Bei einer „Vermietung vom Reißbrett“ beginnt das Mietverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt zu laufen, meist dem Übergabetermin. In der Regel gehen die Vertragsparteien in solchen Fällen von der Unkündbarkeit des befristeten Mietvertrages auch vor Vertragsbeginn aus. Nun hat der BGH überraschend geurteilt, dass eine ordentliche Kündigung unter Umständen möglich ist (BGH, Urteil vom 12. März 2025 – XII ZR 76/24).
Gewerbliche Mietverhältnisse werden häufig befristet mit einer langen Nutzungsdauer geschlossen. Bei einer „Vermietung vom Reißbrett“ wird ein zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht fertiggestelltes Objekt vermietet. Die Laufzeit des Mietverhältnisses beginnt meist mit der Übergabe, die erhebliche Zeit nach Unterzeichnung des Mietvertrages liegen kann. Es kommt vor, dass Mieter den Vertragsabschluss reuen und sich noch vor der Übergabe vom Vertrag lösen möchten. Grundsätzlich gilt jedoch: Befristete Mietverhältnisse sind nicht ordentlich kündbar. Doch gilt das auch für den Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Mietbeginn?
Der BGH macht nun auf folgenden Umstand aufmerksam: Mietverträge, die mit dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses zu laufen beginnen, enthalten meistens keine Regelungen für den Zeitraum zwischen Unterzeichnung und Mietbeginn. In dem entschiedenen Fall hatten die Parteien ein Grundstück vermietet, auf dem Windräder gebaut werden sollten. Die Laufzeit des Mietvertrags sollte 20 Jahre nach der Inbetriebnahme der letzten zu errichtenden Windenergieanlage enden. Eine Baugenehmigung für die Windenergieanlagen lag bei Vertragsunterzeichnung noch nicht vor. Der Mieter kündigte den Mietvertrag noch vor Eintritt des Ereignisses ordentlich. Der BGH hielt die Kündigung für wirksam.
Entscheidend sei, ob die Parteien bei Vertragsschluss davon ausgehen, dass das Ereignis sicher eintritt. Nur wenn das der Fall ist, handle es sich bei der Vereinbarung um eine Befristung auch der vorvertraglichen Vereinbarung im Sinne des § 163 BGB. Eine ordentliche Kündigung bis zum Beginn der vereinbarten Laufzeit sei dann ausgeschlossen. Ist aus Sicht der Parteien hingegen ungewiss, ob das Ereignis überhaupt jemals eintreten werde, liege eine aufschiebende Bedingung vor. In dem Fall sei die Laufzeit der Vereinbarung nach dem BGH unbestimmt und das Vertragsverhältnis jederzeit ordentlich kündbar. Was die Parteien bei Vertragsschluss angenommen haben, sei durch Auslegung zu ermitteln.
Der BGH ordnete die Vereinbarung im obigen Fall als aufschiebende Bedingung ein. Denn die Parteien hatten bei Vertragsschluss die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass der Bau der Windenergieanlagen nicht realisiert würde. Die Parteien hatten nämlich ein vorzeitiges Kündigungsrecht für den Fall vereinbart, dass der Betrieb der Windenergieanlagen infolge behördlicher Auflagen, Verbote oder Gesetzesänderung unmöglich gemacht würde. Die Windenergieanlagen befanden sich damals noch in der Planungsphase.
Auch aus einem anderen Grund kann bei einer „Vermietung vom Reißbrett“ ein ordentliches Kündigungsrecht gegeben sein, nämlich dann, wenn die Befristung unwirksam ist. Befristete Mietverträge über Gewerberäume und -grundstücke mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr bedürfen nämlich der Textform bzw. vor dem 1. Januar 2025 der Schriftform. Wird die Form nicht eingehalten, gilt der Mietvertrag für unbestimmte Zeit. Er ist dann frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Mietgegenstandes ordentlich kündbar. Ist eine Kündigung vor Übergabe beabsichtigt, kann sich die Mietpartei hierfür nicht auf die fehlende Textform berufen.
Wichtig ist allerdings: Auch wenn der Mietvertrag grundsätzlich in Textform vereinbart wurde, kann es sein, dass die Form nicht gewahrt ist. Denn: Es müssen alle wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform niedergelegt werden. Bei der „Vermietung vom Reißbrett“ ist ein besonderes Augenmerk auf die Beschreibung des Mietgegenstandes zu richten. Es muss genau beschrieben sein, welche Räume, Flächen, Stellplätze etc. der Mieter im Gesamtobjekt anmietet und wie diese ausgestattet sind. Die Textform ist beispielsweise nicht gewahrt, wenn die Parteien vereinbaren, die Mietfläche später festzulegen. Gleiches gilt, wenn die Baubeschreibung später konkretisiert oder geändert werden soll und dies nicht wiederum in einem textförmlichen Nachtrag festgehalten wird. In manchen Verträgen steht die Beschreibung des Mietgegenstands zudem unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen oder Auflagen in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorliegenden Baugenehmigung. Auch dann ist die Textform nach dem OLG Brandenburg (Urteil vom 10. Januar 2022 – 3 U 110/20) nicht eingehalten. Änderungen der Bau- und Ausstattungsbeschreibung müssen jeweils in einem die Textform wahrenden Nachtrag festgehalten werden, um die Befristung aufrecht zu erhalten.
Eine Vereinbarung, nach der das Mietverhältnis mit Eintritt der Übergabe, der Bezugsfertigkeit oder eines anderen Ereignisses beginnt, wahrt die Textform grundsätzlich (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 – XII ZR 212/03). Das ist zumindest dann der Fall, wenn der Übergabetermin zeitlich eingegrenzt wird (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29. Januar 2019 – 22 U 30/17). Der Übergabetermin bzw. der konkrete Mietbeginn sollte jedoch ebenfalls in einem Nachtrag festgehalten werden.
Beim Abschluss von befristeten Mietverträgen „vom Reißbrett“ gibt es einige Stolperfallen. Die Parteien sollten darauf achten, dass der Mietgegenstand ausreichend beschrieben und eindeutig bestimmbar ist und dass Änderungen in einem die Textform wahrenden Nachtrag niedergelegt werden.
Wird der Mietbeginn hinausgeschobenen, etwa auf die Übergabe, sollten die Mietparteien eindeutig regeln, ob es sich bei dieser Vereinbarung um eine aufschiebende Bedingung oder um eine Fälligkeitsregelung handelt.
Zur Klarstellung empfiehlt sich zudem eine Vereinbarung, nach der die ordentliche Kündigung explizit ausgeschlossen ist. Denkbar ist auch, eine feste Laufzeit selbst bei der „Vermietung vom Reißbrett“ ausdrücklich unmittelbar mit dem Vertragsabschluss beginnen zu lassen, freilich bei Mietfreiheit bis zur Übergabe.
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