Suche
Contact
04.02.2019 | KPMG Law Insights

Steuerhinterziehung und Hinterziehungszinsen trotz Güterstandsschaukel?

Steuerhinterziehung und Hinterziehungszinsen trotz Güterstandsschaukel?

Nicht selten verkennen Ehegatten, dass Schenkungen untereinander schenkungsteuerpflichtig sein können. Nicht auf den ersten Blick erkennbar ist beispielsweise die mögliche Schenkungsteuerpflicht von Einzahlungen auf ein Gemeinschaftskonto, der Übernahme von Darlehens- oder Versicherungsraten oder der Zahlung von Steuern durch einen der Ehegatten. In vielen Fällen sind Schenkungen allerdings aufgrund des persönlichen Freibetrags (500.000 Euro für alle Schenkungen innerhalb von zehn Jahren) oder der Steuerbefreiungen (z.B. für ein Familienheim) steuerfrei.
Zeigen die Ehegatten eine steuerpflichtige Schenkung gegenüber dem Finanzamt nicht innerhalb von drei Monaten an, droht bei Entdeckung eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung. Dann müssen zusätzlich zur Schenkungsteuer auch Hinterziehungszinsen gezahlt werden.
Eine Flucht in die steuerliche Verjährung durch bloßes Abwarten ist kaum möglich, da die Festsetzungsverjährung erst dann zu laufen beginnt, wenn das Finanzamt von der Schenkung erfahren hat oder der Schenker gestorben ist. Bei einem Zinssatz von 6 % pro Jahr können die Hinterziehungszinsen einen erheblichen Betrag erreichen und die geschuldete Schenkungsteuer sogar übersteigen.

Güterstandsschaukel
Eine Möglichkeit, „missglückte“, da steuerpflichtige, Schenkungen zu „reparieren“, bietet die sog. Güterstandsschaukel, die grundsätzlich wie folgt gestaltet ist: Das Ehepaar hebt per Ehevertrag die Zugewinngemeinschaft auf. Dadurch erhält der Ehegatte mit dem geringeren Vermögenszuwachs einen Anspruch gegen den anderen Ehegatten auf Ausgleich des Zugewinns. Dieser Ausgleichsanspruch ist nicht steuerbar. Alle erfolgten Zuwendungen an den Ehegatten mit dem geringeren Vermögenszuwachs können auf diesen Ausgleichsanspruch angerechnet werden und sind damit ebenfalls nicht steuerbar. Die Ehegatten können sodann wieder in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft wechseln („Schaukel“).
Unstreitig erlischt rückwirkend der Schenkungsteueranspruch. Gerichtlich nicht entschieden war bislang, ob mit dem rückwirkenden Wegfall der Schenkungsteuer auch die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung und die Pflicht zur Zahlung von Hinterziehungszinsen entfallen.

Das Urteil des FG Hessen v. 7.5.2018, 10 K 477/17
Beides lehnt das FG Hessen in seinem Urteil vom 7.5.2018 ab: Zwar erlischt die Schenkungsteuer im Rahmen des Zugewinnausgleichs mit Wirkung für die Vergangenheit, das beseitige jedoch weder die verwirklichte Steuerhinterziehung noch die entstandenen Hinterziehungszinsen.
Dem Urteil lag – verkürzt – folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2000 hat der Ehemann der Ehefrau eine Bargeldsumme von 1.800.000 Euro geschenkt. Die Schenkung wurde dem Finanzamt nicht angezeigt. Im Jahr 2014 hoben die Eheleute den Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und rechneten die Schenkung auf die Ausgleichsforderung an. Nach Aufdeckung des Sachverhalts aus dem Jahr 2000 im Jahr 2015 setzte das Finanzamt Hinterziehungszinsen für 147 Monate in Höhe von 213.334 Euro fest (die erloschene Schenkungsteuer hätte 290.250 Euro betragen).

Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen
Nach Auffassung des FG Hessen haben die Ehegatten mit bedingtem Vorsatz eine Steuerhinterziehung
durch Unterlassen begangen: Da sie die Schenkung nicht angezeigt hätten, sei die Schenkungsteuer nicht rechtzeitig festgesetzt worden. Die Steuerhinterziehung sei bereits in dem Zeitpunkt vollendet gewesen, in dem das Finanzamt einen hypothetischen Schenkungsteuerbescheid bekannt gegeben hätte, wenn die Zuwendung rechtzeitig angezeigt worden wäre. Das Erlöschen des Schenkungsteueranspruchs mit Wirkung für die Vergangenheit lasse die Steuerhinterziehung nicht entfallen.
Die Begründung des Gerichts überzeugt nicht: Entscheidend für den Eintritt des Verkürzungserfolgs ist, ob die materiell geschuldete Steuer rechtzeitig fest-gesetzt worden ist oder nicht. Aufgrund der Rückwirkung hat hier ein materieller Steueranspruch tatsächlich nie bestanden. Auch nach der Rechtsprechung des BGH, der als Strafgericht – anders als das FG – letztlich für die strafrechtliche Beurteilung zuständig ist, kann eine Änderung des Sachverhalts mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit den eingetretenen Verkürzungserfolg beseitigen.

Hinterziehungszinsen
Im Ausgangspunkt geht das FG Hessen zutreffend davon aus, dass Hinterziehungszinsen von dem materiellen Steueranspruch abhängen, weil sie dem Zweck dienen, den Zinsvorteil beim Begünstigten der Steuerhinterziehung abzuschöpfen. Diese Akzessorietät gilt allerdings nicht uneingeschränkt, was das FG an Beispielen demonstriert. Diese Beispiele belegen, dass der Anspruch auf Hinterziehungszinsen nicht von der Festsetzung der Steuer durch die Behörde abhängt. Warum Nachzahlungszinsen erhoben werden können, obwohl der materielle Steueranspruch tatsächlich nicht besteht, bleibt in der Entscheidung unbeantwortet.

Empfehlungen für die Praxis
Die Revision gegen die Entscheidung des FG Hessen wurde zugelassen, aber nicht eingelegt. Es bleibt offen, ob andere Gerichte den Ausführungen des FG Hessen folgen werden.
Im Rahmen der Bereinigung „missglückter“ Schenkungen kann die Güterschaukel ein nach wie vor wirksames und zulässiges Mittel sein, erfolgte Schenkungen zwischen Ehegatten nachträglich (auch nach Entdeckung durch das Finanzamt) zumindest schenkungsteuerfrei zu stellen.
Sind die erfolgten Schenkungen bisher nicht ordnungsgemäß angezeigt worden, besteht allerdings das Risiko der Strafverfolgung und der Festsetzung von Hinterziehungszinsen.
Das Risiko der Strafverfolgung von strafrechtlich noch nicht verjährten Sachverhalten kann von vornherein durch eine Offenlegung gegenüber der Finanzbehörde beseitigt werden. Eine ggf. bestehende Anzeigepflicht der Notare ist zu beachten im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit einer Güterstandsschaukel und den Zeitpunkt der Offenlegung.
Gegen Hinterziehungszinsbescheide sollte im Zweifel Einspruch eingelegt werden. Die Beweislast für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung trägt die Finanzbehörde. In der Regel gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ehegatten (bedingt) vorsätzlich oder leichtfertig Schenkungsteuer verkürzt haben: weil bereits die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig ist, oder weil die Ehegatten – wie 89 % der Bundesbürger lt. einer Studie im Auftrag eines Bundesministeriums – davon ausgehen, dass alles, was während der Ehe erworben wird, beiden Partnern gleichermaßen gehört. Zudem sehen wir entgegen der vorliegenden Entscheidung des FG im Hinblick auf § 29 Abs. 1 ErbStG gute Argumente für den rückwirkenden Wegfall von Strafbarkeit und Hinterziehungszinsen. Strafrechtlich kann der rückwirkende Wegfall des Steueranspruchs zumindest als objektiver Strafaufhebungsgrund oder aber als gewichtiges Zumessungskriterium einer Sanktion entgegenstehen.
Die Experten unserer Praxisgruppe beraten Sie gerne.

Explore #more

14.05.2025 | KPMG Law Insights

BGH zu Kundenanlagen: Beschluss ordnet richtlinienkonforme Anwendung an

Mit Beschluss vom 13. Mai 2025 hat der BGH die Versorgunginfrastruktur im konkreten Fall einer Wohnanlage in Zwickau als Verteilernetz eingestuft und damit die Beschwerde…

13.05.2025 | In den Medien

KPMG Law Experte im Spiegel zur aktuellen Energiepolitik

In einem aktuellen Beitrag im Spiegel zur Energiepolitik wird Dirk-Henning Meier, Senior Manager im Bereich Energierecht bei KPMG Law, zitiert. Sie finden den Beitrag…

13.05.2025 | In den Medien, Karriere

azur Karriere Magazin – Alles KI oder was?

