Neue Gesetze und Verordnungen
Das Bundeskabinett hat am 04.08.2022 die bereits im Briefing der vergangenen Woche (KW 30/31) vorgestellte Rechtsverordnung für eine Gasumlage zur sicheren Wärmeversorgung im Herbst und Winter im schriftlichen Umlaufverfahren verabschiedet.
Wesentliche Änderungen im Vergleich zu dem Entwurf (vgl. Briefing der vergangenen Woche) haben sich nicht ergeben. Die Rechtsverordnung wurde dem Bundestag zur Konsultation vorgelegt. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für ein zeitnahes Inkrafttreten der Verordnung erfüllt.
Die Verordnung wurde am 08.08.2022 im Bundesanzeiger veröffentlicht, trat am 09.08.2022 in Kraft und findet ab dem 01.10.2022 Anwendung. Der 09.08.2022 wurde nach Aussage des BMWK deshalb gewählt, um Energieversorgern die Möglichkeit zu geben, Preissteigerungen aufgrund der Umlage rechtssicher und transparent mitteilen zu können. Die Höhe der Umlage soll am 15.08.2022 durch den Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europe auf deren Website veröffentlicht werden.
Hintergrund
Ab dem (voraussichtlich) 01.10.2022 wird zusätzlich zu der Gasumlage (vgl. vorab) eine weitere Umlage, die Gasspeicherumlage, den Gaspreis verteuern.
Bei der Gasspeicherumlage handelt es sich um eine weitere Umlage, durch die die Bilanzkreisverantwortlichen belastet werden, um eine ausreichende Speicherbefüllung für den kommenden Winter zu gewährleisten.
Die Gasspeicherumlage wurde aufgrund der Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen „Gasspeichergesetz“ (veröffentlicht im Bundesgesetzblatt vom 29.04.2022) in den §§ 35a-h EnWG gesetzlich normiert und legt die Überwachung und Durchsetzung der Speicherbefüllung in Deutschland fest.
Im Gesetz werden drei Stufen zum Erreichen der gesetzlichen Füllstandsvorgaben vorgesehen (nachfolgend vertieft unter b)). Zur Finanzierung der mit der Befüllung einhergehenden Kosten soll die Gasspeicherumlage nach § 35e EnWG dienen (nachfolgend vertieft unter c)).
Stufenmodell zur Speicherbefüllung
Das Stufenmodell des Gasspeichergesetzes sah zunächst vor, dass die Speicherbefüllung marktbasiert erfolgen sollte und – sofern erforderlich – durch zusätzliche, nicht marktbasierte Maßnahmen, ergänzt werden. Sofern Mindestfüllstände, die im Gesetz und einer konkretisierenden Rechtsverordnung festgelegt wurden, absehbar nicht erfüllt werden könnten, sollten die zusätzlichen Maßnahmen eingreifen.
Die Befüllung erfolgt durch die Marktteilnehmer. Zusätzlich können über Ausschreibungen im Frühjahr Mengen beschafft werden, um Speicher ausreichend zu befüllen und eine Sockelvorsorge etablieren zu können. Dabei wird ein neues marktbasiertes Produkt angeboten: SSBO (Strategic Storage Based Options).
Im Rahmen von Stufe 2 werden zusätzliche SSBO-Ausschreibungen durchgeführt. Dies erfolgt dann, wenn in Folge des kontinuierlichen Speichermonitorings frühzeitig festgestellt werden kann, dass die Gaseinspeisung im Hinblick auf Mindestfüllvorgaben zum jeweiligen Stichtag nicht ausreichend erfolgt bzw. erfolgen kann.
Bei immer noch nicht ausreichender Befüllung kann der Marktgebietsverantwortliche physisches Gas erwerben und einspeichern.
Derzeit ist abzusehen, dass die Füllstandsvorgaben aufgrund weiterhin gedrosselter Gasflüsse aus Russland ggf. nicht eingehalten werden können. Insofern erwirbt die Trading Hub Europe GmbH als Marktgebietsverantwortlicher auf Basis des § 35c Abs. 1 EnWG (Stufe 3) physisch Gas und lässt dieses einspeichern.
Kosten der Befüllung durch Trading Hub Europe
Der zusätzliche Einkauf von Gas durch die Trading Hub Europe verursacht hohe Kosten, da die alternativen Gasmengen nicht über langlaufende Lieferverträge zu entsprechenden Konditionen, sondern zu aktuellen Marktpreisen beschafft werden müssen.
