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Symbolbild zu Governance für Bauprojekte: Großbaustelle
20.01.2025 | KPMG Law Insights

Governance für Bauprojekte – diese fünf Kriterien bestimmen den Erfolg

Immer wieder scheitern große Bauprojekte an demselben Problem. Es fehlt an einer passenden Governance. Die Reformkommission des damaligen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hat bereits im Jahr 2015 in ihrem Endbericht festgestellt:

 

„Die Bauherrenkompetenz, aber auch die Managementkompetenz in Unternehmen, genügen nicht immer den Anforderungen eines Großprojekts. Darüber hinaus mangelt es den Organisationsstrukturen bei Auftraggebern und Auftragnehmern vielfach an einer klaren Festlegung von Verantwortlichkeiten, Entscheidungskompetenzen, Entscheidungswegen und –fristen.“ 

 

Was bedeutet „Governance“?

Die DIN ISO 21500 definiert Governance als einen Rahmen, von dem eine Organisation geleitet und gelenkt wird. Im Mittelpunkt der Projektorganisation steht die Beantwortung der Frage: Wer macht was, wann und wie? Die Governance ist von grundlegender Bedeutung für eine klare Organisationsstruktur und schafft bei den Projektbeteiligten ein eindeutiges Verständnis ihrer Rollen und Verantwortlichkeiten.

Für den Erfolg eines Großprojektes sind eine eindeutige Kompetenzverteilung aber auch Flexibilität, kreative und individuelle Problemlösung sowie schnelle Entscheidungsfindung wichtig. Langsame Entscheidungsprozesse können zu Behinderungen in der Planung und Bauausführung führen und die Projektziele gefährden. Anderseits gilt es die Qualität der Entscheidungsfindung und die Dokumentation der Entscheidungsgründe hinreichend sicherzustellen.

Fünf Kriterien einer passenden Governance

Die Gestaltung der Governance ist an den konkreten Erfordernissen des jeweiligen Vorhabens auszurichten. Eine Hilfe bieten die folgenden fünf Kriterien:

  • Entlastung Geschäftsführung: Die Governance sollte die Handlungsfähigkeit der Geschäftsführung für das Kerngeschäft sichern. Zudem darf die Geschäftsführung keine Haftungsrisiken für Themen erhalten, die nicht in ihre Kernkompetenz fallen.
  • Fach- und Entscheidungskompetenzen: Die Governance sollhinreichenden technischen Sachverstand und Entscheidungsfähigkeit bei den entscheidungsbefugten Mitarbeitern des Unternehmens sicherstellen.
  • Aufgaben, Prozesse und Entscheidungswege. Die Verantwortlichkeiten sind klar zuzuordnen, Prozesse klar zu definieren und die Entscheidungswege klar zu regeln. Die Governance sollte dem Bauherrn schnelle, aber auch belastbare Entscheidungen ermöglichen, um von diesem zu verantwortende Verzögerungen im Projekt zu vermeiden.
  • Kapazitäten: Die Governance sollte den bestehenden Managementkapazitäten des Bauherrn gerecht werden. Andernfalls sollte frühzeitig die Notwendigkeit externer Unterstützung geprüft und entschieden werden.
  • Controlling und Kontrolle: Die Governance sollte ein Controlling der Projektentwicklung (Abgleich der Plan- und Istwerte, differenzierte Kosten- und Risikobetrachtungen unter Aufzeigen des notwendigen Steuerungsbedarfs) und eine Kontrolle sowie Dokumentation der wesentlichen Projektentscheidungen sicherstellen.

 

Die richtige Struktur für die Governance eines Bauprojekts

Ausgehend von diesen Kriterien ist jeweils projektspezifisch zu entscheiden, wie die Governance des Bauprojektes ausgestaltet wird. Hierbei bieten sich folgende Grundstrukturen an:

Linienstruktur für größere Bauprojekte nicht sachgerecht

In einer Linienstruktur wird das Bauprojekt organisatorisch wie ein normaler Geschäftsvorgang in der vorhandenen Organisationsstruktur abgewickelt. Das verursacht den geringsten Aufwand, da bestehende Strukturen und Prozesse genutzt werden können. Für kleinere Projekte kann das die richtige Wahl sein. Bei Großprojekten gerät die Linienstruktur allerdings sehr schnell an ihre Leistungsgrenzen und ist nicht zu empfehlen.

