Union und SPD haben sich am 9. April 2025 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Der übergeordnete Titel des Papiers lautet „Verantwortung für Deutschland“. Auf 146 Seiten stellen CSU/CDU und SPD die relevanten Themen für die nächste Legislaturperiode fest.
Gerade für das Arbeitsrecht sind vielfältige Themen vorgesehen – ein Überblick:
Die Koalitionsparteien „stehen zum gesetzlichen Mindestlohn“. Wie erwartet soll der Mindestlohn auch weiterhin von einer unabhängigen Mindestlohnkommission festgelegt werden. Diese soll sich im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. „Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar“. Union und SPD verweisen zwar auf die Mindestlohnkommission, geben aber trotzdem eine konkrete Empfehlung ab. Gerade für Unternehmen im Niedriglohnbereich wird diese Erhöhung durchaus eine Herausforderung. Es bleibt abzuwarten, ob die Erhöhung des Mindestlohns nicht dem großen Ziel Wirtschaftswachstum entgegensteht.
Union und SPD streben eine höhere Tarifbindung an und greifen dabei die Gesetzesinitiative zum Bundestariftreuegesetz auf. Nach dem Gesetzentwurf dürfen öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die tarifvertragliche Arbeitsbedingungen einhalten und ihren Beschäftigten Löhne in Höhe des üblichen Branchentarifs bezahlen. Laut Koalitionsvertrag soll das Bundestariftreuegesetz für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro gelten.
Union und SPD möchten flexiblere Arbeitszeitmodelle ermöglichen. Insbesondere soll eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit gelten, wie es die Arbeitszeitrichtlinie der EU vorsieht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen wären dadurch freier in der Aufteilung der wöchentlichen Arbeitszeit. Ruhezeiten sind allerdings nach wie vor zu beachten. Die elektronische Erfassung von Arbeitszeiten soll unbürokratisch erfolgen und dabei für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregeln vorsehen. Die Vertrauensarbeitszeit soll auch ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich sein.
Die Koalitionsparteien geben Vorteile auch in Form steuerlicher Anreize weiter. Zum einen sollen Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei sein, wenn sie über die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen. Der Maßstab für Vollzeitarbeit bei tariflich festgelegter Wochenarbeitszeit liegt dabei bei mindestens 34 Stunden und bei nicht tariflich festgelegten Arbeitszeiten bei 40 Stunden. Zum anderen dürfen Teilzeitbeschäftigte mit einer steuerlich begünstigten Prämie zu einer Ausweitung der Arbeitszeit gelockt werden. Außerdem sollen Beschäftigte auch nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters Anreize zur Arbeit haben. Wer dann freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei erhalten. Die Weiterarbeit beim selben Arbeitgeber soll dabei auch befristet möglich sein; das Vorbeschäftigungsverbot im Rahmen der sachgrundlosen Befristung wird dafür aufgehoben werden. Schließlich soll die Mitgliedschaft in Gewerkschaften durch steuerliche Anreize für Mitglieder attraktiver gemacht werden.
Für mehr Fachkräfte sollen auch erleichternde Maßnahmen bei der Einwanderungspolitik sorgen. So soll die Einwanderung ausländischer Fachkräfte durch den Abbau von Bürokratie und die Beschleunigung der Digitalisierung erleichtert werden. Berufsqualifikationen aus dem Ausland sollen schneller anerkannt werden können. Hierfür soll eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung – „Work-and-stay-Agentur“ – eingerichtet werden.
Die bei einigen Dienstreisen und Entsendungen erforderliche Registrierung nach der EU-Entsenderichtlinie soll durch die Reform der eDeclaration technisch erleichtert und mit der A1-Bescheinigung gebündelt werden. Beide Maßnahmen würden den Verwaltungsaufwand bei Unter-nehmen erheblich reduzieren und werden von den jeweiligen Global-Mobility-Verantwortlichen sicher begrüßt.
Bereits unter der letzten Regierung wurde der Gesetzesentwurf im Rahmen der Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie sehnsüchtig erwartet. Ziel der Richtlinie ist die Bekämpfung der Lohndiskriminierung und eines etwaigen geschlechtsspezifischen Lohngefälles. Diese Ziel verfolgen auch die Koalitionsparteien, nämlich „gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer bis 2030″. Eine entsprechende Kommission soll nun Vorschläge zur Umsetzung bis Ende 2025 vorlegen. Dies wird auch höchste Zeit, da die Richtlinie bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Unternehmen haben dann nicht mehr viel Zeit zur Vorbereitung und sollten sich mit den Hauptpunkten der Richtlinie jetzt schon auseinandersetzen.
Laut den Koalitionsparteien sind Benachteiligungen und Diskriminierungen Gift für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Daher soll der Diskriminierungsschutz gestärkt und verbessert werden.
Die Koalitionspartner möchten auch in der Arbeitswelt die Digitalisierung vorantreiben. Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen sollen als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten ermöglicht werden. Auch die Option, digitale Betriebsratswahlen durchzuführen, soll im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden. Gewerkschaften sollen zukünftig einen digitalen Zugang erhalten, der ihren analogen Rechten entspricht.
CSU/CDU und SPD haben sich außerdem auf einige Maßnahmen zur Entbürokratisierung geeinigt. Ein Beispiel ist der Abbau von Schriftformerfordernissen, zum Beispiel bei Befristungen. Die Koalitionäre möchten auch den Arbeitsschutz verbessern, insbesondere für besonders belastete Berufsgruppen wie Berufskraftfahrer, und die Prävention psychischer Erkrankungen stärken. Die Zahl der gesetzlichen Betriebsbeauftragten soll ferner reduziert werden. Die betriebliche Altersversorgung (bAV) soll attraktiver werden, auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und bei Geringverdienern. Dafür soll die bAV vereinfacht und entbürokratisiert werden. Außerdem möchten die Koalitionspartner die Portabilität der bAV bei einem Arbeitgeberwechsel erhöhen.
Beide Koalitionsparteien konnten im Rahmen der Verhandlungen Siege für sich verbuchen und jeweils wichtige Themen in den Koalitionsvertrag verankern. Ziel sollte jetzt eine schnelle Regierungsbildung sein, damit die vorgestellten Themen auch zeitnah umgesetzt werden können.
Partner
Friedenstraße 10
81671 München
Tel.: +49 89 5997606 1200
kbruegger@kpmg-law.com
© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.
KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.