Mit der Green Claims Directive wird die EU umfangreiche Regelungen zu den Voraussetzungen zulässiger Umweltaussagen einführen. Das Ziel ist, Greenwashing zu verhindern, damit Verbraucher:innen künftig Informationen über die Umweltauswirkungen von Produkten vertrauen können. Damit soll erreicht werden, dass Verbraucher:innen in der EU künftig bewusst mehr nachhaltige Produkte wählen und so aktiv zum Umweltschutz beitragen. Das EU-Parlament hat im März 2024 den Richtlinienentwurf beschlossen, der nun in die Trilog-Phase eintritt. Voraussichtlich wird die Green Claims Directive im Jahr 2027 in Kraft treten.
Um umweltbewusste Menschen anzusprechen, kennzeichnen Hersteller ihre Produkte als „nachhaltig“, „recyclebar“ oder „klimaneutral“ und werben mit Aussagen wie „Verpackung aus 30 Prozent recyceltem Kunststoff“ oder „Halbierung der mit diesem Produkt verbundenen CO2-Emissionen im Vergleich zu 2020.“ Belegen mussten die Unternehmen solche Umweltaussagen bisher nicht.
In einer Studie aus dem Jahr 2020 hat die EU festgestellt, dass ein Großteil der umweltbezogenen Aussagen vage, irreführend oder haltlos ist:
Diesen Zustand möchte die EU-Kommission ändern, um für Verbraucher:innen die Sicherheit und Transparenz zu schaffen, die notwendig ist, um sich gezielter nachhaltigen Produkten zuzuwenden.
Nach dem Entwurf der Green-Claims-Richtlinie müssen Unternehmen freiwillige Umweltaussagen gegenüber Verbraucher:innen belegen. Der Entwurf gibt klare Kriterien dafür vor, wie Unternehmen ihre Umweltangaben und -kennzeichnungen nachweisen müssen. Umweltaussagen müssen zudem vor der Veröffentlichung von einer unabhängigen und akkreditierten Prüfstelle geprüft werden. Außerdem enthält der Entwurf der Richtlinie Regeln zu Umweltzeichen, um sicherzustellen, dass sie zuverlässig sind.
Der Entwurf der Green Claims Directive regelt die Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen und Verbraucher:innen, also den B2C-Verkehr. Grundsätzlich soll sie für alle in der EU tätigen Unternehmen gelten. Auch kleine und mittlere Unternehmen werden vom Entwurf der Green Claims Directive erfasst. Für sie sind aber zum Teil Ausnahmen oder Erleichterungen vorgesehen.
Der Richtlinien-Entwurf sieht vor, dass Unternehmen freiwillige Umweltaussagen gegenüber Verbraucher:innen auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen müssen. Darunter fallen Aussagen über Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen selbst, die positive Umweltauswirkungen behaupten und die derzeit nicht durch andere EU-Vorschriften erfasst sind.
Neu mit der Richtlinie eingeführt werden akkreditierte, verpflichtende Prüfstellen, die Umweltaussagen und Umweltzeichen vorab unabhängig zertifizieren, bevor Unternehmen sie in der Kommunikation mit Kund:innen verwenden dürfen. Werden die Anforderungen erfüllt, stellt die Prüfstelle ein EU-weit anerkanntes Konformitätszertifikat aus.
Den Vorschlag der Richtlinie hatte die EU-Kommission bereits im März 2023 vorgelegt. Rund ein Jahr später hat das EU-Parlament den Entwurf in erster Lesung beschlossen; der Rat hat noch nicht zugestimmt, aber im Juni 2024 seine allgemeine Ausrichtung zum Richtlinienvorschlag festgelegt. Im Januar 2025 haben die Trilogverhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament begonnen. Wird die Richtlinie im Jahr 2025 verabschiedet, gilt sie voraussichtlich 2027 verbindlich.
Bei Zuwiderhandlung sieht der Richtlinien-Entwurf Bußgelder vor. Genaueres werden die Mitgliedsstaaten festlegen müssen. Für die Art und Höhe der Sanktionen kommt es auf die Art und Schwere des Verstoßes an sowie darauf, ob es sich um einen vorsätzlichen oder wiederholten Verstoß handelt. Auch der wirtschaftliche Nutzen für das Unternehmen kann herangezogen werden. In jedem Fall drohen den Unternehmen Reputationsschäden, da die Verfahren regelmäßig durch die Presse gehen. Verbraucher:innen, Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzorganisationen sowie andere Unternehmen können unerlaubte Umweltaussagen bei der zuständigen Behörde melden.
Umweltwerbung ist auch in der EmpCo-Richtlinie (Empowering consumers for the green transition) geregelt, der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen. Die EmpCo-Richtlinie hat die EU ebenfalls im Rahmen des Green Deals erlassen. Sie ändert die UGP-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und wurde am 6. März 2024 veröffentlicht. Die Mitgliedsstaaten müssen die erforderlichen Maßnahmen bis um 27. September 2026 umsetzen. In Deutschland werden die neuen Regeln im UWG umgesetzt. Die EmpCo-Richtlinie verbietet bestimmte Umweltwerbung per se. Zum Beispiel dürfen Unternehmen generell nicht mit Klimaneutralität werben, wenn die Klimaneutralität nur auf Kompensationsmaßnahmen basiert. Die Green-Claims-Richtlinie ist lex specialis gegenüber der EmpCo-Richtlinie.
Auch schon vor Verabschiedung und Umsetzung der Green Claims Directive sollten Unternehmen auf irreführende Werbeaussagen verzichten. Der Bundesgerichtshof (BGH) legt bei umweltbezogener Werbung strenge Maßstäbe an. Mit Urteil vom 27. Juni 2024 (Az.: I ZR 98/23) entschied er: Werbung ist irreführend, wenn nicht erläutert wird, ob die beworbene Klimaneutralität durch tatsächliche CO2-Einsparungen oder durch Kompensation erreicht wird.
Aus Sorge vor Sanktionen, finanziellem Schaden und Reputationsverlusten tendieren Unternehmen dazu, die Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen einzustellen. Sie schweigen schlicht über die Maßnahmen, die sie im Sinne der Nachhaltigkeit ergreifen. Dieses Verschweigen von Maßnahmen zur Förderung des Umweltschutzes wird als „Green Hushing“ bezeichnet. Studien zeigen aber, dass Nachhaltigkeitsmaßnahmen den Unternehmenswert und den Markenwert steigern. Wenn Unternehmen nicht mehr über Nachhaltigkeitsmaßnahmen sprechen, verzichten sie somit auf diese Wertsteigerungsmöglichkeit.
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