Ein Großteil der Unternehmen sind in einzelne Geschäftsbereiche gegliedert, welchen bestimmte Verantwortlichkeiten übertragen werden (zum Beispiel Einkauf, Recht, Vergabe, Bau, Finanzen). Die Geschäftsbereiche sind hierarchisch nur der Geschäftsführung untergeordnet. Alle Geschäftsbereiche bestehen nebeneinander in einer „Linie“ und bearbeiten jeweils die Ihnen zugeordneten Themen. Ein Großbauprojekt stellt für die meisten Unternehmen jedoch gerade keinen normalen Geschäftsvorgang dar. Die vorhandene Linienstruktur ist dafür nicht konzipiert. Die Vielzahl der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Großbauprojekt ist neben dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb schnell so groß, dass diese innerhalb der Linienorganisation nicht mehr termin- und sachgerecht erledigt werden können.

Zudem erfordern zahlreiche Entscheidungen die Einbindung anderer Geschäftsbereiche, da vielfältige Abhängigkeiten bestehen. Zwar ist es möglich, dass sich die Geschäftsbereiche untereinander berichten und koordinieren. Dieser Prozess ist jedoch auf konsensuale Entscheidungsfindung ausgelegt, arbeitsintensiv und langsam. Jeder Geschäftsbereich verfolgt hierbei seine Themen und setzt entsprechende Schwerpunkte. Die übergeordneten Projektinteressen geraten dabei leicht aus dem Fokus. In der Praxis entstehen unnötige Konflikte, die dann eine Entscheidung der Geschäftsführung erfordern und den Projektfortschritt behindern.

Projektorganisationsstruktur ermöglicht effiziente Entscheidungen

Aufgrund der oben aufgezeigten Grenzen der Linienstruktur sollte vor einem Bauprojekt die Schaffung einer darauf zugeschnittenen Projektorganisationsstruktur ins Auge gefasst werden. Dies gilt umso mehr, je umfangreicher und komplexer das Bauprojekt ist.

Die Projektorganisationsstruktur wird mit Blick auf die besonderen Anforderungen an das Bauprojekt eingerichtet. Dabei wird vom Unternehmen ein Kernteam aus fachlich kompetenten und erfahrenen Mitarbeitern aus den betroffenen Geschäftsbereichen zusammengestellt, welches in jeder Projektphase entscheidungsbefugt ist und zur Verfügung steht. Dieses Kernteam ist verantwortlich für das Projekt, vertritt die Interessen des Projektes und übernimmt insoweit die Koordination der Geschäftsbereiche bezüglich des Bauprojektes. Im Hinblick auf die oben dargestellten Entscheidungskriterien bietet diese Variante mehrere Vorteile:

  • Entlastung Geschäftsführung: Die Geschäftsführung muss sich nicht mit Einzelfragen zum Bauprojekt auseinandersetzen und kann sich auf das Kerngeschäft konzentrieren.
  • Fach- und Entscheidungskompetenzen: Die Projektorganisationsstruktur nimmt das Projekt in den Blick und verfolgt die Projektinteressen gesamtheitlich; sie kann für das Projekt bessere Lösungen finden als die Abteilungen innerhalb der Linienstruktur, deren Fokus jeweils auf der Aufgabe ihrer Abteilung liegt.
  • Aufgaben, Prozesse und Entscheidungswege: Die Projektorganisationeinheit als direkter Informationsadressat verkürzt den Wissenstransfer. Die Projektorganisationsstruktur begründet Weisungsbefugnisse des Kernteams. Hierdurch können Handlungen inhaltlich und zeitlich besser koordiniert und miteinander verzahnt werden. Die Entscheidungsfindung in der Projektorganisationsstruktur ist wesentlich schneller, da Konflikte nicht stets zur Geschäftsführung eskaliert werden müssen.
  • Kapazitäten: Bei einer Projektrealisierung über die Linienstruktur haben die fachlichen Mitarbeiter Doppelfunktionen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb und im Bauprojekt. Die Kapazitäten für das Bauprojekt müssen jeweils im Einzelfall aus den Geschäftsbereichen eingeholt werden. Das funktioniert oft nicht kurzfristig und führt zu Verzögerungen. In der Projektorganisationsstruktur können die Kapazitäten für das Projekt hingegen frühzeitig gesichert und disponiert werden.
  • Controlling und Kontrolle: Die erforderlichen Informationen für das Controlling des Projektfortschritts und für die Kontrolle wesentlicher Projektentscheidungen können in der Projektorganisationsstruktur konsolidiert und in klar definierten Prozessen an die Geschäftsführung übermittelt werden. Das erleichtert nicht nur das Controlling. Tatsächlich erlaubt die Konsolidierung der Informationen aus den verschiedenen Geschäftsbereichen über das Kernteam der Geschäftsführung regelmäßig erst, die Überwachungspflichten wahrzunehmen. Dabei kann auch ratsam sein, der Geschäftsführung externen Sachverstand in Form eines Baugutachters zur Seite zu stellen, der Entscheidungen der Projektorganisationseinheit überprüft und das Projekt laufend für die Geschäftsführung evaluiert.

