Medientechnologien entwickeln sich rasant weiter. Dem musste sich das Urheberrecht endlich anpassen. Mit dem Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die digitalen Erfordernisse des Binnenmarktes werden zwei europäische Richtlinien umgesetzt – die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) und die Online-SatCab-Richtlinie. Es ist die größte europäische Urheberrechtsreform der letzten 20 Jahre. Die Neuerungen sind am 7. Juni 2021 in Kraft getreten.
I. Was wird neu geregelt?
Ein Kernstück der Reform ist die unmittelbare Haftung von Upload-Plattformen wie YouTube, Facebook oder TikTok bei Urheberrechtsverletzungen. Sie ist im neu geschaffenen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz geregelt. Das bisherige Haftungsprivileg für „Host Provider“ entfällt – Upload-Plattformen müssen kreative Inhalte künftig lizenzieren und haften unmittelbar, wenn Nutzerinnen und Nutzer Bilder, Texte oder Videos unerlaubt hochladen.
Neu sind Regelungen zu gesetzlichen Nutzungserlaubnissen für das Text und Data Mining, einer Schlüsseltechnologie für maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz, wofür keine Vergütungspflicht besteht. Die zunächst befristete Form des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes aus dem Jahr 2017 ist nun Dauerrecht. Dies sorgt für eine Vereinfachung von digitalem Lehren und Lernen und schafft Rechtssicherheit. Bildungseinrichtungen dürfen Werke in einem gewissen Umfang vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen.
Außerdem wird das Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt. Die Leistung der Presseverleger bei der Erstellung von Presseveröffentlichungen soll hierdurch geschützt und honoriert werden. Ferner soll die Ausbeutung journalistischer Inhalte verhindert oder zumindest eingedämmt werden. Vorgesehen ist eine Mindestbeteiligung für Journalistinnen und Journalisten an den erzielten Lizenzeinnahmen. Den Urheberinnen und Urhebern sollen zwei Drittel dieser Einnahmen zustehen, den Verlagen ein Drittel. Verwertungsgesellschaften können aber auch andere Verteilungsschlüssel festlegen.
II. Was müssen Plattformen künftig beachten?
Die Neuordnung der urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen bringt neue Pflichten mit sich. Dienstanbieter müssen nicht lizenzierte Inhalte löschen und dürfen sie nicht mehr verfügbar machen. Großen Plattformen wird dies realistischerweise nur durch die Nutzung der im Vorfeld heftig umstrittenen Upload-Filtern möglich sein. Vorgesehen sind jedoch Ausnahmen für „mutmaßlich erlaubte Nutzungen“ bei Geringfügigkeit. Kurze Ausschnitte geschützter Werke können z.B. als Karikatur oder Parodie weiterhin genutzt werden. Als geringfügige Nutzung gelten ein bis zu 15 Sekunden langer Audio- oder Video-Schnipsel, Texte bis 160 Zeichen und 125 Kilobyte eines Fotos oder einer Grafik. Für Live-Übertragungen von Sportveranstaltungen gelten diese Bagatellgrenzen übrigens nicht. Damit es nicht zum Overblocking kommt, müssen Plattformen es ihren Nutzern ermöglichen, ihre Uploads selbst als erlaubte Nutzungen zu kennzeichnen und so vor einer sofortigen Sperrung oder Entfernung zu schützen.
III. Was ist Nutzern noch erlaubt?
Nutzerinnen und Nutzer dürfen natürlich weiterhin alles online stellen, was erlaubt ist. Dabei kann es sich um eigenen „Content“ handeln, um fremde Werke, an denen sie ausreichende Nutzungsrechte haben oder um die Verwendung fremder Werke, die von den „mutmaßlich erlaubten Nutzungen“ erfasst sind. Um die Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer zu schützen, wird bei dem Einsatz von Upload-Filtern zunächst vermutet, dass bestimmte Inhalte legal sind. Gilt der Beitrag als „mutmaßlich erlaubter Inhalt“ wird er veröffentlicht. Hierüber wird der Rechteinhaber informiert und kann Beschwerde einlegen, wobei eine sofortige Sperrung in Missbrauchsfällen möglich ist („Red-Button“-Verfahren).
IV. Ausnahmen für Startups in der Gründungsphase
Für Startups gelten Ausnahmeregeln. Firmen, die jünger als drei Jahre sind, einen niedrigeren Jahresumsatz als zehn Millionen Euro und weniger als fünf Millionen Nutzer pro Monat haben, sind von den Regelungen zum Teil ausgenommen. Denn die qualifizierte Blockierung unerlaubter Nutzungen („stay-down“) würde regelmäßig für kleine Plattformen einen unverhältnismäßig großen Aufwand darstellen, den sie noch nicht leisten können.
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