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19.07.2022 | KPMG Law Insights

Forschung & Entwicklung – Der FuE-Rahmen und seine 20 %-Klausel

Der Beitrag gibt eine Einführung über die Gestaltung und Grundzüge der 20 %-Klausel des FuE-Rahmen als Ausnahme zum Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV. Insbesondere für Hochschulen und Forschungseinrichtungen kann es besonders lohnenswert sein, sich mit den Anforderungen der 20 %-Klausel auseinanderzusetzen.

Hintergrund:

In der 20 %-Klausel besteht eine Ausnahme zum Beihilfenverbot des Art. 107 AEUV. Sie ist Bestandteil des FuE-Rahmens (dem aktuellen Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation) und schafft mit ihrer Ausgestaltung für Forschungseinrichtungen eine weitere Ausnahmekonstellation, innerhalb derer die Kommission nicht von einer Beihilfe i. S. d. Art. 107 AEUV ausgeht. Welche Anforderungen dafür von Forschungseinrichtungen erfüllt werden müssen, um sich rechtmäßig auf die 20 %-Klausel berufen zu können, und welche Herausforderungen und bisher ungeklärten Fragen rechtlicher und tatsächlicher Natur mit der Anwendung der 20 %-Klausel einhergehen, will dieser Beitrag mit einem kurzen Über- und Ausblick zur Thematik beleuchten.

 

Der Anwendungsbereich und die Ausgestaltung der 20 %-Klausel:

Die 20 %-Klausel greift gegenüber staatlichen Forschungseinrichtungen, die neben ihrer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit (primär die Lehre und Forschung) in einem gewissen Umfang auch wirtschaftlich tätig werden. Dabei sind als wirtschaftliche Tätigkeiten solche Tätigkeiten anzusehen, durch die die Einrichtung finanzielle Mittel und Gewinne regeneriert. Nur wenn diese wirtschaftlichen Tätigkeiten als Nebentätigkeiten einzustufen sind, findet die 20 %-Klausel Anwendung und sie unterliegen nicht dem Beihilferecht. Die Anforderungen für das Greifen der 20 %-Klausel und die Einstufung der wirtschaftlichen Tätigkeit als reine Nebentätigkeit sind von der Kommission in rechtsverbindlichen Kriterien definiert. Es muss sich bei den wirtschaftlichen Tätigkeiten um Nebentätigkeiten der Forschungseinrichtung handeln. Die Art der wirtschaftlichen Tätigkeiten kann dabei variieren, es sind verschiedene Tätigkeitsfelder denkbar: beispielsweise das Angebot von Weiterbildungsveranstaltungen, Auftragsforschungsarbeiten von Privaten, das Verleihen von Laborausstattung oder etwa die Erstellung von Gutachten.

Eine wirtschaftliche Tätigkeit kann dann eine Nebentätigkeit darstellen, wenn sie im Hinblick auf die Gesamtkapazität aller Tätigkeiten der Einrichtung einen Anteil von 20 % nicht übersteigt und die Art der wirtschaftlichen Tätigkeit untrennbar mit der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit verbunden und für diese erforderlich ist. Darüber hinaus dürfen für die Ausführung der wirtschaftlichen Tätigkeiten keine neuen infrastrukturellen Ressourcen beansprucht werden. Das bedeutet, dass sowohl für die wirtschaftlichen als auch für die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten auf dieselben Materialien, dasselbe Personal und dieselben Räumlichkeiten zurückgegriffen werden muss. Anschaffungen, die lediglich der Durchführung der wirtschaftlichen Tätigkeiten dienen sollen, sind danach nicht gestattet und unterfallen dem Beihilferecht.

Um die wirtschaftliche Tätigkeit als Nebentätigkeit einstufen zu können, bedarf es einer gewissen Dokumentation durch die sich darauf berufende Forschungseinrichtung. Innerhalb einer Trennungsrechnung muss dargestellt werden, welche Tätigkeiten wirtschaftlicher und welche Tätigkeiten nichtwirtschaftlicher Natur erwachsen. Die Trennungsrechnung gilt sodann auch als Nachweis dafür, dass die Grenze von 20 % der Gesamtkapazität der Einrichtung nicht überschritten wurde. Gleiches gilt auch für die Nutzung der Infrastruktur: Es muss aus der Dokumentation hervorgehen, dass eine überwiegende Nutzung für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten erfolgt ist.

Trotz der Ausführungen der EU-Kommission im FuE-Rahmen zur 20 %-Klausel gibt es noch einige Rechtsunsicherheiten, die die Bestimmungen der Umstände und Rahmenbedingungen betreffen. Unklar und bisher weder durch Beschlüsse noch durch die Judikative geklärt ist insbesondere die Anforderung im Hinblick auf die Gesamtkapazität der Einrichtung. Die Bestimmung der 20 % der Gesamtkapazität kann sich entweder auf die Forschungseinrichtung als eine Einheit beziehen oder aber auf verschiedene thematisch gegliederte Untereinheiten, beispielsweise einzelne Fakultäten oder Forschungsgruppen. Eine eindeutige Auslegung des Begriffes der Einheit ist bislang noch erfolgt und somit bleibt die Unsicherheit im Hinblick auf die Bezugsgröße bestehen.

 

Ausblick und Realitätscheck:

Bislang erweist sich die 20 %-Klausel des FuE-Rahmens eher als „Papiertiger“, dessen konkrete Anwendung noch Unsicherheiten mit sich bringt. Auch wenn grundlegende Voraussetzungen und Kriterien durch den FuE-Rahmen definiert sind, fehlt es an der Klärung von weiteren Anforderungen, die die Erfolgschancen einer Berufung auf die Klausel erhöhen würden. Es bleibt also abzuwarten, ob die Ankündigung aus dem letzten Jahr erfüllt wird, dass die EU-Kommission sich zu den Fragestellungen äußert und mit Beschlüssen den Rechtsunsicherheiten Abhilfe schafft. Sind diese Unsicherheiten final geklärt, bietet der Ausnahmetatbestand für Forschungseinrichtungen jedoch eine weitere praktische Möglichkeit, öffentliche Mittel beihilfekonform zu nutzen.

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