Bereits seit über zwei Jahren ist eine Reform der Grunderwerbsteuer im Bereich der sog. „Share Deals“ in der politischen Diskussion. Begründet wird die Notwendigkeit einer Reform im Wesentlichen damit, dass Großinvestoren bei Grundstücksgeschäften die Grunderwerbsteuer durch einen Share Deal vermeiden könnten, während eine Privatperson regelmäßig im Rahmen eines „Asset Deals“ diese Möglichkeit nicht hätte. Nunmehr haben sich die Länderfinanzminister auf Grundlage des Abschlussberichts einer eigens dafür eingerichteten Arbeitsgruppe der Finanzministerkonferenz auf Eckpunkte zur Reform von „Share Deals“ geeinigt (vgl. Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 21.06.2018).
Laut Pressemitteilung haben sich die Länderfinanzminister insbesondere auf folgende Maßnahmen mehrheitlich verständigt:
Die nachfolgend dargestellten Eckpunkte des Abschlussberichts basieren auf der o.g. Pressemitteilung. Der Abschlussbericht selbst wurde bislang noch nicht veröffentlicht.
1. Wesentliche Eckpunkte des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe
Absenkung der Beteiligungsgrenze von 95 % auf 90 %
Für Share Deals mit Grundstücksbezug enthält das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) mehrere Spezialvorschriften (sog. Fiktionstatbestände). In diesen wird die unmittelbare bzw. mittelbare Übertragung von Anteilen an einer Grundstücksgesellschaft der Übertragung eines Grundstücks gleichgestellt (§ 1 Abs. 2a, § 1 Abs. 3, § 1 Abs. 3a GrEStG). Wesentliches Merkmal dieser Fiktionstatbestände ist die Beteiligungsgrenze von bisher mindestens 95 %. Für Immo-KapG liegt danach immer dann ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang vor, wenn mindestens 95 % der Anteile in einer Hand vereinigt werden bzw. die bereits vereinigten Anteile, also 95 % oder mehr der Anteile, in einem Zug auf einen Erwerber übertragen werden (§ 1 Abs. 3, § 1 Abs. 3a GrEStG). Aktuell kann daher im Fall eines Share Deals die Grunderwerbsteuer bei der Übertragung von Anteilen an einer Immo-KapG vermieden werden, wenn sich der Hauptinvestor mit weniger als 95 % unmittelbar an der Grundstücksgesellschaft beteiligt und die weiteren Anteile von einem Co-Investor übernommen werden.
Laut Vorschlag der Arbeitsgruppe soll die Beteiligungsgrenze von 95 % bei sämtlichen Fiktionstatbeständen auf 90 % herabgesetzt werden. Damit müsste zukünftig ein Hauptinvestor seine unmittelbare Beteiligung an einer der Immo-KapG auf unter 90 % beschränken, damit der Erwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt.
Ausweitung der Spezialvorschrift für Immo-PersG auf Immo-KapG
Nach bisheriger Rechtslage findet nur für Immo-PersG der besondere Fiktionstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG Anwendung. Nach dieser Vorschrift ist es, verkürzt gesagt, ausreichend, dass 95 % der Anteile an einer Immo-PersG innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter unmittelbar bzw. mittelbar übergehen (zeitraumbezogener Tatbestand).
Beispiel: A ist alleiniger Gesellschafter einer Immo-PersG. In 01 erwirbt X 94,9 % von A. In 03 verkauft A seinen restlichen Anteil von 5,1 % auf Y.
Abwandlung: Wie Ausgangsfall, jedoch erwirbt Y den restlichen Anteil von 5,1% erst nach Ablauf von fünf Jahren.
Im Ausgangsfall wird durch den Erwerb des Y in 03 die Beteiligungsgrenze von 95 % innerhalb von fünf Jahren überschritten und folglich ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang ausgelöst. In der Abwandlung ist der Vorgang nicht grunderwerbsteuerbar. Darüber hinaus ist bisher nach Ablauf von fünf Jahren eine Befreiung von 94,9 % der Grunderwerbsteuer möglich (§ 6 Abs. 2, Abs. 4 GrEStG), wenn X nach Ablauf von fünf Jahren auch die restlichen 5,1 % erwirbt.
Die zeitraumbezogene Betrachtung der Vorschrift zwingt Unternehmen bereits heute bei Beteiligungen an Immo-PersG zu kostenintensiven und aufwendigen Kontrollmaßnahmen, um nicht ungewollt eine schädliche Anteilsübertragung von insgesamt 95 % oder mehr innerhalb von fünf Jahren auszulösen. Bei börsennotierten Unternehmen, die zu 95 % oder mehr an Immo-PersG beteiligt sind, ist dies nur mittels sog. „Ankeraktionären“, also langfristig beteiligten Investoren, möglich, die mehr als 5 % der Aktien halten.
Laut Vorschlag der Arbeitsgruppe soll neben der generellen Herabsetzung der Beteiligungsgrenze auf 90 % eine entsprechende (zeitraumbezogene) Spezialvorschrift auch für Immo-KapG eingeführt werden. Insofern würde bei einer Immo-KapG ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang bereits dann vorliegen, wenn z. B. drei neue Gesellschafter zeitgleich je 30 % an einer Immo-KapG erwerben. Mit anderen Worten: Bei einem kompletten Erwerb durch eine Akquisitionsstruktur mit zwei neuen Investoren (derzeit: 94,9% / 5,1%) könnte zukünftig nicht mehr die Entstehung von Grunderwerbsteuer ausgeschlossen werden.
