Suche
Contact
Symbolbild zu Überstundenzuschlägen von Teilzeitbeschäftigten: Wecker neben Laptop
17.12.2024 | KPMG Law Insights

BAG: Auch Teilzeitbeschäftigte können Überstundenzuschläge verlangen

Wenn Vollzeitbeschäftigte ab der ersten Überstunde einen Anspruch auf Überstundenzuschläge haben, muss das auch für Teilzeitbeschäftigte gelten, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Urteil vom 5. Dezember 2024 – Az. 8 AZR 370/20 – bislang nur als Pressemitteilung verfügbar). Eine tarifvertragliche Regelung, nach der Mitarbeitende unabhängig von ihrer individuellen Arbeitszeit erst dann Überstundenzuschläge erhalten, wenn sie die Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Person überschreiten, diskriminiert Teilzeitmitarbeitende.

Im konkreten Fall ist die Klägerin mit einer Kapazität von 40 Prozent beschäftigt. Für ihr Arbeitsverhältnis gilt ein zwischen dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft ver.di geschlossener Manteltarifvertrag. Nach diesem fällt für Überstunden ein Zuschlag an. Als Überstunden gelten nach dem Tarifvertrag jedoch nur solche Stunden, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Person hinausgehen. Die Arbeitszeit in Vollzeit beträgt nach dem Tarifvertrag 38,5 Stunden pro Woche. Teilzeitkräfte sind somit nur selten in den Genuss von Überstundenzuschlägen gekommen, wenn sie über ihre individuelle Wochenarbeitszeit hinaus gearbeitet haben.

Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf Vergütung entsprechend dem Anteil ihrer Arbeitszeit

Das BAG hatte die Frage dem EuGH vorgelegt, ob die tarifliche Regelung gegen Unionsrecht verstoße. Der EuGH bejahte dies und beantwortete die Frage mit Urteil vom 24. Juli 2024 (C-184/22 und C-185/22) wie folgt: Die tarifliche Regelung verstößt sowohl gegen die Richtlinie 97/81/EG über Teilzeitarbeit als auch gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie (2006/54/EG), da erheblich mehr Frauen als Männer von der Regelung betroffen waren.

Der EuGH hatte in der Vorlageentscheidung argumentiert, dass die Überstundenvergütung zwar für alle Beschäftigten gleich geregelt sei, indem allen der Zuschlag bei Überschreitung der Grenze von 38,5 Stunden zustehe. Teilzeitbeschäftigte müssten jedoch eine größere Anzahl an Überstunden ohne Zuschläge leisten, während Vollzeitbeschäftigte ab der ersten Überstunde einen Zuschlag verlangen können. Dies sei eine unzulässige Ungleichbehandlung. Das Entgelt von Teilzeitbeschäftigten müsse entsprechend ihrer Arbeitszeit anteilig dem der vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten entsprechen.

Eine Ungleichbehandlung kann durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein. Einen sachlichen Grund hat das BAG aber nicht gesehen. Insbesondere scheint das BAG nicht der Argumentation zu folgen, dass eine den Überstundenzuschlag rechtfertigende Belastung erst ab Überschreiten der für Vollzeitbeschäftigte geltenden Arbeitszeit anzunehmen ist.

Das BAG sprach der Klägerin eine Zeitgutschrift in Höhe der Überstundenzuschläge sowie eine Entschädigung wegen der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu.

So sollten Arbeitgeber auf das BAG-Urteil reagieren

Dass Überstundenzuschläge nur für Stunden gezahlt werden, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen, war bisher bislang nicht unüblich. Entsprechende Regelungen finden sich häufig in Tarifverträgen. Für die Bemessung der Überstundenzuschläge ihrer Teilzeitmitarbeitenden sollten sie ab sofort die gleichen Maßstäbe anlegen wie bei Vollzeitbeschäftigten, das heißt, dass ihnen ein Zuschlag ab der ersten Überstunde in Bezug auf ihre individuelle Arbeitszeit gewährt werden muss, wenn das auch bei vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten der Fall ist.

Teilzeitbeschäftigte können oft versehentlich diskriminiert werden. Nicht nur bei der Vergütung, auch bei Urlaubsregelungen, bei der Aufgabenverteilung und beim Zugang zu betrieblichen Einrichtungen besteht die Gefahr, dass Teilzeitmitarbeitende ungerechtfertigt benachteiligt werden. Die Schlechterstellung von Teilzeitmitarbeitenden ist gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG verboten. Beachten Arbeitgeber das Gleichbehandlungsgebot nicht, riskieren sie Klagen. Wenn die Teilzeitbeschäftigten überwiegend Frauen sind, kann es sich gleichzeitig um eine Diskriminierung wegen des Geschlechts handeln und den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG auslösen.

 

Explore #more

23.10.2025 | KPMG Law Insights

Was die FAQs der Bundesnetzagentur für Speicherbetreiber bedeuten

Die Bundesnetzagentur hat am 17. Oktober 2025 FAQs zur regulatorischen Behandlung von stationären Batteriespeichersystemen („BESS“) veröffentlicht. Die FAQs sind eine Orientierungshilfe für Speicherbetreiber, da der…

23.10.2025 | KPMG Law Insights

Das bedeutet der „Bau-Turbo“ für Kommunen und Bauaufsichtsbehörden

Der Bundestag hat den „Bau-Turbo“ beschlossen und Kommunen können bestimmte Bauprojekte jetzt deutlich beschleunigen. Nach dem am 9. Oktober 2025 beschlossenen Gesetz zur Beschleunigung des

22.10.2025 | In den Medien

KPMG Law Gastbeitrag in Das Investment: Private Debt für die Masse: Wie das FRBG den Fondsmarkt umkrempelt

Paradigmenwechsel am Fondsmarkt: Das neue FRBG macht Private Debt retail-fähig und schafft Bürgerbeteiligungsfonds. Welche strategischen Chancen sich jetzt für die Branche ergeben beantwortet KPMG Law…

20.10.2025 | KPMG Law Insights

Rechenzentren: Anforderungen an Notstromaggregate steigen weiter

Wenn in Rechenzentren der Strom ausfällt, hat das oft schwere Folgen: Datenverlust und Systemausfälle können Unternehmen erheblichen finanziellen Schaden zufügen. Daher sind Notstromaggregate in Datencentern…

16.10.2025 | In den Medien

KPMG Law Beitrag zum Sammelband „Krypto-Asset Compliance“

Die KPMG Law Experten Ulrich Keunecke und Marc Pussar haben in dem Sammelband „Krypto-Asset Compliance: Umsetzung der Regulierung und Geldwäsche-Prävention“ das Kapitel 3 zum Thema…

14.10.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG beraten die Bühler Motor GmbH beim Verkauf der Bühler Motor Aviation GmbH an Astronics Germany GmbH

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die Bühler Motor GmbH beim Verkauf sämtlicher Geschäftsanteile der Bühler Motor Aviation…

10.10.2025 | In den Medien

KPMG Law Gastbeitrag in der NZG: Compliance Due Diligence im Mittelstand: Mindestumfang und vertragliche Abbildung von Compliance-Risiken der Zielgesellschaft

Im Rahmen von M&A Transaktionen spielt die Compliance bei einer Legal Due Diligence meist noch eine untergeordnete Bedeutung. Gegenstand der hiesigen Betrachtung ist es, einerseits…

10.10.2025 | In den Medien

KPMG Law bei der M&A Award Night 2025 ausgezeichnet

KPMG Law ist bei der diesjährigen M&A Award Night des Bundesverbands Mergers & Acquisitions e.V. (BM&A) mit dem Preis „M&A Transaction Advisory” ausgezeichnet worden und…

10.10.2025 | In den Medien

KPMG Law Gastbeitrag in der CCZ: Der Leitfaden für Compliance-Management-Systeme in kleinen und mittleren Unternehmen (DIN SPEC 91524)

Compliance im Mittelstand ist herausfordernd: Die gesetzliche Verantwortung für Compliance ist unbestritten, die konkreten Aufgaben dagegen sind unklar und abhängig von der konkreten Situation eines…

10.10.2025 | KPMG Law Insights

Transformation in Rechtsabteilungen 2026 – die wichtigsten Trends und Best Practices

Aktuell treiben vor allem drei Themen die Transformation der Rechtsabteilung voran: KI, die rasant zunehmende Regulatorik und geopolitische Entwicklungen. Schon immer gab es technologischen Fortschritt,…

Kontakt

Dr. Martin Trayer

Partner

THE SQUAIRE Am Flughafen
60549 Frankfurt am Main

Tel.: 49 69 951195565
mtrayer@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll