Der Ausbruch des Coronavirus ist eine außergewöhnliche Belastung für die globale Wirtschaft. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise treffen nicht nur die Institute, sondern auch deren Mitarbeiter und Anteilseigner insbesondere im Hinblick auf Bonus- und Dividendenzahlungen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 27. März 2020 eine Empfehlung veröffentlicht, wonach Institute vor dem Hintergrund der Corona-Krise mindestens bis zum 1. Oktober 2020 keine Dividende an Anteilseigner zahlen sollen. In diesem Client Alert erläutern wir ganz allgemein die Auswirkungen der Corona-Krise auf Institute und deren Vergütungssysteme und zeigen mögliche Handlungsoptionen für Institute auf.
1. Erste Impulse der Aufsicht
Die EZB hat am 31. März 2020 Banken zur Mäßigung bei Bonuszahlungen an Mitarbeiter aufgerufen. Zusätzlich hat auch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) darauf hingewiesen, dass variable Vergütungen auf einem konservativen Niveau festzulegen sind. Die nationalen Aufsichtsbehörden rufen derzeit zu einer Überprüfung der Vergütungspolitik vor dem Hintergrund der Corona-Krise auf. Zwar haben sich weder die EZB noch die EBA für ein Verbot von variabler Vergütung ausgesprochen. Einige Großbanken haben unter Berücksichtigung der globalen wirtschaftlichen Folgen jedoch signalisiert, auf die Auszahlung von Boni für das laufende Jahr zu verzichten bzw. auch Boni für das Geschäftsjahr 2019 zu überprüfen.
2. Corona-Krise und Gesamtbonuspool
Aktuell gilt rechtlich: Trotz der Corona-Krise und der damit verbundenen globalen wirtschaftlichen Folgen können unter bestimmten Voraussetzungen noch Boni für das Jahr 2019 an Mitarbeiter (und Geschäftsleiter) ausgezahlt werden:
Aus der Gesamtschau der Regelungen zum Gesamtbonuspool ergibt sich, dass vor Festlegung und Auszahlung der Boni eine Prüfung zu erfolgen hat, ob und inwieweit Boni gewährt werden dürfen. Die aktuelle Corona-Krise kann Auswirkungen auf die Risikotragfähigkeit, die mehrjährige Kapitalplanung, die Ertragslage sowie Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung haben. Sind die insoweit maßgeblichen Kennziffern besonders negativ betroffen, muss nach § 7 InstitutsVergV eine Reduzierung oder eine vollständige Kürzung des Bonuspools erfolgen. Soweit die regulatorischen Auszahlungsbedingungen des § 7 InstitutsVergV (weiterhin) gegeben sind und auch § 45 KWG durch die Aufsichtsbehörden nicht angewandt wurde bzw. eine entsprechende Anwendung nicht absehbar ist, steht den Mitarbeitern – vorbehaltlich der Erreichung vereinbarter Ziele – grundsätzlich der entsprechende Bonus zu. Die Institute sind in diesem Zusammenhang schon im Vorfeld verpflichtet, eigene Maßnahmen (z.B. Bonusreduzierungen, Vereinbarung von Rückforderungsvorbehalten) zu ergreifen, wenn die Entwicklung voraussichtlich auf ein Krisenszenario hinausläuft. Ansonsten können Institute (allenfalls) darauf hinwirken, eine Auszahlung der variablen Vergütung für das Geschäftsjahr 2019 bis zum Ende des Jahres 2020 zu verschieben, soweit dies mit den arbeitsvertraglichen Regelungen vereinbar ist und aus ökonomischer Sicht erforderlich ist. Alternativ können mit den Mitarbeitern von bedeutenden Instituten freiwillige zusätzliche „Deferrals“ vereinbart werden. Soweit Institute ihren Mitarbeitern die variable Vergütung für das Jahr 2019 vollumfänglich auszahlen möchten, kann es sich empfehlen, die zuständigen Aufsichtsbehörden über die beabsichtigte Auszahlung vorab zu informieren und darzulegen, dass die Vorgaben des § 7 Abs. 1 S. 3 InstitutsVergV eingehalten werden. Eine entsprechende Dokumentation der Befassung mit den Auswirkungen der Corona-Krise halten wir für geboten.
Im Hinblick auf die variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2020 wird man die weitere Entwicklung abwarten müssen. Allerdings sollte insoweit die von den nationalen Aufsichtsbehörden empfohlene Überprüfung der Vergütungssysteme auf ausreichende Flexibilität in Krisensituationen bereits jetzt in den Fokus genommen werden.
3. Privilegierte variable Vergütung
Infolge der Corona-Krise hat das Bundesministerium für Finanzen in seiner Pressemitteilung vom 3. April 2020 verkündet, dass Sonderzahlungen zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Dezember 2020 für Beschäftigte bis zu einem Betrag von 1.500 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei gestellt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen eingehalten sind. Die Sonderzahlung kann jeder Arbeitgeber (auch Institute) an seine Mitarbeiter auszahlen oder als Sachleistungen gewähren. Voraussetzung für die Privilegierung der Sonderzahlung ist, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet und im Lohnkonto aufgezeichnet wird.
Aus regulatorischer Sicht wäre eine solche Zahlung (wenn sie als expliziter Sonderbonus gewährt wird) i.d.R. als variable Vergütung gemäß § 2 Abs. 3 InstitutsVergV zu qualifizieren. Es ist zu beachten, dass die jeweils festgelegte Obergrenze der variablen Vergütung im Verhältnis zur fixen Vergütung weiterhin einzuhalten ist. Auch die Einhaltung der Nebenbedingungen gemäß § 7 Abs. 1 S. 3 InstititutsVergV bleibt unberührt. Bei der Auszahlung der Sonderzahlung an Risk Taker von bedeutenden Instituten sollte darüber hinaus beachtet werden, dass die besonderen Auszahlungs-Anforderungen (soweit die variable Vergütung kumuliert über der Freigrenze von 50.000 Euro liegt) eingehalten werden.
4. Anpassung von Geschäftsstrategie, Zielvereinbarungen und des Vergütungssystems
Die Corona-Krise sollte für viele Institute ein Anlass zur Überprüfung der geltenden Geschäftsstrategie und der (bereits abgeschlossenen) Zielvereinbarungen sein. Institute stehen aktuell vor der Herausforderung, dass die vereinbarten Ziele aufgrund der Corona-Krise zu einem großen Teil nicht mehr (vollumfänglich) realisierbar sind. Obwohl eine unterjährige Anpassung von Vergütungsparametern und Zielvereinbarungen nach der Auslegungshilfe der BaFin grundsätzlich nicht vorgesehen ist, dürfte die aktuelle Corona-Krise eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen. Hierzu bieten sich nach unserer Erfahrung verschiedene Möglichkeiten an, um hier effiziente und praxistaugliche Lösungen zu entwickeln. Zudem sind entsprechende Kommunikationen an die Mitarbeiter aufzusetzen. Soweit Zielvereinbarungen aufgrund der Corona-Krise nach dem ersten Quartal des Kalenderjahres abgeschlossen bzw. nachträglich adjustiert wurden, sind die dafür maßgeblichen Erwägungen transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren. Darüber hinaus können Zielvereinbarungen ggfs. mit einer Anpassungsklausel versehen werden, soweit weitere erhebliche Zieländerungen aufgrund der Corona-Krise erforderlich werden
Soweit Institute die Corona-Krise zum Anlass nehmen, ihre Geschäfts- und Risikostrategie sowie ihr Vergütungssystem auf den Prüfstand zu stellen und für die Zukunft neu auszurichten, ist zu überlegen, welche Aspekte in eine modifizierte Konzeptionierung einfließen sollen.
5. Neue Arbeitsschutzstandards als (neues) Ziel für Führungskräfte?
Die Bundesregierung hat am 16. April 2020 bundesweit einheitliche, ergänzende Arbeitsschutzstandards zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus empfohlen (Arbeitsschutzstandards SARS-CoV-2). Arbeitsschutzstandards können u.a. die regelmäßige Überprüfung von Hygienemaßnahmen, Einhaltung von Abstandsregelungen in Großraumbüros, die Einführung und Überprüfung von Gesichtsbedeckungspflichten, individuelle Schutzmaßnahmen bei Risikomitarbeitern, Meldungen an das Gesundheitsamt oder die Identifikation der Kontaktpersonen mit infizierten Mitarbeitern sein. Die Umsetzung und Durchführung dieser Arbeitsschutzstandards kann im Rahmen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht an Führungskräfte delegiert werden. Es kann überlegt werden, die Erfüllung der Arbeitsschutzstandards als Ziel in der Zielvereinbarung zu etablieren, um die gewünschte Steuerungs- und Lenkungswirkung zu erzielen.
6. Fazit
Die Corona-Krise stellt sowohl für Institute als auch für deren Mitarbeiter eine besondere Herausforderung dar. Im Hinblick auf die InstitutsVergV relevanten Aspekte sehen wir allerdings Lösungsmöglichkeiten, um den aufgezeigten Herausforderungen adäquat begegnen zu können. Wir unterstützen Sie gerne bei allen Fragen zu diesem Thema, vor allem zur:
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