Die Anwendung von Befreiungsvorschriften (§§ 3 – 7 GrEStG) könnte dem Vernehmen nach für die geplante Spezialvorschrift bei Immo-KapG ausgeschlossen werden.
Dementsprechend müssten also auch bei Immo-KapG vergleichbare Kontrollmaßnahmen unter Beachtung der neuen Beteiligungsgrenze von 90 % ergriffen werden. Bedenkt man, dass die Fiktionstatbestände auch bei mittelbaren Anteilseignerwechseln ausgelöst werden können, kann dies eine durchaus erhebliche Belastung bzw. Herausforderung für Unternehmen darstellen. Dies gilt insbesondere für börsennotierte Aktiengesellschaften, die selbst Grundstücke halten bzw. zu 90 % oder mehr an grundstückbesitzenden Gesellschaften (Immo-PersG bzw. Immo KapG) beteiligt sind.
Steuerschuldner sollte, in entsprechender Anwendung der derzeitigen Rechtslage bei Immo-PersG, die Immo-KapG sein. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Grunderwerbsteuer – wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG – mit dem „Closing“ (Abtretung/Übertragung der Gesellschaftsanteile) entsteht. Dies stellt eine ganz erhebliche Änderung dar, da bisher bei anstehenden Share Deals im Zusammenhang mit Immo-KapG auf das „Signing“ (Abschluss des Anteilskaufvertrags) abgestellt wurde.
Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn Jahre
Die bereits geltende Spezialvorschrift für Immo-PersG enthält eine Frist von fünf Jahren. Daneben existieren besondere Befreiungsvorschriften für Immo-PersG (§§ 5, 6 GrEStG). Diese ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen u. a. die Befreiung von Grundstücksübertragungen zwischen einer Immo-PersG und ihrem Gesellschafter. Auch diese Befreiungsvorschriften setzen Vor- und Nachbehaltensfristen von fünf Jahren voraus. Wesentlicher Gedanke dieser Frist von fünf Jahren ist, steuersparenden Gestaltungen entgegenzuwirken.
Laut Vorschlag der Arbeitsgruppe sollen sämtliche Fristen im Grunderwerbsteuergesetz auf mindestens zehn Jahre verlängert werden (dem Vernehmen nach ggf. bei den Befreiungsvorschriften für Immo-PersG auch auf fünfzehn Jahre). Auch die vorgeschlagene neue Spezialvorschrift für Immo-KapG soll eine Frist von zehn Jahren enthalten. Durch die Verlängerung der Frist auf zehn Jahre werden mögliche Gestaltungsoptionen zur Reduzierung bzw. Vermeidung von Grunderwerbsteuer bei Share Deals erschwert. Die Verlängerung der Fristen auf zehn bzw. fünfzehn Jahre führt zu einer weiteren Einschränkung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit, da die Unternehmen innerhalb der Frist an die getroffenen Dispositionen gebunden sind.
2. Weitere Maßnahmen
Dem Vernehmen nach enthalten die Vorschläge der Arbeitsgruppe darüber hinaus weitere Maßnahmen, deren Umsetzung näher geprüft werden soll:
3. Ausblick
Die von der Finanzministerkonferenz mehrheitlich beschlossenen Maßnahmen stellen zunächst nur Vorschläge für mögliche Gesetzesänderungen dar. Die Länderfinanzminister haben die Steuerabteilungsleiter des Bundes- und der Länderfinanzministerien gebeten, für die beschlossenen Vorschläge kurzfristig Gesetzestexte zu formulieren. Das Bundesfinanzministerium solle diese dann in ein Gesetzgebungsverfahren einbringen.
Auf Basis der beschlossenen Maßnahmen ist davon auszugehen, dass diese zu erheblichen Mehrbelastungen bei Share Deals führen werden. Zwar mag die Herabsetzung der Beteiligungsgrenze auf 90 % und damit das Erfordernis eines „stärkeren“ Co-Investors von z. B. 10,1 % für Investoren noch hinnehmbar sein; die Ausdehnung der Spezialvorschriften für Immo-PersG auf Immo-KapG verbunden mit der Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn Jahren stellt dagegen eine erhebliche Einschränkung für Neu-Investoren und zugleich eine erhebliche Belastung für bestehende Immobilien-Portfolios dar. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass es in der Zukunft zu einer weiteren Verschärfung für Share Deals kommen könnte. So war im Vorfeld etwa eine Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze auf 75 % in der Diskussion.
Völlig offen ist derzeit, wie die zeitlichen Anwendungsregelungen zu den geplanten Änderungsvorschlägen ausgestaltet werden und wie dem Vertrauensschutz Rechnung getragen wird. Zumindest für bestehende Strukturen bzw. Erwerbstrukturen, die vor der Zuleitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung an den Bundestag bzw. Bundesrat wirksam abgeschlossen werden („Signing und Closing“), sollte Vertrauensschutz gewährt werden. Fraglich ist jedoch, ob auch Vertrauensschutz für Strukturen mit Put-/Call-Optionen gewährt wird, die auf den Verkauf bzw. den Erwerb des Anteils des Co-Investors gerichtet sind.
Generell kann nicht ausgeschlossen werden, dass die geplanten Änderungen rückwirkende steuerliche Effekte auf Transaktionen in der Vergangenheit haben. Gegen eine solche Rückwirkung bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, die im Sinne des Steuerpflichtigen im Gesetzgebungsverfahren gelöst werden sollten.
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