Die Bundesnetzagentur plant eine grundlegende Reform der Sondernetzentgelte für energieintensive Unternehmen. Jede Veränderung am aktuellen Privilegierungsregime birgt dabei für betroffene Unternehmen das Risiko einer (ggf. sogar erheblichen) Einbuße an Privilegierung – oder andersherum das ein Risiko einer Erhöhung der Energiebezugskosten. Eine Möglichkeit zur (anteiligen) Reduzierung der Netzentgelte soll weiter bestehen. Die bisherige sogenannte Bandlastregelung für energieintensive Unternehmen (auch als „intensive Netznutzung“ bezeichnet) soll abgeschafft und durch ein neues System aus verschiedenen Flexibilitätsanreizen ersetzt werden. Mit dem Diskussionspapier zu den Entgelten für Industrie und Gewerbe im Rahmen der „AgNes“-Reform (Festlegungsverfahren Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom) hat die Behörde am 24. September 2025 erste Modellvorschläge zur Konsultation gestellt und lädt die Energiewirtschaft ein, sich aktiv an der Ausgestaltung zu beteiligen. Die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) tritt Ende 2028 außer Kraft. Mit der AgNes-Reform möchte die Regulierungsbehörde die bisherigen Strukturen für die Zeit ab 2029 überarbeiten.
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) macht in ihrem Diskussionspapier deutlich, dass die Bandlastregel gem. § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV nicht fortgeführt werden soll. Die Bandlastregel ist eine Sonderregelung innerhalb der StromNEV, die es stromintensiven Unternehmen mit einem hohen und gleichzeitig gleichmäßigen („bandförmigen“) Stromverbrauch (mindestens 10 GWh Stromverbrauch an über 7.000 Vollbenutzungsstunden) erlaubt, deutlich reduzierte Netzentgelte (Reduzierung bis zu 90% sind theoretisch erzielbar) zu zahlen. Hintergrund dieser Vergünstigung war die energiewirtschaftliche Anreizfunktion, dass bandförmige Abnehmer das Netz entlasten, da sie keine plötzlichen Stromspitzen verursachen bzw. die Netzspitzen abfangen, und daher mit einem reduzierten Entgelt entlastet werden sollen.
Die Kritik an der Bandlastregel wird in dem Diskussionspapier unmissverständlich deutlich:
„Unflexibles Abnahmeverhalten ist gesamtökonomisch nachteilig und kann die Integration erneuerbarer Energien in dem Strommarkt hemmen“.
Kritisch hinterfragt werden insbesondere die pauschalen Netzentgeltrabatte für starres Verbrauchsverhalten. Solche Vergünstigungen widersprechen den zentralen Zielen der AgNeS-Reform, insbesondere die Förderung von Flexibilität sowie der Unterstützung der Energiewende. Unflexibles Lastverhalten kann Netzengpässe verschärfen und das Potenzial für Systemdienstleistungen verringern. Eine erfolgreiche Energiewende erfordert jedoch eine anpassungsfähige Steuerung und Verschiebung von Lasten. Pauschale Rabatte fördern hingegen aus Sicht der Bundesnetzagentur falsche Anreize.
Gleichwohl hält die BNetzA an einer grundsätzlichen Rabattierung der Netzentgelte für Industrie und Gewerbe fest. Deren Voraussetzung seien jedoch an die Anforderungen der Energiewende anzupassen. Es zeichnet sich eine Abkehr von rein abnahmeorientierten Begünstigungen zugunsten eines Modells ab, das Flexibilität und Steuerbarkeit honoriert. Unternehmen sollen nur dann von reduzierten Netzentgelten profitieren, wenn sie aktiv einen Beitrag zur Netzstabilität leisten, indem sie etwa Lasten verschieben, Speicher einsetzen oder sich durch technische Einrichtungen steuerbar machen. Je größer der systemdienliche Beitrag, desto höher soll eine Netzentgeltreduzierung ausfallen.
Konkret stellt die Bundesnetzagentur drei Möglichkeiten zur Ausgestaltung eines Rabattsystems zur Diskussion. Die erste Option sind spotmarktorientierte Flexibilitätsanreize. Stromintensive Letztverbraucher sollen angehalten werden, in Zeiten von Hochpreisphasen und Preissenkungen flexibel auf diese Marktentwicklungen zu reagieren, was entsprechend honoriert werden soll. Der zweite Vorschlag sieht eine netzdienliche Flexibilisierung vor, wonach die Vermeidung von Engpassmanagementkosten seitens der stromintensiven Letztverbraucher Voraussetzung für Netzentgeltrabatte sein sollen. Schließlich (dritte Option) kann auch die Einräumung der Möglichkeit des Netzbetreibers zur Beschränkung von sehr hohen oder zur Erhöhung von sehr niedrigen Bezugslasten in kritischen Netzsituationen Voraussetzung für eine Netzentgeltermäßigung sein.
Für energieintensive Unternehmen wird das absehbare Ende der Bandlastregel tiefgreifende Folgen haben. Die bisherige Sicherheit vergünstigter Netzentgelte ist künftig nicht mehr garantiert und damit weniger planbar. Vielfach haben Unternehmen (für die Erzielung dieser Vergünstigung) erhebliche Investitionen getätigt, um die Einhaltung der Vorgaben abzusichern oder sicherzustellen. Es bleibt abzuwarten und muss im Einzelfall betrachtet werden, ob das Produktions- und damit Verbrauchsverhalten noch zu den künftigen Entlastungsanforderungen passt. Andernfalls drohen erhebliche Mehrbelastungen (bis zu mehreren Cent/kWh).
Es ist erwartbar, dass viele Unternehmen weitere Investitionen in Lastmanagement, Speicher und Steuerungstechnologien tätigen müssen, um auch in Zukunft Entlastungen erzielen zu können. Das verlangt von Unternehmen jedoch gleichzeitig ein deutlich anspruchsvolleres Energiemanagement und eine strategische Beschäftigung mit Flexibilitäten.
Das Diskussionspapier der Bundesnetzagentur ist erstmal „ein „Denkanstoß“ und schafft noch keine verbindlichen Regelungen – die Erfahrung zeigt jedoch, dass wesentliche Rahmenbedingungen damit schon vorgedacht sind. Derzeit lädt die BNetzA zu Konsultationen und Workshops ein. Erst der Erlass eines förmlichen Beschlusses wird den verbindlichen Rechtsrahmen darstellen. Bis dahin bleibt offen, welche der diskutierten Elemente sich durchsetzen werden und wie die konkrete Ausgestaltung aussehen wird.
Energieintensive Unternehmen können folglich noch bis zum Außerkrafttreten der StromNEV von den bisherigen Vergünstigungen profitieren. Die BNetzA hat außerdem angekündigt, Übergangsregelungen einführen zu wollen, um betroffenen Unternehmen Anpassungen an die neuen Erfordernisse und die Realisierung von Flexibilitätspotentialen zu ermöglichen – wie genau diese aussehen wird unseres Erachtens entscheidend sein, um weiterhin den Unternehmen wettbewerbsfähige Strompreise bieten zu können.
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