem spezifische Pflichten von Fulfillment-Dienstleistern und Anbietern von Online-Marktplätzen geregelt. Ziel der Verordnung ist es, dass nur sichere Verbraucherprodukte in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden sollen.
Die General Product Safety Regulation (GPSR), wie die Verordnung auf Englisch heißt, gilt für alle Verbraucherprodukte, soweit es für diese keine Spezialvorschriften gibt. Ausgenommen sind ansonsten Arznei-, Lebens- und Futtermittel, lebende Tiere und Pflanzen, tierische Produkte, Pflanzenschutzmittel, Beförderungsmittel, Luftfahrzeuge und Antiquitäten.
Hersteller im Sinne der GPSR ist jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwerfen oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet. Als Hersteller gilt auch, wer ein Produkt wesentlich verändert, und sich die Änderung auch auf die Sicherheit des Produkts auswirkt. Daneben sind auch sogenannte Quasi-Hersteller erfasst, die ein Produkt unter ihrem Namen oder ihrer Handelsmarke in Verkehr bringen.
Herstellerkennzeichnung
Die bisherigen Pflichten zur Herstellerkennzeichnung von Produkten wurden erweitert. Neu ist unter anderem, dass auch eine E-Mail-Adresse oder Internetadresse angegeben werden muss.
Risikoanalyse und technische Unterlagen
Bevor sie Verbraucherprodukte in Verkehr bringen, müssen Hersteller eine interne Risikoanalyse durchführen und technische Unterlagen zum Produkt und seiner sicherheitsrelevanten wesentlichen Eigenschaften erstellen. Die technischen Unterlagen müssen zehn Jahre lang vorgehalten und aktualisiert werden.
Die Bewertungsaspekte für die Sicherheit von Produkten wurden auf die aktuellen Entwicklungen angepasst, um Cybersicherheitsmerkmale und sich entwickelnde, lernende und prädiktive Funktionen (KI) erweitert.
Kommunikationskanäle und Unterrichtungspflichten
Hersteller müssen außerdem öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle für Verbraucherbeschwerden sowie Meldung von Unfällen oder Sicherheitsproblemen einrichten. Eingehende Meldungen müssen sie untersuchen. Die Beschwerdekanäle müssen auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein.
Erlangt ein Hersteller Hinweise auf Gefahren im Zusammenhang mit seinem Produkt, hat er diesen nachzugehen und erforderliche Korrekturmaßnahmen bis hin zu Produktrückrufen zu ergreifen. Über das Safety-Business-Gateway muss er die Marktüberwachungsbehörden aller Mitgliedstaaten, in denen das Produkt vermarktet wird, unterrichten. Auch Unfälle im Zusammenhang mit dem Produkt muss der Hersteller dort melden.
Hersteller können natürliche oder juristische Personen schriftlich beauftragen, in dessen Namen bestimmte Aufgaben im Hinblick auf die Erfüllung der Pflichten des Herstellers gemäß dieser Verordnung wahrzunehmen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass für jedes von der Verordnung erfasste Produkt ein in der Union niedergelassener Wirtschaftsakteur verantwortlich sein muss. Anderenfalls darf das Produkt nicht in Verkehr gebracht werden. Ein solcher notwendiger verantwortlicher Wirtschaftsakteur kann unter anderem auch ein Bevollmächtigter sein, etwa für einen in einem Drittland ansässigen Hersteller. An ihn können künftig spezifische und in der Beauftragung festzulegende Pflichten des Herstellers zur Wahrnehmung übertragen werden. Seine gesetzlichen Mindestpflichten umfassen die Übermittlung von Informationen und Unterlagen zum Nachweis der Sicherheit des Produkts und die Zusammenarbeit bei der Risikobeseitigung auf Verlangen einer Marktüberwachungsbehörde, die Unterrichtung des Herstellers über möglicherweise gefährliche Produkte sowie die Unterrichtung der zuständigen nationalen Behörden über Maßnahmen zur Beseitigung der Risiken via Safety-Business-Gateway.
Auch das Pflichtenprogramm des Einführers wurde erweitert. Als Einführer gilt jede in der EU niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland in der Union in Verkehr bringt. Der Einführer muss gewährleisten, dass der Hersteller eine Risikoanalyse durchführt, technische Unterlagen erstellt und die Produkt- und Herstellerkennzeichnungspflichten erfüllt hat. Daneben treffen den Einführer auch eigene Kennzeichnungspflichten, die neben die Herstellerkennzeichnung treten. Handelt es sich bei dem Produkt um ein gefährliches Produkt, unterrichtet er unverzüglich den Hersteller und die Marktüberwachungsbehörden über das Safety-Business-Gateway. Bei Verdacht auf Nichtkonformität des Produkts mit der GPSR darf der Einführer es nicht in Verkehr bringen.
Er bewahrt ebenfalls die technischen Unterlagen auf und muss ggf. auch eine Risikoanalyse bereitstellen. Der Einführer überprüft auch die Kommunikationskanäle des Herstellers. Notfalls richtet er eigene ein. Beschwerden muss er eigenständig nachgehen.