Projektgesellschaft erfordert Initialaufwand für großmögliche Entlastung der Geschäftsführung

Je umfangreicher und komplexer das Projekt ist, desto eher kommt auch die Gründung einer eigenen Gesellschaft für die Umsetzung von Bauvorhaben in Betracht. Ein entsprechender Trend ist am Markt erkennbar. Beispiele sind die Baugesellschaften der Dachgesellschaft Bauvorhaben Hochschulmedizin Niedersachsen (DBHN) – die Baugesellschaft der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und die Baugesellschaft der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), die München Klinik Bau Projektgesellschaft mbH, die BVG Projekt GmbH oder die Fraport Ausbau Süd GmbH.

Eine Projektgesellschaft ist eine zeitlich befristete Organisation, die den Zweck hat, ein oder mehrere Projekte umzusetzen und dafür mit entsprechenden Entscheidungskompetenzen ausgestattet wird. Sie unterliegt meistens der Selbstbewirtschaftung und sollte mit erfahrenen Funktionsträgern von Seiten des Bauherrn, und gegebenenfalls der Finanzierer und der Nutzer besetzt sein. Die Projektgesellschaft hat die Aufgabe, Projektentscheidungen zu treffen, Verträge zu schließen sowie die Mittel zu zeichnen und zu kontrollieren. Die Gründung einer Projektgesellschaft ist mit einem Initialaufwand verbunden. Sie lohnt sich daher regelmäßig erst bei Großbauprojekten oder bei mehreren gleichartigen Projekten. Im Hinblick auf die oben dargestellten Entscheidungskriterien kann diese Variante gegenüber einer internen Projektorganisationsstruktur folgende weitere Vorteile bieten:

  • Entlastung Geschäftsführung: Die Projektgesellschaft lässt sich so gestalten, dass die Geschäftsführung der Muttergesellschaft nur punktuell einzubeziehen ist und sich ansonsten auf das Kerngeschäft konzentrieren kann. Der Entscheidungsdruck für die Geschäftsführung zum Bauprojekt wird weiter reduziert.
  • Fach- und Entscheidungskompetenzen: Die Geschäftsführung der Projektgesellschaft wird mit umfangreichen Entscheidungskompetenzen ausgestattet. Die Mitarbeiter der Projektgesellschaft können sich ausschließlich auf die Realisierung des Neubauvorhabens konzentrieren und eine hohe Fachkompetenz aufbauen.
  • Aufgaben, Prozesse und Entscheidungswege: Das Innenrecht der Projektgesellschaft kann auf die individuellen Anforderungen des Bauprojekts ausgestaltet werden. Zum Innenrecht gehören zum Beispiel der Gesellschaftsvertrag und interne Richtlinien.
  • Kapazitäten: Die Entlastung der Geschäftsführung der Muttergesellschaft ist bei Gründung einer Projektgesellschaft am größten. Die Geschäftsführung muss lediglich im Rahmen ihrer Überwachungspflichten als Gesellschafter der Projektgesellschaft aktiv werden. Operativ wird ausschließlich die Projektgesellschaft tätig.
  • Controlling und Kontrolle: Die Projektgesellschaft kann mit fachlich spezialisierten Mitarbeitern das operative Projektcontrolling übernehmen, da diese Mitarbeiter keine Aufgaben innerhalb der Linienstruktur wahrnehmen müssen.

Fazit

Eine klare und maßgeschneiderte Governance ist entscheidend für den Erfolg von Bauprojekten, insbesondere bei Großvorhaben. Sie sorgt für schnelle Entscheidungen, klare Verantwortlichkeiten und entlastet die Geschäftsführung. Während die Linienstruktur für kleinere Projekte ausreicht, bieten eine Projektorganisation oder eine Projektgesellschaft mehr Flexibilität und Kontrolle bei komplexeren Bauvorhaben. Die richtige Wahl der Governance-Struktur minimiert Risiken, beschleunigt Abläufe und steigert die Erfolgschancen erheblich.

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