Kritische Infrastruktur und Investitionskontrolle – Vorsicht bei Unternehmenstransaktionen
Wer Anteile an einem Unternehmen kauft oder verkauft, das eine kritische Infrastruktur betreibt, sollte vorsichtig sein. Denn vor dem Erwerb muss ggf. ein Investitionskontrollverfahren durchgeführt werden. Geschieht das nicht, drohen Bußgelder und Freiheitsstrafen.
Hintergrund ist: Jahrzehntelang ist die Weltwirtschaft zusammengewachsen. Seit einigen Jahren zeichnet sich jedoch ein Trend ab, den man Decoupling nennt. Weltmächte beginnen, sich voneinander abzuschotten, wie beispielsweise die USA und China. Spätestens seit Beginn des Krieges in der Ukraine wächst in Deutschland die Sorge, dass wichtige Infrastruktur nicht mehr zur Verfügung steht.
Um die Bevölkerung vor einem Ausfall dieser sog. kritischen Infrastruktur zu schützen, hat die Bundesregierung Vorkehrungen getroffen. Eine davon ist, dass die Daseinsvorsorge innerhalb der EU verbleiben soll.
Für unionsfremde Unternehmen bedeutet das, dass sie nicht ohne Weiteres Unternehmensanteile an einem Betreiber von Anlagen kritischer Infrastrukturen kaufen können. Möchte ein Käufer mit Sitz außerhalb der EU (bzw. außerhalb des EFTA-Raums) mindestens 10 % der Stimmrechte an einem solchen Unternehmen erwerben, greift zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die sogenannte Investitionskontrolle. Das bedeutet, dass der Kauf der Anteile vorab dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gemeldet werden muss. Das BMWK prüft die geplante Beteiligung und gibt sie (ggf. unter Auflagen) frei oder untersagt sie.
Wie viele Unternehmen unter die kritische Infrastruktur fallen, wird oft unterschätzt
Oft wird unterschätzt, wie viele Unternehmenserwerbe mittlerweile unter die Pflicht zur Meldung an das BMWK fallen. Das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) definiert kritische Infrastrukturen so:
Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Einrichtungen, Anlagen oder Teile davon, die den Sektoren
angehören und von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil durch ihren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden.
Ab einem festgelegten Schwellenwert gelten Anlagen als kritisch
Nicht für alle Unternehmen der genannten Sektoren greift die Meldepflicht. Erst ab bestimmten Schwellenwerten ist dies der Fall. Für alle Sektoren gilt grundsätzlich: Die Anlage muss mindestens eine halbe Million Menschen versorgen können, damit sie als kritisch bezeichnet werden kann. Wann dies jeweils angenommen wird, legt die Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen (BSI-KritisV) für jeden Sektor individuell fest. Ein Lebensmittelhersteller gehört aktuell beispielsweise zur kritischen Infrastruktur, wenn er 434.500 Tonnen Lebensmittel oder 350 Millionen Liter Getränke herstellt. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln liegt die Schwelle bei 4,65 Millionen in Verkehr gebrachter Packungen pro Jahr. Ein normaler Stromerzeuger gilt als kritisch, wenn er 104 Megawatt Strom produziert. Bei bestimmten Energielieferanten ist die Schwelle noch niedriger oder gar nicht vorhanden.
Wichtig: Diese Schwellenwerte werden immer wieder angepasst. Erst Anfang 2022 wurden die Schwellen in einigen Sektoren deutlich abgesenkt.
Vorsicht auch in anderen Branchen und bei Restrukturierungen
Auch wenn der Käufer auf den ersten Blick einem EU-Mitgliedsstaat angehört oder das Zielunternehmen keine kritische Infrastruktur betreibt, ist eine genaue Prüfung geboten. Denn eine Reihe weiterer Transaktionen können nach der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) der Bundesregierung ebenfalls meldepflichtig sein. Hierzu gehören folgende Konstellationen:
Bei Verstößen drohen Bußgelder und Freiheitsstrafen
Wird die Meldepflicht übersehen und eine Transaktion vollzogen, kann dies erhebliche Sanktionen nach sich ziehen. Dazu gehören insbesondere die Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Vertrags und dessen Vollzugs, hohe Bußgelder und sogar Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.
Was sollten Unternehmen tun?
Für Unternehmen ist es nicht immer leicht, festzustellen, ob eine Transaktion gemeldet werden muss. Fehler und damit auch Sanktionen lauern an vielen Stellen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Voraussetzungen für die Meldepflicht durchaus kurzfristig verändert und die Schwellenwerte für die Investitionskontrolle weiter abgesenkt werden können, wie dies in der jüngsten Vergangenheit schon geschehen ist.
Insbesondere Unternehmen aus einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat sind daher gut beraten, wenn sie jeden Beteiligungserwerb vorab anwaltlich prüfen lassen.
Für die Investitionsprüfung sollte ausreichend Zeit eingeplant werden. In der Regel dauert das Verfahren beim BMWK zwei Monate. In Einzelfällen kann es sich aber auch bis zu acht Monaten hinziehen.
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