Für die Händler bleibt es im Wesentlichen bei den bisherigen Pflichten: Sie dürfen nur Produkte auf dem Markt bereitstellen, wenn sie die Konformität mit der Produktsicherheitsverordnung gewährleisten können. Insbesondere müssen sie überprüfen: die Typen-, Chargen- oder Seriennummer, die Herstellerkennzeichnung und die beigefügten Sicherheitsinformationen.
Bei begründeter Annahme, dass ein Produkt nicht mit Kennzeichnungspflichten bzw. Anweisungs- oder Sicherheitsinformationspflichten konform ist oder es sich um ein gefährliches Produkt handelt, müssen Händler den Hersteller bzw. den Einführer unverzüglich unterrichten und Korrekturmaßnahmen sicherstellen. Unfälle müssen Händler ebenfalls dort melden. Auch für die Unterrichtung der Marktüberwachungsbehörden über das Safety-Business-Gateway sind sie mit verantwortlich.
Auch Anbietern von Online-Marktplätzen werden, ergänzend und konkretisierend zu den Vorgaben des Digital Services Act, eigene Pflichten im Hinblick auf die Sicherheit von Produkten auferlegt. Sie müssen zunächst eine zentrale Kontaktstelle benennen, mit der sie sich unter anderem beim Safety-Gate-Portal registrieren und über die Verbraucher:innen sie erreichen können. Meldungen zur Produktsicherheit haben sie unverzüglich zu bearbeiten. Die Marktüberwachungsbehörden können Anbieter von Online-Marktplätzen anweisen, Informationen zu gefährlichen Produkten offline zu nehmen. Online-Marktplätze müssen so gestaltet sein, dass Produktanbieter die Angaben zur Herstellerkennzeichnung dort hinterlegt werden können. Bei Produktrückrufen haben sie Mitwirkungspflichten.
Alle Wirtschaftsakteure, also Hersteller, Händler, Bevollmächtigte, Einführer und Fulfillment-Dienstleister, müssen ab dem 13. Dezember 2024 sicherstellen, dass sie über interne Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit verfügen, die es ihnen ermöglichen, die Anforderungen der GPSR zu erfüllen. Auch Anbieter von Online-Marktplätzen müssen künftig sicherstellen, dass sie interne Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit implementiert haben. Bisher gehörte die Einrichtung von präventiven Produkt-Compliance-Prozessen zu den allgemeinen Unternehmensorganisationspflichten. Nun sind die Prozesse zusätzlich spezialgesetzlich verankert. Die Konzipierung und Umsetzung angemessener Produkt-Compliance-Prozesse bzw. eines Produkt-Compliance-Management-Systems wird daher zusätzlich an Relevanz gewinnen.
Die Produktsicherheitsverordnung macht neue Vorgaben für den Rückruf von Produkten, die Gestaltung der Rückrufanzeige und den Verbraucher:innen mindestens anzubietende Abhilfemaßnahmen im Falle eines Rückrufes.
Alle Wirtschaftsakteure sind verpflichtet, Kundendaten zu ermitteln. Können nicht alle Kund:innen erreicht werden, müssen alle Wirtschaftsakteure klare und sichtbare Rückrufanzeigen bzw. Sicherheitswarnungen veröffentlichen. Sie sollen dabei alle verfügbaren Kanäle nutzen, um die größtmögliche Reichweite zu erzielen.
Für alle Wirtschaftsakteure gelten schließlich auch spezifische Vorgaben für Produktangebote, die online oder über andere Formen des Fernabsatzes erfolgen. So muss das Angebot unter anderem Angaben zum Hersteller und Kontaktmöglichkeiten, Produktidentifikationsangaben einschließlich einer Abbildung sowie etwaige Warnhinweise und Sicherheitsinformationen enthalten.
Die neuen Regeln der GPSR gelten ab dem 13. Dezember 2024 für alle ab diesem Zeitpunkt in Verkehr gebrachten Produkte. Für zuvor noch unter der bisherigen Rechtslage in Verkehr gebrachte Produkte dürfte nach nicht unumstrittener Ansicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten wohl weiterhin die alte Rechtslage gelten.
Aus Verbrauchersicht werden die neuen Regelungen dazu beitragen, weiterhin ein hohes Sicherheitsniveau bei Verbraucherprodukten zu gewährleisten. Generell wird die Position der Verbraucher:innen etwa durch erhöhte Informations- und Kennzeichnungspflichten, Beschwerdemöglichkeiten und neue Vorgaben für Abhilfemaßnahmen im Falle eines Produktsicherheitsrückrufes gestärkt.
Aus Sicht der betroffenen Wirtschaftsakteure und Anbieter von Online-Marktplätzen werden die Pflichten sowohl bezogen auf die Vormarktphase als auch die Nachmarktphase erheblich erweitert. Insbesondere die nun übergreifend für alle Wirtschaftsakteure, also Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer, Händler und Fulfillment-Dienstleister geltende Pflicht zur Einrichtung interner Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit, untermauert die Notwendigkeit eines angemessenen und systematischen Produkt Compliance Managements nachdrücklich.
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