Künstliche Intelligenz ist längst in Kanzleien und Rechtsabteilungen angekommen. Doch der Umgang mit ihr will gelernt sein. Viele Arbeitgeber erweitern daher ihre Legal-Tech-Ausbildung um KI-Schulungen…

13.05.2025 | KPMG Law Insights

Erste Erfahrungen mit dem Einwegkunststofffondsgesetz: Das sollten Hersteller beachten

Getränkebecher, Folien und Plastikzigarettenfilter verschmutzen Straßen, Parks und Gehwege. Die Reinigungskosten tragen die Kommunen. Das Einwegkunststofffondsgesetz soll sie finanziell entlasten. Die Idee: Die Hersteller bestimmter…

07.05.2025 | KPMG Law Insights

Kündigung von befristeten Mietverträgen bei der „Vermietung vom Reißbrett“

Bei einer „Vermietung vom Reißbrett“ beginnt das Mietverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt zu laufen, meist dem Übergabetermin. In der Regel gehen die Vertragsparteien in…

06.05.2025 | In den Medien

Wirtschaftswoche zeichnet KPMG Law aus

KPMG Law wurde vom der WirtschaftsWoche als „TOP Kanzlei 2025“ im Bereich M&A ausgezeichnet. Ian Maywald, Partner bei KPMG Law in München, wurde außerdem…

06.05.2025 | KPMG Law Insights

Sozialversicherungspflicht von Lehrkräften – Übergangsregel schafft Klarheit

Lehrkräfte und Dozent:innen werden oft auf selbstständiger Basis engagiert. Diese Praxis lässt die Deutsche Rentenversicherung aufhorchen. Immer öfter überprüft sie den sozialversicherungsrechtlichen Status der Honorarkräfte…

02.05.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement im FINANCE Magazin: So können CFOs bis zu 80 Prozent in der Rechtsabteilung einsparen

Der Kostendruck in den Unternehmen steigt – auch in den Rechtsabteilungen. Mittlerweile haben sich zwei Strategien etabliert, um 50 bis 80 Prozent der Kosten einzusparen.…

30.04.2025 | In den Medien

KPMG Law Studie in der Neue Kämmerer: Wie kommt das Sondervermögen in die Kommunen?

Ein Sondervermögen über 500 Milliarden Euro soll in den nächsten zwölf Jahren Investitionen in die Infrastruktur finanzieren. Davon sind 100 Milliarden Euro für die Länder…

29.04.2025 | KPMG Law Insights

Geldwäschebekämpfung und Transparenzregister – was ändert die neue Regierung?

Die künftige Regierung möchte laut Koalitionsvertrag Geldwäsche und Finanzkriminalität „entschieden bekämpfen“. Die Koalitionspartner kündigen an, dass Rechtsgeschäfte juristischer Personen, die den Betrag von 10.000 Euro…

Kontakt

Cristian Barbieri

Manager

Friedenstraße 10
81671 München

Tel.: +49 89 5997606 1082
cbarbieri@kpmg-law.com

Privat: Sebastian Bothe

Senior Manager

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 3609945086
sbothe@kpmg-law.com

Barnim Freiherr von Gemmingen

Senior Manager

Theodor-Heuss-Straße 5
70174 Stuttgart

Tel.: +49 711 781923-433
bgemmingen@kpmg-law.com

Günter Graeber

Senior Manager

Friedenstraße 10
81671 München

Tel.: +49 89 15986061598
ggraeber@kpmg-law.com

Dr. Heiko Hoffmann

Partner
Standortleiter München
Leiter Steuerstrafrecht

Friedenstraße 10
81671 München

Tel.: +49 89 59976061652
HHoffmann@kpmg-law.com

Christian Judis

Senior Manager

Friedenstraße 10
81671 München

Tel.: +49 89 59976061028
cjudis@kpmg-law.com

Dr. Jochen Maier

Senior Manager

Heinrich-von-Stephan-Straße 23
79100 Freiburg im Breisgau

Tel.: +49 761 76999910
jmaier@kpmg-law.com

Arndt Rodatz

Partner
Leiter Steuerstrafrecht

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 360994 5081
arodatz@kpmg-law.com

Philipp Schiml

Partner
Standortleiter Düsseldorf

Tersteegenstraße 19-23
40474 Düsseldorf

Tel.: +49 211 4155597150
pschiml@kpmg-law.com

Martina Vietz

Manager

Theodor-Heuss-Straße 5
70174 Stuttgart

Tel.: +49 711 781923-400
mvietz@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll