Neue Gesetze und Verordnungen
Entwurf eines „Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetzes“
Das Bundeskabinett hat am 08.06.2022 einen Gesetzesentwurf beschlossen, durch den auf die zunehmend angespannte Gasversorgungslage infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine reagiert werden soll. Ziel dieses Gesetzentwurfs sei es, die Stromerzeugung vom Einsatz von Erdgas und damit von den zuletzt unwägbaren russischen Gasimporten unabhängiger und Deutschland für den Fall einer (drohenden) Gasmangellage handlungsfähig zu machen. Dazu soll im Fall einer solchen Gasmangellage die Stromversorgung durch die Möglichkeit eines Rückgriffs auf Kohle- (insbes. Braun- und Steinkohle-) sowie Mineralölkraftwerken sichergestellt werden. Entsprechende Kraftwerke, die demnächst stillgelegt würden, eingeschränkt verfügbar sind oder in die Netzreserve eingebunden sind, sollen daher ertüchtigt und in ein Reservestadium versetzt werden, der es der Bundesregierung ermöglicht, diese Kraftwerke kurzfristig für den Strommarkt zu reaktivieren. Dazu müssen die Anlagenbetreiber bis zum 01.11.2022 die technischen Voraussetzungen für einen dauerhaften Betrieb am Strommarkt im Falle des Abrufs durch die Bundesregierung zu schaffen. Die Kosten für die Ertüchtigung werden durch den Bund erstattet. Darüber hinaus werden die Kraftwerksbetreiber verpflichtet, zu einem Stichtag eine bestimmte Menge Brennstoff für die Wiederinbetriebnahme vorrätig zu halten.
Auf Abruf durch Rechtsverordnung der Bundesregierung ist es den betreffenden Kraftwerken gestattet, in den Markt zurückkehren. Dieser Abruf erfolge nur dann, wenn eine Gasmangellage vorliegt oder droht. Dies werde durch entsprechende Auslösekriterien sichergestellt. Der Betrieb am Strommarkt erfolge freiwillig. Chancen und Risiken des Betriebs lägen beim Betreiber.
Diese Maßnahmen werden im Wesentlichen durch Änderungen des EnWG sowie des KWK-Gesetzes implementiert. Der Entwurf erhält insoweit weitere Maßnahmen: So soll die Bundesregierung u.a. ermächtigt werden, im Fall einer Gefährdung des Gasversorgungssystems durch Rechtsverordnung kurzfristig und befristet auf 6 Monate den Einsatz von Gaskraftwerken erheblich zu reduzieren. Ein Entschädigungsanspruch für diese Reduzierungsmaßnahmen sieht der Entwurf bisher nicht vor. Zudem sollen Stromerzeuger für die gasbasierte Stromerzeugung mit einer „Pönale“ (Strafzahlungen) je erzeugter MWh belegt werden können (§ 50f EnWG-E). Diese Maßnahmen betreffen grds. auch KWK-Anlagen es sei denn, sie können Wärme nicht anders erzeugen (§ 50f Nr. 4 EnWG-E). Diese im Krisenfall möglichen Regelungen und die damit zu erwartenden Steigerungen der Energiepreise könnten für Stadtwerke, insbesondere im Hinblick auf das hohe Maß ihres Energiebezugs aus den ebenfalls von den Regeln betroffenen KWK-Anlagen, mit dem Risiko erheblicher Kostensteigerungen verbunden sein.
Ferner erklärt § 50g EnWG, Vereinbarungen zwischen einem Gaslieferanten und einem Letztverbraucher für unwirksam, die im Rahmen eines Vertrages über die Mindestbelieferung mit Gas die Weiterveräußerung nicht verbrauchter Mindestabnahmemengen an Dritte untersagen, für unwirksam. Im Falle des Verzichts eines Letztverbrauchers auf den Bezug der Mindestabnahmemenge Gas für eine Anlage mit einer Anschlussleistung von mehr als 10 MWh hat der Letztverbraucher nach dieser Norm zudem einen Anspruch auf Verrechnung der entsprechenden Abnahmemengen.
Die Maßnahmen sollen nach dem Entwurf weitgehend bis zum 31.03.2024 befristet sein. Das Ziel, den Kohleausstieg idealerweise im Jahr 2030 zu vollenden, sowie die Klimaziele, bliebe nach der Entwurf-Begründung davon unberührt.
Behördliche oder sonstige hoheitliche Tätigkeiten
Die Bundesnetzagentur hat am 13. Juni 2022 einen weiteren Lagebericht zur Gasversorgung veröffentlicht.