Die dadurch entstehenden Kosten werden über § 35e EnWG diskriminierungsfrei und in einem transparenten Verfahren auf die Bilanzkreisverantwortlichen im Marktgebiet der Trading Hub Europe umgelegt (Gasspeicherumlage). Der Marktgebietsverantwortliche muss die Kosten und Erlöse, die im Rahmen der ergriffenen Maßnahmen entstehen, transparent und für Dritte nachvollziehbar ermitteln. Die Kosten und Erlöse sind zu saldieren. Der Marktgebietsverantwortliche ist berechtigt, von den Bilanzkreisverantwortlichen Abschlagszahlungen zur Deckung der voraussichtlichen Kosten zu verlangen. Die Einzelheiten der Umlageberechnung sowie der sonstigen vorgenannten Maßnahmen müssen von der BNetzA im Einvernehmen mit dem BMWK und dem Bundesministerium für Finanzen genehmigt werden.
Im Unterschied zur Umlage nach § 26 EnSiG, bedarf es für die Umsetzung der Gasspeicherumlage keiner ergänzenden Rechtsverordnung durch die Bundesregierung. Die Gasspeicherumlage findet ihre gesetzliche Grundlage allein in § 35e EnWG.
Ähnlich wie die Rechtsverordnung nach § 26 EnSiG sieht § 35e EnWG nur die Weitergabe der Kosten durch den Marktgebietsverantwortlichen an die Bilanzkreisverantwortlichen vor. Damit schweigt sowohl das Gesetz als auch die Gesetzesbegründung zu der Frage, ob die Umlagekosten von den Bilanzkreisverantwortlichen an die jeweiligen Letztverbraucher weitergegeben werden können. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung bedarf es u.E. an dieser Stelle also (derzeit) erneut einer individualvertraglichen Abrede über die Anpassung von Kosten. Dabei sind die Pflichten zu Ankündigungsfristen (vier bzw. sechs Wochen) einzuhalten.
Die EU-Verordnung zur Senkung der Erdgasnachfrage wurde am 08.08.2022 im Amtsblatt der europäischen Union veröffentlicht und trat damit am 09.08.2022 in Kraft. Durch die Verordnung sollen die Mitgliedstaaten dazu veranlasst werden, die Erdgasnachfrage im Laufe des kommenden Winters um 15 % zu senken (zu den Einzelheiten des Notfallplans verweisen wir auf unser Briefing aus KW 29).
Die Vorgaben der EU sind freiwillig und manche Staaten erstritten sich Ausnahmen oder weigern sich, die Empfehlungen aus dem Plan zu berücksichtigen (Ungarn). Bei einer Zuspitzung der Gaskrise könnte die Einsparvorgabe aber auch verpflichtend werden. Die konkrete Umsetzung obläge in diesem Fall aber weiterhin den Mitgliedstaaten. Deutschland geht aufgrund der starken Abhängigkeit vom russischen Gas sogar über die Vorgaben hinaus und möchte 20 % Gas einsparen.
Behördliche oder sonstige hoheitliche Tätigkeiten
Gas-Szenarien der BNetzA von Juli 2022 bis Juni 2023
Inhalt
Die BNetzA hat drei Modelle zu Gas-Szenarien veröffentlicht, die anhand von historischen Lastflussdaten Lastflüsse an Ein- und Ausspeisepunkten in Abhängigkeit von erwarteten Tagestemperaturen für ein Jahr im Zeitraum Juli 2022 bis Juni 2023 prognostizieren. Dabei wird der bilanzielle Ausgleich von Ein- und Ausspeisungen simuliert. Durch die unterschiedlichen Modellszenarien können Aussagen über die Versorgungssituation in Deutschland während der nächsten Heizperiode prognostiziert werden.
Dabei werden einige wesentliche Modellannahmen für die Prognostizierung zugrunde gelegt. Zunächst wird unterstellt, dass der gesamtdeutsche Verbrauch in einzelnen Szenarien um 5 % bzw. 20 % reduziert wird. Hinsichtlich der Speicher werden als initiale Speicherfüllstände die Werte der AGSI+ (Gas Infrastructure Europe) vom 04.07.2022 herangezogen und füllstandsabhängige Ein- und Ausspeicherraten berücksichtigt. In Bezug auf die Tagestemperaturprognosen wird ein durchschnittlicher Winter unterstellt. Die Modellierungen gehen davon aus, dass ab 2023 zusätzliche LNG-Gasmengen zur Verfügung stehen und nach der Inbetriebnahme am 23.01.2023 eine Auslastung von 90 % möglich ist. In den Modellierungen wurde bereits die Nulleinspeisung durch Nord Stream 1 in der Zeit vom 11.07. bis 21.07. berücksichtigt. Die Modellierungen unterscheiden in Bezug auf die durch Nord Stream 1 in Deutschland ankommenden Gasflüsse zwischen den drei folgenden Varianten:
Ergebnisse
Die BNetzA stellt dar, welche zusätzlichen Maßnahmen – abhängig von den soeben dargestellten Varianten – erforderlich sein werden, um eine Gasmangellage zu vermeiden.
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