Gegenwärtiger Sachstand
Laut Lagebericht der Bundesnetzagentur ist die bundesweite Gasversorgung weiterhin stabil und unverändert gewährleistet. Während sich die Gasflüsse auf einem üblichen Niveau befinden, sind die rückläufigen Gasflüsse aus Nord Stream 1 auf Folgen des Marktgeschehens und Händlerverhalten zurückzuführen. Insbesondere folgt der Rückgang aus den ausbleibenden Gasmengen in Folge des Lieferstopps gegenüber den Niederlanden und Dänemark vom 01. Juni 2022. Von dem Exportstopp der Gazprom Export sind der dänische Energiekonzern Ørsted sowie die Shell Energy Europe betroffen. Der Lieferstopp gegen Shell Energy Europe betrifft auch Deutschland, hat aber aufgrund der kleinen Menge, insgesamt 1,2 Milliarden Kubikmeter Gas, keine Auswirkung auf die Versorgungssicherheit in Deutschland. Die aktuellen Füllstände der Gasspeicher in Deutschland liegen bei 54,22 % und damit über den Füllständen der Jahre 2015, 2017, 2018 und 2021.
Auch ist mit der Befüllung des bundesweit größten Gasspeichers in Rehden durch Trading Hub Europe begonnen worden. Der Gasspeicher war bis zum Frühjahr in der Hand des russischen Gaskonzerns Gazprom, dessen Tochter Gazprom Germania inzwischen unter die Kontrolle der Bundesnetzagentur gestellt wurde (vgl. Briefing aus KW 22). Binnen eines Monats stieg der Füllstand auf etwas mehr als 3 %.
Gegenwärtiger Sachstand
Für die Pipeline Nord Stream 1 ist ab dem 11. Juli 2022 eine zweiwöchige Inspektion angesetzt. Bei diesen Wartungsarbeiten handelt es sich um die jährlich stattfindende und planmäßige Inspektion der Pipeline. Bereits in der Vergangenheit wurde die Wartung im Juli angesetzt, da in den Sommermonaten der Gasverbrauch niedriger ist. Während der Arbeiten kann die Leitung kein Gas transportieren. Das Ergebnis der Wartungsarbeiten wird mit den Ergebnissen des Vorjahrs verglichen.
Auswirkungen für Deutschland
Der ausbleibende Gastransport aus Russland im Wartungszeitraum hat negative Auswirkungen auf die Füllstände der Gasspeicher. Nicht nur können in den zwei Wochen keine weiteren Gasmengen eingespeichert werden, sondern auch müssen die fehlenden Gasmengen der Pipeline während der Wartungsarbeiten ausgeglichen werden, um den laufenden Gasbedarf zu decken. Die Wartungsarbeiten können das Erreichen der Füllstände auf mindestens 80 % erschweren.
Politische Entwicklungen
Senkung der Mindesttemperatur für Heizungsanlagen
Aufgrund der Drosselung der Gasliefermengen durch Nord Stream 1 spricht sich der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller für eine Absenkung der Mindesttemperaturen in Wohnungen aus. Aktuell sind Vermieter dazu verpflichtet, in einer Heizperiode die Heizungsanlage so einzustellen, dass eine Mindesttemperatur von 20 bis 22 Grad Celsius erreicht wird. Laut Müller sollen diese Heizvorgaben für Vermieter zumindest zeitweise vom Gesetzgeber gesenkt werden, um im Winter Gas einzusparen. Eine solche Absenkung werde aktuell in der Politik diskutiert. Gleichzeitig bekommt der Vorschlag aber auch Gegenwind u.a. von der Bundesbauministerin Klara Geywitz und auch vom Präsidenten des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten.
Gasabkommen der EU mit Israel und Ägypten
Am Mittwoch teilte das israelische Energieministerium mit, dass die EU, Israel und Ägypten eine Absichtserklärung für ein Erdgasabkommen unterzeichnet haben. Das Abkommen soll für eine Dauer von drei Jahren geschlossen werden und sich automatisch um weitere zwei Jahre verlängern. Die Gasmenge, die geliefert werden soll, ist bisher unklar. Es ist lediglich die Rede von bedeutenden Lieferungen. Israelisches Gas soll dazu in ägyptischen Verflüssigungsanlagen verflüssigt werden und dann per Schiff nach Europa gebraucht werden.
Wirtschaftsminister Habeck reagiert auf gedrosselte Gasströme
Wirtschaftsminister Habeck hat Schritte angekündigt, um die sinkenden Gaslieferungen aus Russland zu kompensieren.
Dabei zeigte er sich zuversichtlich, dass die Versorgung für den kommenden Winter durch Einkäufe und Sparsamkeit sichergestellt werden könne. Entscheidend sei, dass die Gasspeicher zum Winter hin von aktuell 57 Prozent auf 90 aufgefüllt würden. Dies soll mit Gasbezügen aus dem Ausland erreicht werden.
Des Weiteren plant Habeck den Einsatz von Gas für Stromerzeugung und Industrie zu senken und mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz zu bringen. Sie sollen die Stromerzeugung in mit Erdgas befeuerten Kraftwerken so weit wie möglich ersetzen (z.B. durch Öl), um Erdgas einzusparen. Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert.
Für seinen Vorstoß erhält Habeck in der Industrie breite Zustimmung.
Als mittelfristiges Ziel benannte der Vizekanzler erneut, viele andere Energiequellen aufzutun, um sich aus der Abhängigkeit von Russland zu lösen.
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